Neugierde ist wahrscheinlich der stärkste Antriebt für einen Menschen, wenn
es um das Entdecken von etwas vollkommen neuen geht. Wenn die Neugierde einmal
einen Bereich gefunden hat, in dem sie befriedigt werden muss, dann werden
keine Kosten und Mühen gescheut, um diese Neugierde zu befriedigen. Die
aktuelle Marsmission hat dies Eindrucksvoll bewiesen! Um die ganze technische
Meisterleistung, die diese Mission darstellt, zu erfassen, sollte man sie vielleicht
einmal von Beginn an Revue passieren lassen. Denn die Anzahl von technischen
Leistungen, die für diese Mission erbracht wurden, ist unglaublich.
Im Jahr 2003 wurde die Idee für eine Marsmission mit einem großen und
reichhaltig ausgestatteten Labor, das von einem Rover bewegt werden sollte,
dass erste Mal in einer wissenschaftlichen Zeitschrift erwähnt. Schon kurz
darauf, im April 2004 wurde die Wissenschaftler aus aller Welt von der NASA
dazu aufgerufen, Ideen und Konzepte für das Labor vorzulegen. Gut vier Jahre
später, im November 2008, waren die meisten Systeme und Werkzeuge in den Rover
integriert und die Testphase begann. Ursprünglich sollte das Labor schon 2009 starten,
aber während der Erprobung des Rovers wurde schon nach kurzer Zeit deutlich,
dass die vielen technischen Probleme, die sich während der Erprobung ergeben
hatten, nicht rechtzeitig gelöst werden konnten, sodass der Starttermin auf
Ende 2011 verlegt wurde. Am 27. Mai 2009 wurde der bis dahin namenlose Rover
endlich getauft. Er erhielt den vollkommen treffenden Namen „Curiosity“ . Dieser
so treffende Name wurde von einem Kind vorgeschlagen, dass den Wettbewerb der
Namenssuche mit diesem Vorschlag gewann. Ich finde, dass sich hierbei sehr gut
zeigt, was Kinder eigentlich ausmacht: Ihre unendliche Neugierde und ihr Drang
nach Wissen! Im Juli 2011 wurde nach fünfjähriger Suche endlich auch der
Landungsort der Sonde präsentiert: der Gale-Krater. Was sind nun die Aufgaben
des Labors, wenn es seinen Bestimmungsort erreicht?
In vielen Zeitungen war zu lesen, dass das Labor feststellen soll, ob es
Leben auf dem Mars gibt. Das ist genaugenommen falsch, da es dafür gar nicht
ausgestattet ist. Vielmehr soll es feststellen,
ob es überhaupt möglich wäre, dass sich zu irgend einem Zeitpunkt einmal Leben
auf dem Mars gebildet hatte. Dafür sollen unter anderem die Menge und die
Zusammensetzung von kohlenstoffhaltigen organischen Verbindungen analysiert
werden. Alles uns bekannte Leben basiert auf Kohlenstoff und so wäre das Finden
von bestimmten organischen Kohlenstoffverbindungen wenigstens ein Indiz dafür,
dass auf dem Mars Leben möglich wäre. Es
ist damit jedoch nicht gesagt, dass dort jemals Leben existiert hat! Außerdem
soll noch die Quantität der „Grundbausteine des Lebens“ wie Kohlenstoff, aber
auch Phosphor, Wasserstoff oder Sauerstoff festgestellt werden. Zu den
Messungen über die Beschaffenheit der Bodenoberfläche kommen auch noch
Messungen über die Strahlungsintensität, die Beschaffenheit der Atmosphäre und
vieles mehr, sodass man am Ende der Mission hoffentlich eine recht genaue
Vorstellungen über die Bedingungen auf dem Mars hat. Vielleicht kann man dann definitiv die Frage beantworten, ob es
überhaupt möglich wäre, dass sich auf dem Mars jemals Leben gebildet hat.
