Freitag, 24. Februar 2012

Müssen Menschen sterben, nur weil ein besonderes Buch verbrannt wird?


Manchmal passiert es, dass ein Buch das Ende seiner Lebenszeit erreicht hat. Es kann von einer Katze als Toilette benutzt worden sein, einzelne Seiten können verschwunden sein, weil die Bindung beschädigt ist und alles ständig herausfällt. Es kann auch einfach eine schöne Kanne Tee über das Buch gelaufen sein, was zu einer Auflösung des Buches geführt hat. In all diesen Fällen steht man dann vor der schweren Entscheidung, sich von dem Buch zu trennen. Wenn man sich wirklich dazu durchringen kann es wegzuwerfen, dann wird es in der Altpapiertonne oder im Ofen verschwinden. Nach einer angemessenen Phase der Trauer ist es dann aber auch erlaubt, mit seinen Gedanken wieder woanders zu sein. Und wenn man nicht unbedingt ein Bücherwurm ist, der in Büchern gerne mehr sieht als viele Seiten bedrucktes Papier, dann kann man auch die Trauerphase weglassen. Man sollte aber von jeder Person erwarten können, dass sie es akzeptiert das Bücher irgendwann einfach entsorgt werden! Aber genau das scheint in Afghanistan im Moment nicht möglich zu sein.
Soweit die gängigen Medien recht haben, wurde in Afghanistan vor einigen Tagen in wenigstens einem Gefängnis der Amerikaner der größte Teil der religiösen Literatur ausgeräumt, da die Gefangenen sich über Notizen in diesen Schriften ausgetauscht haben sollen. Diese Schriften wurden dann in eine Müllverbrennungsanlage gebracht und dort verbrannt. Allerdings haben angeblich die afghanischen Angestellten der Anlage gesehen, dass unter den Schriften auch Ausgaben des Korans waren. Sicher ist, dass die verbrannten Überreste von mehreren Ausgaben des Korans auf einer Müllkippe gefunden wurden, auf der auch die Reste dieser Müllverbrennungsanlage entsorgt wurden. Ich möchte nicht über die Lebensbedingungen der Häftlinge oder den Militäreinsatz der Amerikaner in Afghanistan diskutieren. Das vieles schief gelaufen ist steht außer Frage. Aber was nicht außer Frage steht, ist das schon einige Menschen aufgrund der Proteste gegen die Verbrennung des Korans, sterben mussten. Mussten? Wie oben schon beschrieben ist es normal, das Bücher irgendwann entsorgt werden. Wenn man den Koran also als ein Buch unter vielen betrachtet, ist es vollkommen unverständlich, das es zu Protesten gekommen ist. Aber der Koran ist für mehr als eine Milliarde Menschen mehr als nur ein Buch, er ist DAS Buch. Die „Schändung“ des Korans wird mit dem Tode bestraft! Aber kann selbst diese hohe Wertigkeit des Korans den Tod von Menschen notwendig machen?
Nachdem die Nachricht von dem Fund von verbrannten Koran-Büchern haben sich in mehreren Städten von Afghanistan spontan Demonstrationen gebildet, die teilweise mit gewaltsame Ausschreitungen einhergingen. Es hat also ein bloße Gerücht ausgereicht um Menschen dermaßen zu mobilisieren. Es scheint für sehr gläubige Muslime also keine Rolle zu spielen, wenn Menschen verletzt werden, solange man die „Ehre“ des Korans verteidigt. Ist dies eine Reaktion die mit dem gesunden Menschenverstand in Einklang zu bringen ist? Ist dies eine Reaktion die logisch ist? Wenn man in den Regeln der streng religiösen Menschen einhält, scheint es logisch zu sein, Menschen für ein Buch zu opfern. Aber wenn man wirklich die Logik als Grundlage für eine Bewertung dieser Demonstrationen nimmt, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass diese Aktionen völlig unlogisch sind. Wie viele Menschen müssen noch sterben, noch verletzt werden, bis die Empörung der Menschen über diese Verbrennung aufhört? Einer? Zwei? Zehn? Jeder weitere Mensch, der bei diesen Ausschreitungen zu Schade kommt ist ein Mensch zu viel! Es stellt sich auch die Frage, ob der Einsatz der verschiedenen Länder in Afghanistan überhaupt dauerhaften Erfolg erzielen kann. Wenn die Verbrennung des höchsten religiösen Buches solche Wellen nach sich zieht, scheint die Antwort auf diese Frage eher negativ auszufallen. Warum müssen Menschen nur so unglaublich arrogant sein und das geschriebene Wort über die Leben von anderen Menschen stellen? Warum setzten Menschen ihre Religiösen Werte über den Wert des Lebens? Warum können Menschen sich nicht einfach damit abfinden, dass ihre religiösen Schriften von anderen nicht für wichtig gehalten werden? Natürlich war es auch unklug von den Amerikanern so mit dem Koran zu verfahren, aber sie haben damit keinen einzigen Menschen verletzt. Durch die Demonstrationen jedoch wurden schon mehrere Menschen getötet! Es besteht überhaupt keine Verhältnismäßigkeit mehr zwischen dem „Vergehen“ und der „Vergeltung“. Es gibt keinen logischen Grund dafür, warum diese Menschen sterben mussten! Sie starben aufgrund der Intoleranz ihrer Mitmenschen, weil eine wütende Menge nicht mehr weiß was sie tut. Sie starben völlig sinnlos!
Intoleranz und schnelle Erregbarkeit scheinen unvermeidbare Begleiterscheinungen von einem radikalen Religionsverständnis zu sein. Dieses Verhalten kann sowohl im Christentum, als auch im Judentum oder eben, wie in diesem Fall, im Islam beobachtet werden. In meinen Augen ist dieses Verhalten jedoch ein deutliches Zeichen dafür, dass man es nicht mit Personen zu tun hat, sondern mit Menschen, die nur sehr eingeschränkt denken können. Solche Menschen haben in meinen Augen Mitleid und Unterstützung verdient. Wenn sie sich aber gegen diese Unterstützung wehren, dann müssen sie eben selber die Konsequenzen ihrer Handlungen tragen. Die Menschen, die bei den Protesten auf Seite der Protestierenden gestorben sind, haben in meinen Augen deshalb kaum Mitleid verdient. Es ist die Menge an Trauer angebracht, die man empfindet, wenn ein Mensch stirbt, aber ein besondere Anerkennung haben diese Menschen nicht verdient. Ich finde es allerdings sehr schade, dass noch im 21. Jahrhundert Menschen aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen sterben. Die Welt scheint immer noch ein sehr verrückter Ort zu sein, an dem alles Möglich ist. Sogar das Menschen sterben, weil einige Ausgaben des wichtigsten Buches ihres Glaubens verbrannt wurden. Eigentlich schade, finde ich. Diese Menschen hätten etwas sehr viel besseres als den Tod verdient!   

