Dienstag, 14. August 2012

Der weite Weg der Neugierde


Neugierde ist wahrscheinlich der stärkste Antriebt für einen Menschen, wenn es um das Entdecken von etwas vollkommen neuen geht. Wenn die Neugierde einmal einen Bereich gefunden hat, in dem sie befriedigt werden muss, dann werden keine Kosten und Mühen gescheut, um diese Neugierde zu befriedigen. Die aktuelle Marsmission hat dies Eindrucksvoll bewiesen! Um die ganze technische Meisterleistung, die diese Mission darstellt, zu erfassen, sollte man sie vielleicht einmal von Beginn an Revue passieren lassen. Denn die Anzahl von technischen Leistungen, die für diese Mission erbracht wurden, ist unglaublich.

Im Jahr 2003 wurde die Idee für eine Marsmission mit einem großen und reichhaltig ausgestatteten Labor, das von einem Rover bewegt werden sollte, dass erste Mal in einer wissenschaftlichen Zeitschrift erwähnt. Schon kurz darauf, im April 2004 wurde die Wissenschaftler aus aller Welt von der NASA dazu aufgerufen, Ideen und Konzepte für das Labor vorzulegen. Gut vier Jahre später, im November 2008, waren die meisten Systeme und Werkzeuge in den Rover integriert und die Testphase begann. Ursprünglich sollte das Labor schon 2009 starten, aber während der Erprobung des Rovers wurde schon nach kurzer Zeit deutlich, dass die vielen technischen Probleme, die sich während der Erprobung ergeben hatten, nicht rechtzeitig gelöst werden konnten, sodass der Starttermin auf Ende 2011 verlegt wurde. Am 27. Mai 2009 wurde der bis dahin namenlose Rover endlich getauft. Er erhielt den vollkommen treffenden Namen „Curiosity“ . Dieser so treffende Name wurde von einem Kind vorgeschlagen, dass den Wettbewerb der Namenssuche mit diesem Vorschlag gewann. Ich finde, dass sich hierbei sehr gut zeigt, was Kinder eigentlich ausmacht: Ihre unendliche Neugierde und ihr Drang nach Wissen! Im Juli 2011 wurde nach fünfjähriger Suche endlich auch der Landungsort der Sonde präsentiert: der Gale-Krater. Was sind nun die Aufgaben des Labors, wenn es seinen Bestimmungsort erreicht?

In vielen Zeitungen war zu lesen, dass das Labor feststellen soll, ob es Leben auf dem Mars gibt. Das ist genaugenommen falsch, da es dafür gar nicht ausgestattet ist. Vielmehr soll es feststellen, ob es überhaupt möglich wäre, dass sich zu irgend einem Zeitpunkt einmal Leben auf dem Mars gebildet hatte. Dafür sollen unter anderem die Menge und die Zusammensetzung von kohlenstoffhaltigen organischen Verbindungen analysiert werden. Alles uns bekannte Leben basiert auf Kohlenstoff und so wäre das Finden von bestimmten organischen Kohlenstoffverbindungen wenigstens ein Indiz dafür, dass auf dem Mars Leben möglich wäre. Es ist damit jedoch nicht gesagt, dass dort jemals Leben existiert hat! Außerdem soll noch die Quantität der „Grundbausteine des Lebens“ wie Kohlenstoff, aber auch Phosphor, Wasserstoff oder Sauerstoff festgestellt werden. Zu den Messungen über die Beschaffenheit der Bodenoberfläche kommen auch noch Messungen über die Strahlungsintensität, die Beschaffenheit der Atmosphäre und vieles mehr, sodass man am Ende der Mission hoffentlich eine recht genaue Vorstellungen über die Bedingungen auf dem Mars hat. Vielleicht kann man dann definitiv die Frage beantworten, ob es überhaupt möglich wäre, dass sich auf dem Mars jemals Leben gebildet hat. Zusätzlich zu den biologisch-chemisch-physikalischen Experimenten möchte man mit der Landung es Rovers aber auch ein paar technische Dinge beweisen. Am interessantesten für die Ingenieure ist die präzise Landung und die Fortbewegung über eine längere Strecke, also über fünf Kilometer. Dass die Landung fast perfekt gelungen ist, wurde vor einigen Tagen schon eindrucksvoll bewiesen. Es bleibt noch abzuwarten, ob der Rover mit dem Untergrund des Mars fertig wird. Schafft er aber auch dies, wäre damit bewiesen, dass es möglich ist, sich mit einem gut 900 Kilo schweren Gefährt auf dem Mars zu bewegen. Dies ist unabdingbar für spätere Missionen, in denen der Rover, zumindest teilweise, wieder zur Erde zurückkehren soll, um Proben vom Mars mitzubringen. Damit diese lange Liste an Experimenten überhaupt abgearbeitet werden kann, muss der Rover mit dem Labor aber erst einmal auf den Mars. Und dafür hat sich die NASA einiges einfallen lassen.