Zusätzlich zu den biologisch-chemisch-physikalischen Experimenten möchte man
mit der Landung es Rovers aber auch ein paar technische Dinge beweisen. Am
interessantesten für die Ingenieure ist die präzise Landung und die
Fortbewegung über eine längere Strecke, also über fünf Kilometer. Dass die
Landung fast perfekt gelungen ist, wurde vor einigen Tagen schon eindrucksvoll
bewiesen. Es bleibt noch abzuwarten, ob der Rover mit dem Untergrund des Mars
fertig wird. Schafft er aber auch dies, wäre damit bewiesen, dass es möglich
ist, sich mit einem gut 900 Kilo schweren Gefährt auf dem Mars zu bewegen. Dies
ist unabdingbar für spätere Missionen, in denen der Rover, zumindest teilweise,
wieder zur Erde zurückkehren soll, um Proben vom Mars mitzubringen. Damit diese
lange Liste an Experimenten überhaupt abgearbeitet werden kann, muss der Rover
mit dem Labor aber erst einmal auf den Mars. Und dafür hat sich die NASA
einiges einfallen lassen.
Als Mars Science Laboratory (MSL) wird der Komplex aus dem Marschflugmodul,
der Kapsel, der Abstiegsstufe, dem Rover und dem Hitzeschild verstanden. Das MSL
wiegt insgesamt 3,4 Tonnen, wobei gut 900 Kilo allein auf den Rover Curiosity
entfallen. Die Abstiegsstufe und Curiosity sind sicher zwischen der Kapsel und
dem Hitzeschild verstaut und so vor sämtlichen Einflüssen des Weltraums während
des Fluges geschützt. Das Marschflugmodul sitzt auf der Kapsel und steuert das
MSL auf dem Weg zum Mars. Und dieser Weg hat es wirklich in sich!
Am 26. November 2011 war es dann endlich so weit. Das MSL war an Bord einer
Atlas V Rakete verstaut und startete um 15:02 Weltzeit, also um 16:02 unserer
Zeit. Der Flug mit der Rakete, die das MSL in die Richtige Flugbahn bringen
sollte, verlief zwar alles andere als Fehlerfrei, aber trotz aller Probleme
wurde das MSL in die richtige Flugbahn gebracht. Dort angekommen musste es kurz
pausieren, weil wichtige Funktionen gestört waren, aber nach einem
Softwareupdate konnten diese Probleme auch behoben werden. Nach beheben dieser
Probleme begann der gut achtmonatige Flug des MSL. Schon währen dieses Fluges
wurden von verschiedenen Sensoren große Mengen an Daten gesammelt. Am
interessantesten für die Wissenschaftler waren natürlich die Daten über die
Strahlenbelastung, der eventuelle Astronauten auf dem Weg zum Mars ausgesetzt
wären. Überraschenderweise stellte sich heraus, dass die Strahlung, die von der
Sonne ausgeht, das kleinste Problem darstellt. Das größte Problem stellt
anscheinend die Hintergrundstrahlung des Weltraums dar. Während des Fluges
navigierte das MSL weitestgehend selbständig durch ständiges Triangulieren über
Sternen-und Sonnensensoren. Diese Sensoren erfassen bestimmte Sternenbilder
oder unsere Sonne und errechnen über das Verhältnis der Entfernung zu diesen
Punkten im Vergleich zu anderen Fixpunkten ständig die aktuelle Position. Das
dieses System fehlerfrei Funktioniert, wurde später eindrucksvoll bewiesen. Am
Ende der ungefähr 570 millionen Kilometer
und gut acht Monate langen Reise war das MSL endlich in einen Marsorbit
eingeschwenkt. Doch der Flug war ein Kinderspiel im Vergleich zu dem
Landemanöver, was dann noch folgen sollte.
