Freitag, 28. März 2014

Ethik und Wissenschaft



Ethik und Wissenschaft scheinen in einem Zusammenhang zu stehen, der ständig Reibung verursacht. Viele Forschungsarbeiten müssen von Ethikkommissionen bewillig werden, Stammzellenforscher müssen damit leben, dass sie als teilweise als „Kindermörder“ angesehen werden und über Tierversuche muss gar nicht geredet werden. Vor diesem Hintergrund hat es mich nicht sonderlich überrascht, dass ich jetzt in mehreren Zeitschriften kleine Kommentare über die „Ethik der Wissenschaft“ gefunden habe. Auch wenn die Autoren teilweise sehr unterschiedliche Ansichten hatten, einige waren sich alle in dem Punkt, dass schon die Forschung ethischen Kriterien unterliegen muss und die Wissenschaftler deshalb in Ethik geschult werden müssen. Auf den ersten Blick scheint das keine schlechte Idee zu sein, gerade wenn man bedenkt, was alles an ethisch zumindest fragwürdigem aus den Laboren dieser Welt kommt. Auf den zweiten Blick hingegen sieht das schon wieder ganz anders aus.

Um zu verstehen, ob Ethik einen Einfluss auf die Wissenschaft an sich haben sollte, ist es wichtig erst einmal zu wissen, was „Ethik“ und „Wissenschaft“ eigentlich bedeuten und was diese Worte für Implikationen haben.

Ethik ist, vollkommen wertfrei gesagt, eine Zensur. Ethisch richtiges Handeln zeichnet sich dadurch aus, dass man aus einer Vielzahl an möglichen Handlungen alle die Zensiert, die man als „falsch“ oder „böse“ erachtet und nur die Handlung ausführt, die man für „richtig“ oder „gut“ hält. Wenn man diesen Begriff allgemein hält, ohne dabei auf bestimmte ethische Konzepte einzugehen, bedeutet Ethik eigentlich einen Rahmen, innerhalb diesem gehandelt werden darf. Handlungen, die außerhalb dieses Rahmens stattfinden, werden als falsch angesehen und verurteilt. Ethisch richtige Handlungen tragen im Regelfall zu einem guten gesellschaftlichen Zusammenleben bei und sorgen für ein harmonisches Klima. Ethik ist also etwas, was Handlungen beurteilt – weiter gefasst sogar vor allem Handlungen, die einen Einfluss auf die Gesellschaft, also auf mehr als die eigene Person, haben.

Schon das deutsche Wort „Wissenschaft“ sagt eigentlich ganz gut aus, worum in der Wissenschaft eigentlich geht: Dem „schaffen von Wissen“. Wobei Wissen mehr bedeutet als das bloße Entdecken von neuen Informationen, sondern auch schon das Einordnen von neuen Informationen in den Gesamtzusammenhang beinhaltet. Aus dem Wort „Wissenschaft“ lässt sich keine wie auch immer geartete Aussage über die Art des Wissens, das man „erschaffen“ hat, ableiten. Wissenschaft ist also erst einmal von der einfachsten Wortbedeutung her neutral. Das gleiche gilt für das lateinische „sciencia“, welches sowohl im englischen als auch im französischen nur den jeweiligen Sprachgewohnheiten angepasst wurde. „Scientia“ hat viele Bedeutungen, darunter jedoch solche „Entdecken“ oder „Erfahren“. Auch dies sind Begriffe, die rein deskriptiv und vollkommen wertungsfrei sind.

Wissenschaft sollte, im Idealfall, vollkommen wertungsfrei und rein deskriptiv sein. Diese Herausforderung steckt schon in dem Wort „Wissenschaft“ und dies offensichtlich in den meisten „europäischen“ Sprachen. Da Ethik sich eigentlich nicht mit Gedanken und Beschreibungen beschäftigt, sondern vor allem mit Handlungen, sollte Ethik eigentlich keinen Einfluss auf die Wissenschaft haben. Ob jetzt an einem Krebsmedikament oder einer neuen Massenvernichtungswaffe geforscht wird hat solange keine ethische Bewandtnis, solange niemand auf die Idee kommt, es auszuprobieren. Die Entwicklung der Atombombe beispielsweise war, solange sie nur als Machbarkeitsstudie betrieben wurde, keinesfalls ethisch falsch. Erst als dann die Idee aufkam, sie für militärische Zwecke zu nutzen, wurde sie zu einer ethischen Katastrophe. Bezeichnenderweise waren es gerade die Wissenschaftler, die diese Bombe entwickelt hatten, die sich sehr deutlich gegen den Einsatz ausgesprochen haben.