Als Mars Science Laboratory (MSL) wird der Komplex aus dem Marschflugmodul, der Kapsel, der Abstiegsstufe, dem Rover und dem Hitzeschild verstanden. Das MSL wiegt insgesamt 3,4 Tonnen, wobei gut 900 Kilo allein auf den Rover Curiosity entfallen. Die Abstiegsstufe und Curiosity sind sicher zwischen der Kapsel und dem Hitzeschild verstaut und so vor sämtlichen Einflüssen des Weltraums während des Fluges geschützt. Das Marschflugmodul sitzt auf der Kapsel und steuert das MSL auf dem Weg zum Mars. Und dieser Weg hat es wirklich in sich!

Am 26. November 2011 war es dann endlich so weit. Das MSL war an Bord einer Atlas V Rakete verstaut und startete um 15:02 Weltzeit, also um 16:02 unserer Zeit. Der Flug mit der Rakete, die das MSL in die Richtige Flugbahn bringen sollte, verlief zwar alles andere als Fehlerfrei, aber trotz aller Probleme wurde das MSL in die richtige Flugbahn gebracht. Dort angekommen musste es kurz pausieren, weil wichtige Funktionen gestört waren, aber nach einem Softwareupdate konnten diese Probleme auch behoben werden. Nach beheben dieser Probleme begann der gut achtmonatige Flug des MSL. Schon währen dieses Fluges wurden von verschiedenen Sensoren große Mengen an Daten gesammelt. Am interessantesten für die Wissenschaftler waren natürlich die Daten über die Strahlenbelastung, der eventuelle Astronauten auf dem Weg zum Mars ausgesetzt wären. Überraschenderweise stellte sich heraus, dass die Strahlung, die von der Sonne ausgeht, das kleinste Problem darstellt. Das größte Problem stellt anscheinend die Hintergrundstrahlung des Weltraums dar. Während des Fluges navigierte das MSL weitestgehend selbständig durch ständiges Triangulieren über Sternen-und Sonnensensoren. Diese Sensoren erfassen bestimmte Sternenbilder oder unsere Sonne und errechnen über das Verhältnis der Entfernung zu diesen Punkten im Vergleich zu anderen Fixpunkten ständig die aktuelle Position. Das dieses System fehlerfrei Funktioniert, wurde später eindrucksvoll bewiesen. Am Ende der ungefähr 570 millionen Kilometer und gut acht Monate langen Reise war das MSL endlich in einen Marsorbit eingeschwenkt. Doch der Flug war ein Kinderspiel im Vergleich zu dem Landemanöver, was dann noch folgen sollte.