Vernunft, wann wirst in den Köpfen der Menschen ankommen?

Die Ignoranz der Massen


Soziologisch betrachtet sind Schulen, vor allem weiterführende Schulen, wahrscheinlich extrem interessant. In jeder Schule kommt eine einzigartige Mischung von Schülern  aus völlig verschiedenen Altersgruppen, mit völlig verschiedenen Interessen, mit völlig unterschiedlichem Charakter und vielen weiteren, vollkommen variablen Merkmalen zusammen. Diese Schüler werden, teilweise gegen ihren Willen, mit vielen anderen, teilweise mehr als 1000 anderen, Schülern in ein System eingebunden, in dem sie sich kaum wirklich aus dem Weg gehen können. Wenn man sich diesen Pool an Menschen, viel wichtiger, an Personen, auf einer rein logischen Ebene nähert kann man sein Glück eigentliche kaum fassen. Diese vielen verschiedenen Persönlichkeiten sind zum einen ein hochinteressante Gruppe, die man analysieren kann. Man kann so viel aus den vielen verschiedenen Personen herauslesen! Zum anderen ist es aber auch persönlich relativ praktisch, weil unter einer großen Masse an Menschen immer auch interessante Personen zu finden sind. Personen mit Fähigkeiten, die man gebrauchen kann oder die einem das Leben einfach durch ihre kreative, verrückte oder nachdenkliche Art „verschönern“. Aber es gibt neben diesen positiven Aspekten einer großen Gruppe noch einen negativen Aspekt, der sehr wichtig ist. Normalerweise werden nämlich nicht alle Personen innerhalb von diesem System miteinander interagieren, sonder es werden sich Gruppen herausbilden. Und eine Konsequenz aus dieser Gruppenbildung ist die meist bewusste Ausgrenzung von Menschen, die nicht in diese Gruppen passen.
Jedem, der einmal etwas genauer darauf geachtet hat, wie Mannschaften gewählt werden, wie Projektgruppen entstehen oder Gruppen für eine Gruppenarbeit zusammenfinden, wird festgestellt haben, dass es eine bestimmte Gruppe von Schülern gibt, die immer wieder ausgeschlossen werden. Und in den allermeisten Fällen wird man recht schnell sehen, warum diese Schüler ausgegrenzt werden. Der wichtigste Punkt wird das Aussehen sein. Häufig bleiben die zu dicken oder sehr dünnen Schüler übrig. Meistens werden auch  die Menschen mit auffällig vielen Piercings oder einem „anderen“ Kleidungsstiel nicht gerne in Gruppen aufgenommen. Neben dem Aussehen spielt auch noch die sonstige soziale Integration der Menschen eine Rolle. Sind sie auf keiner Party zu sehen, trinken und rauchen nicht, haben „andere“ Interessen wie Philosophie, Biologie oder Politik oder waren schon einmal in einer Psychiatrie werden auch sie schnell ausgegrenzt. Es heißt ja, dass Kinder oder Schüler grausam sein können. Dem würde ich zustimmen! Ich würde aber auch noch hinzufügen, dass sie außerdem extrem dumm sein können! Um diese etwas provokative Behauptung verständlich zu machen, führe ich einfach mal ein paar Beispiele an: Ein Junge wird nicht in ein Kunstprojekt eingebunden, weil er kaum redet und in seinem Kleidungsstiel etwas exzentrisch ist. Das dieser Junge ein extrem begnadetet Künstler ist wird entweder gar nicht bemerkt oder einfach übersehen. Ein Mädchen, deren Kleidungsstiel von Gothik beeinflusst wird und außerdem viele Piercings hat, wird nicht in eine Arbeitsgruppe gewählt, weil sie „komisch“ ist. Dieses Mädchen ist ein enormes Organisationstalent und hat schon bei vielen Großveranstaltungen fast alleine die gesamte Organisation übernommen. Dies war ihr allerdings nur möglich, weil die Lehrer ihr Talent über ihr Aussehen gestellt habe. Die Ausgrenzung eines Jungen, der unglaublich interessante philosophische Gedankengänge hat. Man kommt aber erst in den Genuss von seinem wirklich „Ich“, wenn man es geschafft hat sein Misstrauen zu überwinden. Ein Misstrauen, dass er aufgebaut hat, weil er für seine Gedanken ausgelacht und nicht ernst genommen wurde. Hinter einer Fassade aus Ironie und Gleichgültigkeit steckt ein sehr freier Kopf, für viele Überraschungen gut ist. Diese drei Beispiele sollten ausreichen, um verstehen zu können, warum ich diese Ausgrenzung für unglaublich dumm halte. Jede dieser Personen hat eine besondere Fähigkeit, die nicht eingesetzt werden kann, weil andere Personen sie allein aufgrund ihres Aussehens oder ihrer Geisteshaltung ausgrenzen. Diese unglaublich Talentverschwendung ist eigentlich unverzeihbar, findet aber jeden Tag auf neue statt! Wenn