Ich vermute, dass das Verhalten der Wissenschaftler im „Manhatten Project“, also dem Bau der Atombombe, typisch für sehr viele Forschungsbereiche ist. Neugierde und Interesse sind nun einmal unglaublich starke Triebfedern und kaum jemand würde seine Arbeiten abbrechen, weil sie eventuell zum Schaden für die Menschheit sein könnten. Solange eine Arbeit nur im Labor und auf dem Papier stattfindet, ohne, dass Tiere oder Menschen dadurch beeinträchtig werden, gibt es also keinen Grund dafür, dass sie ethisch bewertet werden sollte. Denn das Problem ist nicht die Forschung selber, sondern die Anwendung. Die allermeisten ethischen Katastrophen wurden nicht etwas von Wissenschaftlern angerichtet, sondern von den Menschen, die mit dem Material der Wissenschaftler etwas gemacht haben. Der Spruch aus der IT-Branche „Das Problem sitzt meist hinter dem Computer“ gilt genauso gut auch in der angewandten Wissenschaft. Was wir also brauchen sind verantwortungsvolle „Anwender“ und keine sich selbst zensierenden Wissenschaftler. Denn nur wenn etwas potentiell gefährliches wirklich verstanden ist, ist es kontrollierbar. Und, solange es nur in den Händen der Wissenschaftler bleibt, auch vollkommen ungefährlich!

Der Wissenschaftler schafft wissen - 
Der Anwender schafft Tod und Zerstörung

Dienstag, 25. März 2014

Quotenfrau oder Frauenquote?



Die Familienministerin Manuela Schwesig möchte noch dieses Jahr ein Gesetz über eine Frauenquote in börsennotierten oder mitbestimmungspflichtigen (Unternehmen, die einen Aufsichtsrat benötigen, je nach Unternehmen gelten dabei unterschiedliche Regelungen) Unternehmen auf den Weg bringen, damit es spätestens 2016 in Kraft treten kann. Von da an werden ca. 100 börsennotierte und mitbestimmungspflichtige Unternehmen einen Frauenanteil von mindestens 30% in ihren Aufsichtsräten haben müssen. Unternehmen, die entweder börsennotiert oder mitbestimmungspflichtig sind, müssen sich schon ab 2015 verbindliche Ziele zur Erhöhung ihres Frauenanteils setzen und regelmäßig darüber berichten. Dieselben Regeln sollen dann auch für die Bundesverwaltung, die Gerichte, die Unternehmen des Bundes sowie alle Gremien, in die der Bund Vertreter entsendet, gelten. Für viele Personen ist dies ein weiterer Schritt in Richtung Gleichberechtigung, es gibt jedoch eine Menge sehr kritische Stimmen. Kann man die Kritiker dieser Initiative alle als Frauenfeindlich abstempeln oder haben ihre Argumente doch etwas Sinnvolles an sich?

Auch wenn ich der Überzeugung bin, dass persönliches Erfahren eigentlich nichts in Argumentationen zu suchen hat, werde ich hier meine Erlebnisse in Bezug auf dieses Thema unterbringen. Den von der objektiven Seite aus gibt es eigentlich keinen Argumentationsbedarf, weshalb die emotionale Seite der Frauenquote überdurchschnittlich stark berücksichtigt werden sollte.

Ich war erst vor kurzen eine Woche lang mit einem Haufen an jungen Menschen, die alle aus dem MINT-Bereich kamen, zusammen. Gerade in Gesprächen mit Mädchen und jungen Frauen kamen wir immer wieder auf die Frauenquote, weil Frauen ja gerade im MINT-Bereich krampfhaft gesucht werden. Die Reaktionen auf die Quote waren alle einheitlich: Ablehnend! Warum lehnen gerade diejenigen, die mit am meisten von dieser Quote profitieren diesen Mechanismus ab? Was hat die Politik dabei übersehen?