Vom Eintritt des MSL in die Marsatmosphäre bis zur Landung vergehen gerade
einmal sieben Minuten. Ein Kinderspiel im Vergleich zu den acht Monaten der
Reise? Nein, vielmehr stellen diese sieben Minuten eine wahre Ewigkeit dar, da
in dieser kurzen Zeit mehr an Fehlern auftreten kann, als während des ganzen
Rests der Mission. Und jeder Fehler, der
in dieser Zeit auftritt, würde automatisch den Absturz des MSL und den Verlust
der Mission bedeuten. Das schlimmste für die verantwortlichen Wissenschaftler
während dieser sieben Minuten ist jedoch, dass sie keine Möglichkeit haben
einzugreifen. Die Signale zur Erde benötigen fast das doppelte der Zeit,
gut 14 Minuten. Das bedeutet, dass der Computer ganz auf sich allein gestellt
die Landung durchführen muss. Und dass man im Kommandozentrum der NASA erst
dann von dem Beginn der Landung erfährt, wenn das MSL entweder schon sicher auf
dem Boden ist … oder sich irgendwo zerschellt auf der Marsoberfläche befindet. Die ganze Kunst der Ingenieure wurde bei
diesem Manöver gefragt, dass sich eigentlich ganz einfach beschreiben lässt: Man muss das MSL „lediglich“ von gut 21.000
km/h auf 0 km/h abbremsen, und zwar in sieben Minuten! Um dies zu erreichen
wurde tief in die Trickkiste der Ingenieure gegriffen und eine vollkommen neue,
vollkommen verrückte Lösung entwickelt.
Vor dem Eintritt in die Marsatmosphäre wurde erst einmal das
Marschflugmodul abgeworfen. Danach flog das MSL noch gut zehn Minuten auf die
Marsoberfläche zu, ohne von der dünnen Atmosphäre gebremst zu werden. Danach
entwickelte sich langsam die Bremswirkung der Atmosphäre und das MSL musste
richtig positioniert werden, damit das Hitzeschild die Reibungsenergie aufnimmt,
um zu verhindern, dass das MSL verglüht. Während dieses Fluges durch die
Atmosphäre wird das Hitzeschild auf bis zu 1600 Grad Celsius aufgeheizt, dass
ist heiß genug um viele Metalle schmelzen zu lassen. Nach einigen Minuten wurde
die maximale Abbremswirkung erreicht und man benötigte eine neue Möglichkeit um
das MSL davor zu bewahren, auf der Marsoberfläche zu zerschellen. Dies liegt daran, dass die Atmosphäre des
Mars gerade so dicht ist, dass sie eine recht hohe Reibungstemperatur erzeugt,
jedoch viel zu dünn ist, um einen Gegenstand ernsthaft abbremsen zu können.
Jetzt kommt der Fallschirm ins Spiel. Bei
einer Geschwindigkeit von gut 1600 km/h, also ungefähr mach 1,4, wird ein
Fallschirm gezündet. Im Vergleich dazu ein Fallschirm, wie er von normalen
Fallschirmspringern eingesetzt wird, muss nur mit Geschwindigkeiten von gut 200
km/h aushalten. Dieser Fallschirm wird von über 80 Bändern an dem MSL gehalten
und bremst die gesamte Kapsel gerade einmal auf ungefähr 320 km/h herunter. Da
die Geschwindigkeit jetzt niedrig genug ist, kann das Hitzeschild nun
abgestoßen werden. Außerdem benötigt das Radar der Abstiegsstufe eine freie
Sicht auf den Boden, um die weitere Landung durchzuführen. Da 320 km/h immer
noch deutlich zu viel für eine saubere Landung sind, beginnt nun der
verrückteste Teil des Landemanövers.