all diese Personen mit ihren besonderen Talenten gefördert würden, wäre dies für die Schule und später auch für die Gesellschaft im allgemeinen von riesigem Vorteil. Vielleicht würden sie ihre Fähigkeiten sogar ehrenamtlich zur Verfügung stellen und somit eine Menge für Gesellschaft tun können. Natürlich gibt es neben dieser rein auf die Nützlichkeit der einzelnen Personen bezogenen Argumentation noch eine andere, die in meinen Augen schwerer wiegt. Die Faktoren, die für die Ausgrenzung eine Rolle spielen sind in den meisten Fällen äußerlicher Natur. Woher kommt diese unglaubliche Arroganz gegenüber anderen Personen, sie nur auf den Mensch zu reduzieren, der sie darstellt? Woher kommt dieses Selbstbewusstsein, einfach den anderen Menschen angucken zu können und dann darüber zu entscheiden, dass er es nicht wert ist gut behandelt zu werden? Woher kommt diese ziemlich menschenverachtende Einstellung von so vielen Menschen? Natürlich hat man relativ schnell bestimmte Charaktereigenschaften im Kopf, wenn man eine Person sieht die beispielsweise Militärhose, Lederjacke und Springerstiefel trägt. Aber ob die Person diesen Charakter wirklich besitzt kann nur ein Gespräch klären. Das gleiche Prinzip gilt auch für Leute mit viel Körperschmuck, „komischer“ Kleidung oder anderen optischen Merkmalen, die sie von dem Durchschnitt unterscheiden und ich denke, dass es bei vielen dieser Menschen einem deutlich leichter  fällt, sie in ein Gespräch zu verwickeln als bei einem vermuteten Neo-Nazi. Man benötig auch keine Lebensläufe oder stundenlange Gespräche, meistens reichen schon einige Minuten um den anderen grob einschätzen zu können. Warum sparen sich so viele Menschen diese paar Minuten? Es ist eine unglaubliche Bereicherung für das eigene Leben, wenn mit Personen in Kontakt kommt, die man eigentlich niemals ansprechen würde! Natürlich hat man auch immer die Möglichkeit das Gespräch abzubrechen, aber man kann dann seine Meinung begründen. Menschen einfach so auszugrenzen, ohne eine bessere Begründung zu haben als „ Der sieht komisch aus!“ halte ich für extrem ignorant und dumm. Es scheint allerdings bei vielen kreativ, philosophisch oder „anders“ denkenden Menschen eine Tendenz zu einer gewissen Abkapslung zu bestehen. Wahrscheinlich liegt dies einfach daran, dass sie seit der Grundschule etwas anders sind als die Masse und deshalb auch kaum Freunde gefunden haben. Bei einigen von diesen Menschen scheint diese Abkapslung so weit fortgeschritten zu sein, dass ihr Freundeskreis nur noch aus anderen, von der Allgemeinheit als „komisch“ angesehenen Menschen besteht. Dies fördert natürlich die weitere Ausgrenzung dieser Gruppe, da kaum noch Kontakte zu anderen Menschen geknüpft werden. Diese Entwicklung ist eigentlich traurig, da so extrem viel Potential einfach ungenutzt bleibt, nur weil eine große Anzahl an Menschen Vorurteile pflegt.
Kommentare wie „Die war doch schon in der Klapse, was willst du den mit der?“ oder „ Kann der überhaupt klar denken, so wie der aussieht?“ sind nicht nur unangebracht, sondern zeugen auch von einer gewissen Kurzsichtigkeit der Personen, die sie aussprechen. Anstatt sich zu bemühen mit neuen Menschen in Kontakt zu treten und neue Informationen zu bekommen, bleibt man lieber beim altbekanntem. Das einem dadurch vielleicht Informationen verloren gehen, die einem sehr wichtig sind, ist den meisten Menschen anscheinend egal oder nicht bewusst. Aber wenn teilweise sogar die Eltern Probleme damit haben, wenn man mit Personen, die schon einmal in psychiatrischer Behandlung waren, kontakt hat, dann ist es auch unwahrscheinlich, dass die Kinder sich anders benehmen. Es scheint wirklich schwer zu sein diesen Kreislauf aus Vorurteilen, Ignoranz und Ablehnung zu durchbrechen und für eine Einzelperson ist es in jedem Fall unmöglich. Aber jeder kann sein eigenes Sozialverhalten überdenken und wenn viele Menschen anfangen, auf andere Menschen zuzugehen, zumindest bis sie genug wissen um den anderen ablehnen zu können, dann ändert sich auch das Verhalten der Mehrheit. Und dann wird es keine Ignorante, sondern eine Tolerante oder zumindest offene Mehrheit geben, in der viel effektiver gearbeitet werden und das soziale Leben sehr reichhaltig gestaltet werden kann. Das es jemals so weit bekommt, bezweifle ich. Aber einen Versuch ist es auf jeden Fall wert!  