Es herrscht unter den jungen Menschen mit Freude an den MINT-Fächern anscheinend mehr oder weniger Konsens darüber, dass lediglich die Leistung in dem (Studien)Fach und der Grad der Vernetzung darüber entscheidet, ob man nachher eine Anstellung bekommt oder auf Ewigkeit schlechtbezahlte Laborjobs machen muss. Viele weigern sich sogar, eine Stelle anzunehmen die ihnen lediglich deshalb angeboten wird, weil sie XX – Gonosomen in sich tragen. Es kann durchaus sein, dass diese Meinung für die gesamte Generation unüblich ist, weil all diese Personen eher überdurchschnittliche Leistungen und besondere Motivation in ihrem Fachbereich haben und sich deshalb über leistungsbezogene Auswahlkriterien keine Sorgen machen müssen. Allerdings war ihnen auch klar, dass die Tatsache, dass sie eventuell irgendwann einmal Kinder bekommen könnten, ihren Berufsweg eindeutig einschränken wird.

Eine wissenschaftliche Karriere sinnvoll mit Kindern zu kombinieren ist unglaublich schwierig, da Kinder einen noch größeren Zeitaufwand darstellen als nur ein Partner und je nachdem was man gerade macht, kann schon ein Partner den eigenen Karierewünschen im Wege stehen. Die allgemeine Meinung darüber war meist in die Richtung, dass man entweder erst sehr spät eine Familie gründen möchte (wenn überhaupt) oder dass man sich vollständig im Klaren darüber ist, dass man seine Fähigkeiten als Wissenschaftler nur sehr eingeschränkt ausprobieren kann. Natürlich kann man Kinder auch in Tagesstätten geben und hätte damit wieder viel Zeit für die eigene Arbeit, aber dies schien kaum jemand aus dieser Gruppe zu wollen. Vielmehr wollten sie von Anfang an für die Kinder da sein – auch, weil man sie nur so überhaupt für die Wunder dieser Welt begeistern kann. Interessanterweise scheinen also die angeblich so unmoralischen, nerdigen und kalten Naturwissenschaftler recht Kinderlieb zu sein.

Was im Bereich der Wissenschaft gilt, lässt sich fast eins zu eins auf die Vorstands-, und Aufsichtsratplätze übertragen. Auch bei diesen Arbeitsplätzen gibt es keine fünf Tage Woche, Nächte dürfen schon mal durchgearbeitet werden und eine planbare Wochenstruktur ist eher selten. Um so einen Arbeitsplatz zu bekommen muss man über ein sehr gutes Netzwerk, einiges an Fähigkeiten und die Gabe, sich selber gut zu verkaufen, verfügen. Also über genau das, was man benötigt um einen guten Arbeitsplatz in der Wissenschaft zu bekommen. Auch hier gilt, das eine Schwangerschaft im Regelfall das vorläufige Ende der Arbeit bedeutet, weil die Schwangere spätestens gegen Ende der Schwangerschaft rein körperlich nicht mehr in der Lage dazu ist, ihren Arbeitsplatz vollständig auszufüllen. Wenn die Kinder im Anschluss nicht so schnell wie möglich in eine KiTa abgegeben werden können, ist es auch nahezu unmöglich hier wieder Fuß zu fassen. Bedeutet eine Frauenquote hier eine deutliche Besserung für die Frauen?

Ich behaupte etwas dreist einfach mal, dass Frauen sogar oft mehr an Wissen von der Uni haben und über größere Netzwerke als Männer verfügen, sodass sie, wenn sie wollen, relativ problemlos jede Stelle, die sie haben möchten, bekommen können. Das Problem dürfte vielmehr darin bestehen, dass es nicht allzu viele Frauen in den entsprechenden Fachrichtungen gibt und davon noch weniger bereit sind ihr Leben vollständig der Karriere zu widmen. Auch bei den Männern dürfte nur ein verschwindend geringer Prozentsatz aller Arbeitsfähigen überhaupt einen Posten im Vorstand oder Aufsichtsrat haben, aber da deutlich mehr Männer als Frauen in den entsprechenden Bereich aktiv sind, stellen sie dort auch den größten Anteil. Außerdem scheinen viele Männer in diesem Bereich der Meinung zu sein, dass die Familie der Frau überlassen werden kann – entsprechend wenig Zeit wird dann in Beziehung und Kinder investiert. Ob das wirklich gut und erstrebenswert ist, sei dahingestellt.

