Samstag, 5. April 2014

Wissen schafft Ehrfurcht!



Das „Wissenschaft“ etwas aus einer anderen Welt ist und „Wissenschaftler“ Freaks sind, die alleine nicht überlebensfähig sind, sind zwei Vorurteile, die mir ab und an mal begegnen und die ich tolerieren kann. Etwas häufiger begegnet mir jedoch ein Vorurteil, das ich nicht nur für unnötig, sondern schon für beinahe gefährlich halte: Als Wissenschaftler würde man ja die Wunder der Natur gar nicht mehr wahrnehmen können, weil man alles „kaputtanalysieren“ müsse.

Es mag vielleicht den einen oder anderen Wissenschaftler geben, der sich nicht mehr an den „Wundern“ erfreuen kann, die er jeden Tag um sich herum sieht. Aber der allergrößte Teil aller Forscher dürfte dazu eine etwas andere Meinung haben. Denn gerade die (Natur-)Wissenschaft ermöglicht es einem sich jeden Tag aufs Neue über die Natur zu freuen! Natürlich kann man sich ohne jedes Vorwissen morgens in seinen Garten stellen und sich über den noch rötlichen Himmel des Morgengrauens freuen. Die ersten Vögel zwitschern und man kann ganz in diesem wunderbaren Himmel versinken und abschalten. Hat man ein wenig physikalisches Hintergrundwissen, dann kann man sich nicht nur an dem rötlichen Himmel erfreuen, sondern weiß eventuell auch noch, warum er denn gerade jetzt so rot ist. Weiß, dass das an der Filterwirkung der Atmosphäre und dem Winkel zwischen Sonne und Betrachter liegt und kann sich darüber freuen, dass seine Augen sogar noch diesen „langen“ Wellenlängenbereich wahrnehmen. Warum sollte dieses Wissen das Erlebnis stören? Zugegeben, die physikalische Erklärung des Phänomens „Morgengrauen“ mag die wenigsten Personen vom Hocker zu reißen. Bei biologischen Ereignissen sieht das aber schon ganz anders aus.

Jetzt im Frühling beginnt wieder alles zu blühen und zu sprossen. Überall gucken die Krokusse aus dem Boden, Vergissmeinnicht und Stiefmütterchen sind schon länger zu sehen und teilweise knospen sogar schon die ersten Rosen. Auch für unwissende Kinderaugen grenzt dies alles nahezu an ein Wunder. Mit ein wenig biologischen Hintergrundwissen kommt man aber aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Steuerung der Knospenbildung durch eine „innere Uhr“, die Länge der Tageszeit, die Wärme – Kälte Schwankungen und wahrscheinlich noch einige andere Faktoren ist schon nahezu unglaublich. Damit eine kurze Warmperiode im Winter nicht direkt zur Knospenbildung führt, müssen die Pflanzen das ganze System natürlich noch über einen komplizierten Phytohormon-Regelkreis steuern. Mit diesem Wissen im Hinterkopf wirkt selbst ein kleines Gänseblümchen, was gerade austreibt, ehrfurchtserregend. Denn hinter dieser kleinen, nahezu unscheinbaren Pflanze verbirgt sich eine unglaubliche Komplexität, die man ihr ohne biologisches Hintergrundwissen nicht zugetraut hätte.

Wissen ist also kein Grund dafür, die „Wunder der Natur“ nicht zu schätzen, sondern sollte eigentlich das Gegenteil davon bewirken. Deshalb halte ich es auch für unglaublich wichtig, jedem Kind zumindest ein gesundes naturwissenschaftliches Grundwissen mit auf dem Weg zu geben. Nicht, damit sie alle Naturwissenschaftler werden. Sondern, damit sie sich nicht ärgern, wenn sie schon wieder neben die nervige Fliege am Essenstisch geschlagen haben. Denn dann sollten sie wissen, dass die Fliege ihre Fluchtroute schon vor der Landung ausgewählt hat und sie deshalb nur eine minimale Reaktionszeit benötigt!


Wissen oder Wundern?
Wissen und Wundern! 

Dienstag, 1. April 2014

MINT-Frauen



„MINT-Frauen“, „Frauen für MINT“ oder „Frauen in MINT-Berufen“. Programme und Slogans für die Förderung des Interesses von Mädchen und Frauen in den Fachbereichen Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik gibt es zu Hauf. Vor allem im Bereich der Schulen sind spezielle MINT-Programme für Mädchen mittlerweile beinahe schon ein Standard. Wenn ich als Mentor des „JuForums e.V.“ in Schulen gehe und für Naturwissenschaften Werbung macht, wird man eigentlich  immer von Lehrern darauf angesprochen, ob der Verein auch spezielle Förderung für Mädchen anbietet. Da einige Landes- und Bundesinitiativen, die, vor allem im Bereich der Studienfachwahl, dass selbe machen, auch darauf angesprochen werden, scheint es eine Art „Erwartungshaltung“ in dieser Hinsicht zu geben: Mädchen und Frauen müssen im MINT-Bereich besonders gefördert werden! Objektiv betrachtete erschien mir das immer zweifelhaft und mittlerweile halte ich es auch aufgrund eigener Erfahrungen für fragwürdig bis falsch.