Schätze die Unterschiede der Menschen!

Samstag, 18. Februar 2012

Ein Mensch ohne Ehr' und Tadel!


Am Donnerstag, den 16.2.2012, fand eine kurze Meldung den Weg ins Internet, Radio, Fernsehen und die Zeitungen. Der Originaltext bestand zwar aus mehreren Sätzen, aber die Medien brachten das Beamtendeutsch auf den Punkt: „ Die Staatsanwaltschaft Hannover hat die Aufhebung der Immunität des Bundespräsidenten Christian Wulff beantragt.“ Dieser oder ähnliche Sätze schwirrten in folgenden Stunden durch sämtliche Medien und besiegelten damit endgültig das Schicksal von Herrn Wulff. Noch die zuvor hatte die Staatsanwaltschaft versucht die Immunität eines Bundespräsidenten aufzuheben! Der Rücktritt von Christian Wulff am nächsten Morgen war die logische Konsequenz dieses Misstrauensvotums und der letzte Akt des unrühmlichen Dramas um das Amt des Bundespräsidenten mit ihm in der Hauptrolle. Meine persönliche Hoffnung war, dass Herr Wulff wenigstens im Rücktritt stärke beweist und seine Fehler eingesteht. Er hätte das Amt wenigstens halbwegs in Ehre verlassen können! Ich weiß nicht ob es persönliche Unfähigkeit oder einfach nur Feigheit ist, die es ihm unmöglich gemacht haben, diese letzte Möglichkeit zur Ehrenrettung zu nutzen. Vermutlich war es eine Mischung aus beidem. Anstatt sich für sein Verhalten gegenüber dem Volk und der Presse zu entschuldigen lobte er erst seine Mitarbeiter und stellte fest, dass ihm die Arbeit als Bundespräsident Spaß gemacht hat. Wenn er die Rede an diesem Punkt abgebrochen hätte, wäre das letzte bisschen Respekt, dass ich noch für ihn als Person hatte, erhalten geblieben. Die folgenden Sätze ließen mich aber vollkommen entsetzt und sprachlos zurück. „Einen Präsidenten, der vom Vertrauen nicht nur einer Mehrheit, sondern einer breiten Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger getragen wird. Die Entwicklung der vergangenen Tage und Wochen hat gezeigt, dass dieses Vertrauen, und damit meine Wirkungsmöglichkeiten, nachhaltig beeinträchtigt sind.“  Herr Wulff scheint vergessen zu haben, dass er niemals in seiner gesamten Amtszeit eine „breite Mehrheit“ hinter sich hatte. Er hat nicht einen, nicht zwei, sondern drei Wahlgänge gebraucht, um in dieses Amt gewählt zu werden. Während in den ersten beiden Wahlgängen eine Dreiviertelmehrheit benötigt wird, reicht im letzten Wahlgang eine einfache Mehrheit aus. Wulff wurde also nicht mit einer breiten Mehrheit, sondern von gerade einmal etwas mehr als der Hälfte der Wahlberechtigten gewählt. Hatte er dies schon wieder vergessen, als er seinen Rücktritt bekanntgab? Hatte er vielleicht auch schon vergessen, dass ihn zumindest in den letzten drei oder vier Monaten, je nach Statistik, weniger als 50% der Bürger für einen guten Bundespräsidenten hielten? Wie kann man als scheidender Amtsinhaber noch solche Sätze von sich geben? Es scheint mir, als ober Herr Wulff die Entwicklung der letzten beiden Monate nicht wirklich verstanden hat.