Anstatt einer Quote für Frauen einzuführen, die anscheinend sogar von vielen Frauen als unsinnig angehen wird, wäre es wahrscheinlich sinnvoller, einen erneuten Berufseinstieg nach einer Schwangerschaft deutlich einfacher zu machen. Den genau diese scheint das eigentliche Problem in vielen Fällen zu sein. Außerdem wäre es politisch auch klüger Familien, in denen beide Partner die Kinder zu Hause erziehen wollen ein wenig mehr zu stützen, auch wenn diese dadurch eben keine Vorstandsaufgaben wahrnehmen können. Natürlich sollten noch vorhandene Vorurteile gegenüber Frauen in Führungspositionen weiterhin angegangen und abgebaut werden, aber eine Quote kann da ganz schnell den gegenteiligen Effekt haben. Ich setzte mein Vertrauen da lieber in die Leistungsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft von Frauen und vermute, dass diese sie eigentlich immer auch ohne Quote dahin führt, wo sie hinmöchte.  

Arbeitsplätze nach Leistung, nicht nach Geschlecht -
Grundsätzlich und ohne Ausnahme! 

Dienstag, 4. März 2014

Riskantes Schachspiel auf ukrainischem Boden



Der Konflikt in der Ukraine schwelt schon seit geraumer Zeit, aber lange sah es so aus, als ob er ablaufen würde wie die meisten mehr oder minder gewaltfreien Umbrüche in der jüngeren Vergangenheit. Bis zur Vertreibung von Janukowitsch hielten sich auch alle Beteiligen mehr oder weniger an das universelle „Drehbuch der Geschichte“ – so weit, bekannt. Am 28.2. änderte sich die Situation jedoch auf einmal gewaltig. An jenem Freitag tauchten in den verschiedensten Medien plötzlich Berichte über nicht gekennzeichnete Soldaten auf der Halbinsel Krim auf. Es kam zu Straßensperren, der Blockade vom Parlament und eines Flughafens und aufgrund dessen zur Kurzzeitigen Einstellung des Flugverkehrs. Da sich die Ukraine zumindest teilweise schon auf einen Bürgerkrieg zubewegt hat, war es erst einmal nicht verwunderlich, dass die eher russisch gesinnten Krim-Bewohner eine eigene Bürgerwehr bildeten, um ein Gegengewicht zu den eher westlich gesinnten Bürgerwehren auf dem Maidan zu haben. Was jedoch sehr schnell auffiel war, dass diese „Selbstverteidigungskräfte“ nicht nur wie professionelle Soldaten mit schweren Waffen und sogar panzerbrechenden Waffen gesehen wurden, sondern dass ihre Aktionen sehr koordiniert und zielstrebig abliefen. Während die Bürgerwehren in Kiew definitiv als Bürger unter Waffen zu erkennen waren, die offensichtlich kaum Erfahrung mit dem Besetzten von Gebäuden und strategischen Planungen hatten, schienen diese „Selbstverteidigungstruppen“ ziemlich straff organisiert zu sein. Das einen Tag später die ersten russischen Fahrzeuge auf Krim auftauchten, bestätigte dann nur das, was sowieso schon vermutet wurde: Diese Einheiten waren mehrheitlich russische Soldaten, die keine Hoheitszeichen trugen. Das Fehlen von Hoheitszeichen auf der Uniformen ist zwar ein Verstoß gegen die Genfer Konventionen und die Haager Landkriegsverordnung – beide sind von Russland ratifiziert -, aber in der momentanen Situation dürfte dass das geringste Problem darstellen. Es dauerte noch etwas, bis dann endlich russische Offizielle zugaben, dass sich russische Truppen auf Krim befinden. Ihr Aufenthalt dort sei aber im Rahmen der verschiedenen Verträge, die die Ukraine mit Russland über den Stützpunkt der Schwarzmeerflotte abgeschlossen hat, und somit vollkommen legal. Außerdem müssten diese Einheiten die Sicherheit der Krimbevölkerung gewährleisten, da sie aufgrund der Unruhen in Kiew um ihr Leben fürchten müssten. Im Großen und Ganzen hat sich die Situation bis jetzt nur noch marginal verändert, aber gerade diese marginalen Veränderungen zeigen, wie Weltpolitik heute funktioniert! Denn eigentlich handelt es sich bei der gesamten Aktion „nur“ um ein besonders interessantes Schachspiel mit sehr hohen Einsätzen.

Bei der folgenden Betrachtung lasse ich bewusst jegliche moralischen Aspekte außer Acht, weil das alles nur „unnötig“ verkomplizieren würde. Durch die Destabilisierung der ukrainischen Führung konnte Russland den ersten Zug machen – es besetzte Flughäfen, errichtete Kontrollpunkte und belagerte die ukrainischen Kasernen – was traditionell ein Vorteil ist.
  