Vom Eintritt des MSL in die Marsatmosphäre bis zur Landung vergehen gerade einmal sieben Minuten. Ein Kinderspiel im Vergleich zu den acht Monaten der Reise? Nein, vielmehr stellen diese sieben Minuten eine wahre Ewigkeit dar, da in dieser kurzen Zeit mehr an Fehlern auftreten kann, als während des ganzen Rests der Mission. Und jeder Fehler, der in dieser Zeit auftritt, würde automatisch den Absturz des MSL und den Verlust der Mission bedeuten. Das schlimmste für die verantwortlichen Wissenschaftler während dieser sieben Minuten ist jedoch, dass sie keine Möglichkeit haben einzugreifen. Die Signale zur Erde benötigen fast das doppelte der Zeit, gut 14 Minuten. Das bedeutet, dass der Computer ganz auf sich allein gestellt die Landung durchführen muss. Und dass man im Kommandozentrum der NASA erst dann von dem Beginn der Landung erfährt, wenn das MSL entweder schon sicher auf dem Boden ist … oder sich irgendwo zerschellt auf der Marsoberfläche befindet.  Die ganze Kunst der Ingenieure wurde bei diesem Manöver gefragt, dass sich eigentlich ganz einfach beschreiben lässt: Man muss das MSL „lediglich“ von gut 21.000 km/h auf 0 km/h abbremsen, und zwar in sieben Minuten! Um dies zu erreichen wurde tief in die Trickkiste der Ingenieure gegriffen und eine vollkommen neue, vollkommen verrückte Lösung entwickelt.

Vor dem Eintritt in die Marsatmosphäre wurde erst einmal das Marschflugmodul abgeworfen. Danach flog das MSL noch gut zehn Minuten auf die Marsoberfläche zu, ohne von der dünnen Atmosphäre gebremst zu werden. Danach entwickelte sich langsam die Bremswirkung der Atmosphäre und das MSL musste richtig positioniert werden, damit das Hitzeschild die Reibungsenergie aufnimmt, um zu verhindern, dass das MSL verglüht. Während dieses Fluges durch die Atmosphäre wird das Hitzeschild auf bis zu 1600 Grad Celsius aufgeheizt, dass ist heiß genug um viele Metalle schmelzen zu lassen. Nach einigen Minuten wurde die maximale Abbremswirkung erreicht und man benötigte eine neue Möglichkeit um das MSL davor zu bewahren, auf der Marsoberfläche zu zerschellen. Dies liegt daran, dass die Atmosphäre des Mars gerade so dicht ist, dass sie eine recht hohe Reibungstemperatur erzeugt, jedoch viel zu dünn ist, um einen Gegenstand ernsthaft abbremsen zu können. Jetzt kommt der Fallschirm ins Spiel. Bei einer Geschwindigkeit von gut 1600 km/h, also ungefähr mach 1,4, wird ein Fallschirm gezündet. Im Vergleich dazu ein Fallschirm, wie er von normalen Fallschirmspringern eingesetzt wird, muss nur mit Geschwindigkeiten von gut 200 km/h aushalten. Dieser Fallschirm wird von über 80 Bändern an dem MSL gehalten und bremst die gesamte Kapsel gerade einmal auf ungefähr 320 km/h herunter. Da die Geschwindigkeit jetzt niedrig genug ist, kann das Hitzeschild nun abgestoßen werden. Außerdem benötigt das Radar der Abstiegsstufe eine freie Sicht auf den Boden, um die weitere Landung durchzuführen. Da 320 km/h immer noch deutlich zu viel für eine saubere Landung sind, beginnt nun der verrückteste Teil des Landemanövers.