Aber anstatt nun einfach die Notizen zuzuklappen und zu gehen machte Herr Wulff weiter und sich lächerlich. „Ich habe in meinen Ämtern stets rechtlich korrekt mich verhalten. Ich habe Fehler gemacht, aber ich war immer aufrichtig.“ Ob der erste Satz stimmt werden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in den nächsten Wochen und Monaten zeigen und ich könnte mir vorstellen, dass Herr Wulff sich auch hier verschätzt hat. Abgesehen von diesem rein sachlichen Kritikpunkt habe ich allerdings auch einen inhaltlichen, den ich persönlich für deutlich schwerwiegender halte. Falls Herr Wulff jemals Philosophie an der Schule hatte, hat er sicherlich gelernt das Moral und Recht zwei unterschiedliche Sachen sind. Eine Handlung, die rechtlich erlaubt ist muss noch lange nicht moralisch akzeptabel sein. Die Menschen, die Moral mit Recht gleichsetzen nennt man Rechtspositivisten und falls Herr Wulff hier aufgepasst hätte, würde er wissen das der Rechtspositivismus philosophisch gesehen eine sehr dumme Position ist. Jeder Mensch der diese Position vertritt müsste den Massenmord der Nazis an den Juden als moralisch gerechtfertigt ansehen, da er nach den damaligen Gesetzten erlaubt war. Man sieht leicht, warum diese Position heute von keinem ernstzunehmenden Menschen mehr vertreten wird. Die Aussage, das er sich rechtlich korrekt verhalten hat sagt also überhaupt nichts über die moralische Richtigkeit seiner Handlungen aus. Diese Kritik an dem Inhalt mag vielleicht überzogen erscheinen, da sie sich nicht direkt mit der Sachebene des Satzes beschäftigt, aber sie ist in meinen Augen notwendig um zu zeigen, dass Herr Wulff anscheinend keine moralisches Verantwortungsgefühl gegenüber dem Volk hat. Würde er dieses Gefühl besitzen, hätte er sagen können, dass er seine Handlungen moralisch verwerfliche waren anstatt darauf hinzuweisen, dass er doch rechtlich alles richtig gemacht hat. Noch Geschmackloser als den ersten Satz finde ich allerdings den nachfolgenden Satz: „Ich habe Fehler gemacht, aber ich war immer aufrichtig.“ Ich halte ihm zu Gute, dass er immerhin eingesehen hat, das er Fehler gemacht hat. Aber das was nach dem Komma steht halte ich für eine bodenlose Unverschämtheit! Ist es aufrichtig, wenn man auf eine Anfrage nur mit einem Teil der ganzen Wahrheit antwortet? Ist es aufrichtig, wenn man Aufklärung verspricht und anschließend probiert die Berichterstattung über ihn zu verhindern? Ist es aufrichtig, wenn man Verspricht den Fragenkatalog der Reporter zu beantworten und dies dann erst nach erheblichen öffentlichen Druck zu tun? Ist es aufrichtig sich als „unabhängigen Ehrenmann“ darzustellen, wenn man sich seinen Urlaub, seine Handyrechnung und teilweise sogar seine Autos von anderen Menschen bezahlen lässt? Zum Glück gibt es in der deutschen Sprache eine ganze Reihe von Worten, die man verwenden kann um solche Menschen zu bezeichnen. Diese Menschen werden dann Lügner, Betrüger, Schwindler, Heuchler, Rechtsverdreher oder „falscher Fünfziger“ bezeichnet. Vielleicht sollte sich Herr Wulff das nächste Mal, wenn er eine Rede schreibt, etwas Zeit nehmen und im Duden die Definition der Wörter nachlesen, die er verwenden möchte. Wenn er das getan hätte, wäre ihm sicherlich aufgefallen, dass „aufrichtig“ keine gute Beschreibung seiner Person ist.   
Und da Christian Wulff gerade so schön bei der Sache war, legt er noch einen nach. „ Die Berichterstattungen, die wir in den vergangenen zwei Monaten erlebt haben, haben meine Frau und mich verletzt.