Das biologische – und der vollständigkeitshalber, soziale – Geschlecht einer Person spielt für mich keine Rolle, wenn es darum geht, jemandem etwas beizubringen oder ihm bei etwas zu helfen. Entscheidend ist die Motivation der Person und seine Interessenfelder. Diese beiden Punkten scheinen zwar geschlechtsspezifische Regelmäßigkeiten aufzuweisen – Fußball vs. Haare, um es überspitzt auszudrücken – aber ob sie deshalb grundsätzlich eine Rolle spielen müssen wage ich zu bezweifeln. Wenn ich vor einer fünften Klasse stehe und ihnen an verschiedenen Beispielen Lust an Naturwissenschaften und Forschung machen kann, dann teile ich die Klasse nicht in Jungen und Mädchen auf. Da der Spaß an Biologie, Chemie, aber auch an Mathe oder Informatik meist nicht im Unterricht kommt, sondern erst über das eigenständige Entdecken und Erforschen von den Dingen, die einen Interessieren, reicht es, dies zu vermitteln. Solange jemand Spaß daran hat, etwas zu erforschen oder besser zu verstehen, benötigt er keine geschlechterspezifische Ansprache, sondern einfach nur Beispiele, wie das überhaupt geht. Wenn man es schafft den Schülern zu vermitteln, dass man „lediglich“ mit offenen Augen durch den Alltag gehen muss und wirklich auch das Wahrnimmt, was man sieht, um etwas Interessantes zu entdecken, hat man schon gewonnen. Um im Klischeedenken zu bleiben: Während Jungen danach anfangen ihre Fußbälle so zu verbessern, dass sie schneller fliegen, mischen sich die Mädchen hautfreundliche Haarfarbe. Wobei es erwähnenswert ist, dass ich bis jetzt relativ selten genau diese Aufteilung gefunden habe. Die MINT-Fächer sind eben vor allem an das jeweilige Interesse gekoppelt und nicht an das Geschlecht.

Auffallend ist jedoch, dass gerade in den unteren Klassen deutlich mehr Mädchen als Jungen Spaß an Naturwissenschaften haben und ihre Fähigkeiten in diesem Bereich auch gerne auf Wettbewerben wie „Jugend forscht“ oder den „Chemie-, Biologie- etc. Olympiaden“ unter Beweis stellen wollen. Diese Beobachtung gilt aber nur unter der Einschränkung, dass vorher einmal eindeutig und altersgerecht auf diese Wettbewerbe hingewiesen wurde. Außerdem habe ich bis jetzt die Erfahrung gemacht, dass Mädchen in den unteren Klassen ihre Arbeiten oft disziplinierter gestalten und hartnäckiger am Thema bleiben. Tritt man mit demselben Anliegen in der Oberstufe auf, sind es jedoch eher die Jungen, die Interesse daran haben. Es ist mir nicht klar, warum das so ist und habe zwei verschiedenen Theorien dazu:

1. Während der Pubertät verändert sich das Interessenfeld so stark, dass ein Großteil der Mädchen danach tatsächlich kein Interesse mehr an den MINT-Fächern hat.  

2. Es wurde in den Unterstufen niemals wirklich aufgezeigt, was die MINT-Fächer eigentlich sind und wie man viel Spaß in diesem Bereich haben kann. Infolgedessen sind in der Oberstufe nur noch diejenigen darin interessiert, die gerne mit Technik spielen oder deren Interesse schon immer da war. Dies scheinen meist Jungen zu sein und auffallend oft kommt ihr Interesse an den Naturwissenschaften über die Technik.

Falls noch jemand eine andere Idee hat, darf er sie gerne als Kommentar hinzufügen!

Unabhängig von der Frage, warum Mädchen und Frauen nur relativ selten im Berufsleben im MINT-Bereich anzutreffen sind, scheint eine möglichst frühzeitige Nachwuchsarbeit sehr sinnvoll zu sein. Gerade im Verbund mit naturwissenschaftlichen Wettbewerben, die einem ein sehr gutes Ziel für sein Interesse bieten, kann man potentiell interessierte Schüler sehr schnell zu begeisterten Naturwissenschaftlern machen. Das schönste daran ist, dass sie sich dann meist nicht um Fachgrenzen kümmern, sondern ihr Thema „intradisziplinär“ angehen. Und wenn man ihnen zeigt, dass keine Idee, solange sie denn ernsthaft verfolgt wird, zu „dumm“ ist, so haben die Schüler auch den meisten Spaß. Warum sollte man keine Popcorn-Sortiermaschine bauen, die einem automatisch die restlichen Maiskörner rausfiltert? Warum nicht mal verschiedene Pflanzen nebeneinander pflanzen und gucken, ob sich beispielsweise Möhren mit Kartoffeln vertragen? Warum nicht mal ausprobieren, ob das Waschmittel wirklich das Wasser vollständig enthärtet? Gerade Kinder sind meist noch sehr kreativ und neugierig, wenn sie das ausleben dürfen und sie dabei sogar noch unterstützt werden, hat man schon viel gewonnen. Vielleicht wäre es sinnvoller, das Geld, was jetzt in die „MINT für Frauen“ Programme gesteckt wird, in die unteren Schulklassen zu investieren. Denn vor allem dort werden Talente geformt und Potentiale geweckt!

MINT-Förderung - 
Nach Potential und Interesse
Nicht nach Chromosomen


 PS: Nur damit hier nicht der Eindruck entsteht, ich hätte etwas gegen Frauenförderung ein kleiner Disclaimer: Ich habe es einfach nur zu oft erlebt, dass Programme für die MINT-Förderung für Mädchen und Frauen sehr viel Geld investieren und oft nur sehr bescheidene Ergebniss vorweise können. Da die Gelder, die in die Bildung investiert werden, sehr begrenzt sind, wäre es deshalb sinnvoller sie in Programme zu stecken, die vor allem schon bei Kindern ansetzten, da diese oft deutlich mehr Erfolg bringen.