Die Abstiegsstufe wird von der Kapsel getrennt. Noch währen dies passiert zünden ihre Triebwerke und sie steigt einige Meter auf. Damit sie nicht mit der Kapsel und dem Fallschirm kollidiert, muss sie seitlich ausweichen und danach sofort wieder ins Gleichgewicht gebracht werden, damit das Radar den Boden nach dem Landeplatz absuchen kann. Ist die Abstiegsstufe wieder im Gleichgewicht, sinkt sie langsam auf bis ungefähr 20 Meter über der Oberfläche herunter. Da die vier dann noch aktiven Düsen viel zu viel Staub aufwirbeln würden, wenn sie den Rover direkt auf der Marsoberfläche absetzen würden, wird der Curiosity nun an einem langen Seil herabgelassen. Man muss also vorstellen, wie die Landungsstufe über der Marsoberfläche schwebt und einen gut 900 Kilogramm schweren Rover langsam auf den Mars absetzt. Danach wird das Seil gekappt und die Landungsstufe fliegt mit dem verbleibenden Sprit weit genug weg um den Rover nicht durch ihren Absturz zu gefährden. Solch ein Manöver ist einmalig und bedarf, da es gerade einmal acht Sekunden dauert, einer extrem genauen Planung! Ein kleiner Fehler bei der Steuerung und der Rover landet schräg oder auf dem Kopf und der ganze Aufwand ist umsonst gewesen.

Nun ist Curiosity glücklicherweise heile auf dem Mars angekommen und hat seinen Zielort um gerade einmal 200 Meter verfehlt. Bei einer Flugentfernung von gut 570 millionen Kilometern darf man das ruhig als Punktlandung ansehen! Es ist nahezu unvorstellbar, dass bei einer so großen Entfernung der Rover im Prinzip genau da landet, wo er landen sollte. Auf dem Mars sollen das Labor und der Rover für ungefähr ein Marsjahr, also 687 Erdtage, ihre Mission erfüllen. Wenn alles gut geht wird ihre Radionuklidbatterie sogar noch bedeutend länger Energie liefern und man kann noch eine Zeit nach Ablauf ihrer eigentlichen Mission Daten von ihr Sammeln. Nun stellen immer wieder Menschen die Frage, wofür das ganze überhaupt gemacht wird. Die gesamte Mission hat 2,5 Milliarden Dollar gekostet. Mit diesem Geld hätte so viel erreicht werden können, warum musste man es den auf den Mars schießen?

Fest steht, dass diese Mission keinen direkten finanziellen Nutzen für die Menschheit hat. Unser Leben wird auch nach Ablauf der Mission so weiter gehen wie bisher, es werden keine neuen Wundermaschinen entwickelt werden, die alle unsere Probleme lösen. Ist es nicht also rausgeschmissenes Geld? Ich behaupte, dass dieses Geld gut investiert ist! Man kann die Frage nach dem Geld auf zwei Wege lösen. Der eine Weg ist der idealistische Weg: So lange es noch Menschen gibt die Hungern, sollte man das Geld dieser Erde zur Bekämpfung des Hungers einsetzen und damit nicht auf dem Mars fliegen. Der andere Weg ist der realistische Weg: Das Geld würde sowieso nicht in Projekte investiert, die irgend welchen Menschen bessere Lebensbedingungen verschaffen würden, deshalb kann man damit auch auf den Mars fliegen. Ich denke, das beiden Wege legitim sind und das keiner richtiger ist als der andere. Für mich spielt jedoch die Neugierde und die Befriedigung dieser Neugierde eine enorm wichtige Rolle und halte deshalb den realistischen Weg für sinnvoller. Wir Menschen sind Geschöpfe, die vor Neugierde kaum zu bremsen sind und sind auch bereit, den Preis dafür zu bezahlen. Viele Forscher sind in der Vergangenheit bei dem Versuch, ihre Neugierde zu befriedigen gestorben. Da können wir uns doch wohl von ein wenig Geld trennen, dass so oder so ausgegeben worden wäre. Oder etwa nicht?

Neugierde- 
Seit jeher Triebkraft für Innovationen!

1 Kommentar:

  1. No it's not a stupid question, I read mostly German blogs and a load of people ask me that!
    It's my way of learning more German. I understand most of what you write and then (with the help of a translator) I work out the odd words I don't know.
    It's a fun and interesting way to improve my German. :)

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