“ Ich muss zugeben, dass ich die Berichte der Presse über Herrn Wulff teilweise ziemlich unfair fand und das die regelrechte „Treibjagd“ die sie auf ihn veranstaltet haben teilweise echt geschmacklos war. Allerdings hält sich mein Mitleid für ihn in sehr, sehr engen Grenzen, da er dafür größtenteils selber verantwortlich war. War er es nicht der auf dem Anrufbeantworter des Chefredakteurs der Bildzeitung wutentbrannt eine Nachricht hinterlassen hat? War er es nicht, der schon vorher probiert hat, Reporter der Zeit und anderer Zeitungen dazu zu bewegen, dass sie nicht mehr in seinen Angelegenheiten recherchieren? War er es nicht, der immer weniger erzählt hat als die Presse wusste und somit immer neue Enthüllungen provoziert hat? War er es nicht, der den Urlaub auf Sylt von einem Freund hatte bezahlen lassen, in dem Wissen, dass die gesamte Aufmerksamkeit der Presse gerade jetzt auf ihm ruhte? Die Presse mag ihn verletzt haben, aber die Verantwortung dafür liegt ganz bei ihm! Viel weniger taktisches Gefühl im Umgang mit den Medien als er kann man eigentlich nicht haben und den Preis dafür musste er eben zahlen. Ich finde es ziemlich dreist auf die Presse zu schimpfen, wenn man mehrmals versucht hat die Berichterstattung über einen zu verhindern. Es hätte noch viel schlimmer kommen können, vor allem im Bezug auf seinen Anruf bei der BILD-Zeitung!
Eigentlich hatte ich das Thema „Wulff“ schon vor einiger Zeit für mich abgeschlossen und wollte mir keine weiteren Gedanken über ihn machen. Es war alles schon 100 mal gesagt und geschrieben. Aber als ich seine Rücktrittsrede in der Schulpausen im Radio hörte, fühlte ich mich auf einer intellektuellen Ebene zutiefst abgestoßen und beleidigt. Wie kann es der Repräsentant des bevölkerungsreichsten EU-Staates, einer Wirtschaftsmacht und eines weltweiten anerkannten Landes es wagen, sämtliche Fehler die er gemacht hat, einfach so zu übersehen und sich bei seinem Rücktritt noch über anderen zu beschweren? Wahrscheinlich ist dies einfach eine Überreaktion meinerseits. Aber in meinen Augen hat die Person Wulff das letzte bisschen Ehre verloren, das er noch hatte. Ich verlange nicht viel von meinen Gegenüber und ich bin bereit einer Person fast alles zu verzeihen, aber starrköpfige Unehrlichkeit, Arroganz und Ignoranz gehören zu den Eigenschaften, die ich für unverzeihbar halte. Und Christian Wulff verkörpert alle drei dieser Eigenschaften perfekt! Ich habe immer häufiger den Eindruck, das Ehrlichkeit in unserer Gesellschaft zu etwas nebensächlichem geworden ist. Ein weiteres gutes Beispiel, neben Herrn Wulff, ist Herr Guttenberg gewesen. Und langsam frage ich mich, wann Frau Merkel erkennt, was sie mit ihrer Unterstützung für diese beiden Politiker angerichtet hat. Bis zuletzt hatte sie Wulff und Guttenberg unterstützt und großzügig über ihre Fehler hinweggesehen. Für mich hat sich auch die Glaubwürdigkeit von Merkel dadurch arg reduziert. Wie kann eine Bundeskanzlerin, die eigentlich eine untadelige Person sein müsste, Betrüger und Schwindler unterstützen? Warum kann sie einfach verzeihen, selbst wenn keine Einsicht über die Fehler vorliegt? Vermutlich bin ich einfach zu streng mit den Menschen, die mich und den Rest von Deutschland repräsentieren. Vermutlich mach ich mich einfach lächerlich, wenn ich mich über die Unehrlichkeit von Politikern aufrege. Aber meine Gedanken kreisen trotzdem immer und immer wieder um dieses Thema, da ich es einfach nicht nachvollziehen kann, wie man so machtbesessen und uneinsichtig seien kann. Hoffentlich wird der nächste Bundespräsident wenigstens eine integere Persönlichkeit werden. Aber da er wieder nur von den Machtinteressen der verschiedenen Parteien ausgewählt wird, habe ich kaum Hoffnung. Warum lässt man den Bundespräsidenten nicht direkt vom Volk wählen? Damit wäre doch garantiert, dass er wirklich ein Repräsentant des Volkes und nicht nur der Politiker ist!