Die Abstiegsstufe wird von der Kapsel getrennt. Noch währen dies passiert
zünden ihre Triebwerke und sie steigt einige Meter auf. Damit sie nicht mit der Kapsel und dem Fallschirm kollidiert, muss
sie seitlich ausweichen und danach sofort wieder ins Gleichgewicht gebracht
werden, damit das Radar den Boden nach dem Landeplatz absuchen kann. Ist
die Abstiegsstufe wieder im Gleichgewicht, sinkt sie langsam auf bis ungefähr
20 Meter über der Oberfläche herunter. Da die vier dann noch aktiven Düsen viel
zu viel Staub aufwirbeln würden, wenn sie den Rover direkt auf der
Marsoberfläche absetzen würden, wird der Curiosity nun an einem langen Seil
herabgelassen. Man muss also vorstellen,
wie die Landungsstufe über der Marsoberfläche schwebt und einen gut 900
Kilogramm schweren Rover langsam auf den Mars absetzt. Danach wird das Seil
gekappt und die Landungsstufe fliegt mit dem verbleibenden Sprit weit genug weg
um den Rover nicht durch ihren Absturz zu gefährden. Solch ein Manöver ist einmalig und bedarf, da es gerade einmal acht
Sekunden dauert, einer extrem genauen Planung! Ein kleiner Fehler bei der
Steuerung und der Rover landet schräg oder auf dem Kopf und der ganze Aufwand
ist umsonst gewesen.
Nun ist Curiosity glücklicherweise heile auf dem Mars angekommen und hat
seinen Zielort um gerade einmal 200 Meter verfehlt. Bei einer Flugentfernung
von gut 570 millionen Kilometern darf man das ruhig als Punktlandung ansehen!
Es ist nahezu unvorstellbar, dass bei einer so großen Entfernung der Rover im
Prinzip genau da landet, wo er landen sollte. Auf dem Mars sollen das Labor und
der Rover für ungefähr ein Marsjahr, also 687 Erdtage, ihre Mission erfüllen.
Wenn alles gut geht wird ihre Radionuklidbatterie sogar noch bedeutend länger
Energie liefern und man kann noch eine Zeit nach Ablauf ihrer eigentlichen Mission
Daten von ihr Sammeln. Nun stellen immer wieder Menschen die Frage, wofür das
ganze überhaupt gemacht wird. Die gesamte
Mission hat 2,5 Milliarden Dollar gekostet. Mit diesem Geld hätte so viel
erreicht werden können, warum musste man es den auf den Mars schießen?
Fest steht, dass diese Mission keinen direkten finanziellen Nutzen für die
Menschheit hat. Unser Leben wird auch nach Ablauf der Mission so weiter gehen
wie bisher, es werden keine neuen Wundermaschinen entwickelt werden, die alle
unsere Probleme lösen. Ist es nicht also rausgeschmissenes Geld? Ich behaupte, dass dieses Geld gut
investiert ist! Man kann die Frage nach dem Geld auf zwei Wege lösen. Der
eine Weg ist der idealistische Weg: So lange es noch Menschen gibt die Hungern,
sollte man das Geld dieser Erde zur Bekämpfung des Hungers einsetzen und damit
nicht auf dem Mars fliegen. Der andere Weg ist der realistische Weg: Das Geld
würde sowieso nicht in Projekte investiert, die irgend welchen Menschen bessere
Lebensbedingungen verschaffen würden, deshalb kann man damit auch auf den Mars
fliegen. Ich denke, das beiden Wege legitim sind und das keiner richtiger ist
als der andere. Für mich spielt jedoch die Neugierde und die Befriedigung
dieser Neugierde eine enorm wichtige Rolle und halte deshalb den realistischen
Weg für sinnvoller. Wir Menschen sind Geschöpfe, die vor Neugierde kaum zu
bremsen sind und sind auch bereit, den Preis dafür zu bezahlen. Viele Forscher
sind in der Vergangenheit bei dem Versuch, ihre Neugierde zu befriedigen
gestorben. Da können wir uns doch wohl von ein wenig Geld trennen, dass so oder
so ausgegeben worden wäre. Oder etwa nicht?
Neugierde-
Seit jeher Triebkraft für Innovationen!