Die Ukraine musste auf diese furiose russische Eröffnung nun reagieren. Beide Parteien wissen, dass sie im Prinzip eine Art „Schnellschach“ spielen und müssen sehr unterschiedlich darauf reagieren. Russland muss die „Partie“ möglichst schnell für sich entscheiden, um sich nicht finanziell zu überheben und um kein PR-Desaster zu erleben. Die Ukraine muss möglichst lange durchhalten, damit die westlichen Verbündeten genügend Druck auf Russland ausüben können. Außerdem spielt die Ukraine nur mit „Bauern“, darf sich also nicht wirklich wehren, sondern muss einfach nur verhindern, dass ihre Figuren geschlagen werden.

Die ukrainische Reaktion auf Russlands Eröffnung war das Anrufen der internationalen Gemeinschaft und eine Mobilisierung aller Reservisten. Russland reagierte darauf mit dem Verweis auf die Gefährdung der Krim-Bewohner und dass sie sich in den Rahmen der Verträge handeln. Außerdem blockierten sie anscheinend zeitweise die Handykommunikation und riegelten mit ihrer Flotte den ukrainischen Hafen ab. Die Ukraine erhielt als Antwort darauf finanzielle und ideologische Rückendeckung der G7 und sperrte ihren Luftraum für fremde Militärflugzeuge. 

Kurz darauf kursierten Gerüchte über ein angebliches Ultimatum der Russen an das Militär auf der Krim. Zwar wurde diese Meldung ein wenig halbherzig dementiert, aber Putin, der sonst zu allen wichtigen Ereignissen etwas zu sagen hatte, schwieg diesmal. Damit war eine diffuse Drohung ausgestoßen, die der ukrainischen Regierung sicherlich ziemliches Kopfzerbrechen bereitete. Ging man auf das Ultimatum ein, würde man die Krim sofort verlieren. Ging man nicht darauf ein, riskierte man es, am nächsten Morgen die Regierung eines Trümmerhaufens zu sein, falls einen die russische Artillerie überhaupt am Leben gelassen hätte. Man entschied sich für das Stillhalten und es wurde belohnt. Die elendige Pattsituation blieb damit zwar bestehen, aber es war ein kleiner Punktsieg für die ukrainische Führung.

Die nächste Runde und noch laufende Runde eröffnete Russland mit der Drohung, dass die Ukraine bald 30% mehr für ihre Gasimporte aus Russland bezahlen muss – wohlwissen, dass dies aufgrund der sehr angespannten Finanzsituation die Ukraine in den Staatsbankrott treiben wird. Als Reaktion darauf versprachen die G7, der IWF und die EU, dass sie der Ukraine Finanzhilfen zur Verfügung stellen werden um den drohenden Staatsbankrott abzuwenden. Im Verlaufe des 4.3 haben außerdem ukrainische Soldaten mehrfach versucht unbewaffnet russische Blockaden an Flughäfen und Kasernen zu durchbrechen. Die (vermutlich, da nicht gekennzeichneten) russischen Soldaten stoppten sie mit Schüssen in die Luft und drohten, im Zweifelsfall die „angreifenden“ unbewaffneten ukrainischen Soldaten zu erschießen.

Die nächsten Tage werden zeigen, wie die Partie weiter gespielt wird, gerade da Russland die Zeit davon läuft. Verliert ein Spieler die Übersicht und es fällt ein einziger Schuss dürfte das den vollkommen unnötigen Tod von vielen Personen zur Folge haben und in einer Besetzung der Ukraine durch Russland enden. Noch ist niemandem daran gelegen, dass es soweit kommt, aber wer weiß ob das so bleibt.

Ich selber beobachte die Geschehnisse in der Ukraine mit einer Mischung aus Verachtung und Bewunderung. Verachtung für die so offensichtliche Grenzverletzung und die Dreistigkeit von Putin. Bewunderung für die unglaublich geschickte Inszenierung der gesamten Aktion und die überaus intelligente Taktik, die bis jetzt dahinter zu stecken scheint. Hoffentlich halten sich alle beteiligten Parteien mit der Anwendung von Gewalt zurück, damit wir nicht Zeitzeugen einer der größten europäischen Katastrophen dieses Jahrzehntes werden.

Der kalte Krieg - anscheinend immer noch etwas (zu) warm