*(Alle kursiven Zitate stammen aus der Rücktrittsrede von Wulff)

Unrühmlich und Ehrenlos - Hat Deutschland wirklich soetwas verdient?

Donnerstag, 16. Februar 2012

AG-Pflicht an Schulen?


Wenn jemand aufschreiben soll, was unbedingt zu einer Schule gehört, wird man wahrscheinlich Lehrer, Hausaufgaben, Unterrichtsräume und ähnliches hören. Etwas, dass viele Menschen leider vergessen, sind die AGs. Wenn man sich einen „Tag der offenen Tür“ an einer Schule ohne eine einzige AG vorstellt, wird man feststellen, dass diese Schule erschreckend leer sein wird. Die AGs sind die Seele einer jeden Schule! Sie verleihen der Schule ein Gesicht nach außen, in dem sie sie zum Beispiel auf Turnieren, Wettkämpfen oder über andere Aktionen repräsentieren. Die Schüler, die in diesen AGs organisiert sind, sind normalerweise über einen Gemeinschaftsgeist verbunden, der  häufig auch noch im schulischen Alltag zu spüren ist. Außerdem bekommen sie einen Einblick in das System „Schule“ und können nachvollziehen, wie Entscheidungen innerhalb der Schule getroffen werden. Doch trotz all dieser Vorteile, die AGs für Schüler bieten, werden sie nur in einem relativ geringen Umfang von den Schülern wahrgenommen. Ein möglicher Grund hierfür könnte die Schule selber sein. Es ist natürlich von jeder Schule gewünscht, dass die Schüler möglichst wenig Unterricht verpassen und das möglichst der alle vorgeschriebenen Stunden unterrichtet werden können. Aber diese Forderung an den Schüler kollidiert zwangsläufig mit den Aktionen vieler AGs, die teilweise innerhalb der Unterrichtszeit stattfinden. In den meisten Fällen sind die AG-Aktivitäten in den Nachmittag gelegt und normalerweise bemüht man sich auch, möglichst wenig Unterricht ausfallen zu lassen, aber ab und an bleibt dies nun einmal nicht aus. Trotzdem wird dies häufig von der Schulleitung kritisiert. Diese Kritik bekommen natürlich auch die Schüler der AG zu spüren und häufig sinkt mit jeder dieser Kritiken dann auch die Motivation der beteiligten Schüler. Deshalb ist es auch nachvollziehbar, wenn Schüler sagen, dass sie keiner AG beitreten wollen, weil ihre Arbeit dort sowieso nicht geschätzt wird. Ein anderes Problem, dass AGs generell haben ist, dass sie zwangsläufig nach der Schule stattfinden müssen. Wenn man nur sechs Stunden hat, ist man noch gewillt 45 oder 90 Minuten für etwas, das einen wirklich interessiert, in der Schule zu bleiben. Wenn man aber acht oder zehn Stunden hat, möchte man  nur noch nach Hause und sich nicht noch mit irgendwelchen AGs abgeben. Dieses Problem wird in Zukunft leider deutlich zunehmen, da die Politik schon seit längerem darauf hin arbeitet, dass sämtliche Schulen zu Ganztags-Schulen werden und man dann immer bis weit in den Nachmittag Unterricht hat. Außerdem sind diese Schulen der Tod von Musikschulen und Vereinen, aber das ist ein anderes Thema. AGs nützen einer Schule eine Menge, was tut die Schule also um AGs zu erhalten und zu fördern? Man kann keine verallgemeinernde Aussage zu dieser Frage treffen, aber in vielen Fällen scheint es so zu sein, dass die AGs einfach ein angenehmer Bestandteil der Schule sind, um den sich aber nicht großartig gekümmert wird. Sie werden nicht besonders beworben, sie werden nicht besonders gefördert, sie werden einfach sich selbst überlassen. Ich halte diese Verfahrensweise für kein großes Problem, da jede sinnvolle AG auch ohne große Unterstützung der Schulleitung existieren können sollte. Allerdings ist diese Verhaltensweise der Schulen auch weit davon entfernt ideal zu sein.
Neben dem positiven Effekt, den ein reges AG- Leben für die Schule hat, gibt es aber auch einen positiven Effekt für die Schüler der AGs. Normalerweise hat man als Schüler keinen wirklichen Einblick in die Hierarchien der Schule. Man weiß zwar, wer der Schulleiter und der Stellvertreter ist, aber damit ist das Wissen über das System Schule auch schon erschöpft. Wer wirklich Macht hat, welche Lehrer wichtig sind und welche Lehrer sich um bestimmte Probleme kümmern, erfährt man erst, wenn man in einer AG ist. Viele Entscheidungen, die von den Lehrern getroffen werden, kann man dann zumindest nachvollziehen, auch wenn man sie nicht verstehen kann. Vielleicht hat man aber auch den Mut, sich mit einem Lehrer über diese Entscheidungen auseinanderzusetzten. Dies ist ein weiterer wichtiger Punkt einer AG. Man lernt, dass man Dinge ändern kann, wenn man sich für sie einsetzt. Und da man in einer AG immer in einer Gemeinschaft mit mehreren ist, kann man auch als Gruppe auftreten und somit meistens mehr erreichen als ein einzelner. In AGs kann man Selbstbewusstsein lernen! Außerdem können die Aktivitäten einer AG  einem unter Umständen die Augen für Probleme öffnen, die man vorher nie gesehen hatte. Man stellt beispielsweise fest, dass die Schule einen Computerraum für die Schüler hat, diesen Raum aber nicht für die Schüler freigibt. Dann kann man anfangen aktiv zu werden. In der Schülerzeitung könnte man zu Beispiel über diesen Missstand berichten, die SV könnte probieren, die Gründe für die Blockade herauszufinden und dann entsprechend dafür zu sorgen, dass diese Gründe beseitigt werden. AGs sind das wichtigste für die politische Mitarbeit der Schüler in der Schule! Es ist sicherlich schon deutlich mehr positives an Schulen durch Projektgruppen, die von Schülern ins Leben gerufen, oder hauptsächlich unterstützt wurden, passiert, als durch die Entscheidungen der Lehrer. Dies liegt nicht einmal unbedingt daran, dass die Lehrer kein Interesse an den Schülern hätten. Viele Lehrer sind sehr engagiert und bemühen sich wirklich um die Schüler. Es liegt einfach daran, dass die Lehrer aus einer anderen Perspektive auf die Dinge gucken und so teilweise die Belange der Schüler einfach übersehen. Diese Belange können bestimmte AGs sein, sie können aber auch über AGs aufgedeckt und eingefordert werden!
Es gibt einige Schulen, die das Potential, das in AGs steckt, erkannt haben und gut nutzen wollen. Diese Schulen haben häufig eine AG-Pflicht eingeführt. Natürlich werden die meisten Schüler eine Pflicht-AG als Unterricht empfinden und wenig begeistert davon sein, aber ich könnte mir eine Version dieser AG-Pflicht vorstellen, die auch die Mehrzahl der Schüler akzeptieren können. Die meisten AGs, die ich kenne, werden vor allem von den jüngeren Schülern, also den Fünft- und Sechstklässlern am Leben erhalten. Ein Großteil dieser Schüler verlässt die AG nach einem oder zwei Jahren, aber ein kleiner Teil bleibt der AG ihr ganzes „Schulleben“ lang treu. Dies ist auch notwendig, da nur noch sehr wenig Oberstufenschüler sich für dafür entscheiden, einer neuen AG beizutreten. Warum also nicht eine AG-Pflicht für die Erprobungsphase einführen, um den Schülern zu einem Zeitpunkt, an dem sie noch nicht so viele Stunden haben, das AG-Wesen nahezubringen. Wenn die Schüler nach den zwei Jahren entscheiden, dass sie keine Lust mehr auf die AGs haben, dann können sie sich einfach aus der AG zurückziehen. Wenn sie aber Lust an ihrer AG gefunden haben, können sie diese AG natürlich auch weiterhin belegen. Dieses Prozedere wäre ein Gewinn für alle, da jeder Schüler einmal Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit anderen, dem Zusammenspiel des Lehrer und anderen, AG- spezifischen Sachen sammeln konnte. Die Fähigkeit, ein guter „Teamplayer“ zu sein wird in unserer Arbeitswelt immer wichtiger. Durch die Teilnahme an einer AG können Schüler schon früh lernen, sich in eine Gruppe einzufügen. Außerdem werden sie wahrscheinlich etwas selbstbewusster, da sie etwas gemacht haben, auf das sie stolz sein können. Außerdem haben die Schüler dann schon sehr früh gelernt, dass sie etwas erreichen, etwas verändern können, wenn sie sich dafür einsetzten. Ich würde eine AG-Pflicht in den fünften-, und sechsten Klassen aber nur unterstützen, wenn auch genug AGs angeboten werden, die die Schüler auch interessieren. Allerdings glaube ich, dass dies in den seltensten Fällen der Fall sein wird und eine AG-Pflicht nach diesem Maßstab somit nur theoretisches Konstrukt bleiben wird.  

Nur wenn du etwas tust, wirst du etwas verändern!