Samstag, 29. September 2012

Das Schwert der Rhetorik

Die Zeit des großen Aufrüstens ist glücklicherweise vorbei, aber noch immer liegen die Weltweiten Rüstungsausgaben auf einem sehr hohen Niveau und noch immer werden neue, noch tödlichere Waffensysteme entwickelt. Dies ist eigentlich unverständlich, wenn man bedenkt, dass die ultimative Waffe der Menschheit kostenlos zur Verfügung steht: Die Rhetorik! Wer jetzt lacht, sollte einmal gut 70 Jahre in der deutschen Geschichte zurückgehen. Dann wird ihm dieses Lachen vergehen und er wird verstehen.

Es ist eine beliebte Frage, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass Hitler und seine NSDAP es überhaupt in den Reichstag einziehen konnten, ganz zu schweigen davon, wie er so eine große Organisation wie die SA oder SS aufbauen konnte. Natürlich sind Faktoren, wie wirtschaftliche Unzufriedenheit oder Nationalstolz nicht falsch, aber etwas ganz entscheidendes wird gerne ignoriert. Hitler war ein brillanter Rhetoriker und er hatte immer Personen um sich, die auch geniale Redner waren. Besonders deutlich zeigte sich das bei dem Propagandaminister Goebbels. Seine Reden sind häufig rhetorische Meisterleistungen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Sportpalastrede, aber auch viele seiner Radiosendungen sind unter rhetorischen Gesichtspunkten exzellent. Ich möchte hier unter gar keinen Umständen den Nationalsozialismus glorifizieren, ich möchte vielmehr darauf hinweisen, wie einfach so eine verabscheuungswürdige und menschenverachtende Ideologie die breite Masse erreichen kann. Über gute und griffige Parolen, prägnante Botschaften und geschickt inszenierte Veranstaltungen werden auch heute noch Personen im großen Maßstab manipuliert. Gute Rhetoriker können ein Volk in relativ kurzer Zeit für oder gegen eine bestimmte Sache einstellen und so wichtige Entscheidungen herbeiführen. Im dritten Reich waren die Rhetoriker so erfolgreich, dass sogar im stark zerstören Berlin, als die Niederlage offensichtlich war, noch Wiederstand geleistet wurde, da der Glaube an den „Endsieg“ fest im Gehirn vieler Personen verankert war. Solch eine von außen eingesetzte fixe und unerschütterliche Überzeugung ist das größte, was ein Rhetoriker erreichen kann. Und genau dies stellt auch das enorm gefährliche Potential eines Rhetorikers da.

Heutzutage gibt es eigentlich kaum noch etwas, dass der Zerstörungsgewalt von Waffen gewachsen ist. Alles kann zerstört werden, es ist nur eine Frage der Sprengkraft. Alles außer Ideologien! Ist eine bestimmte Ideologie einmal verbreitet, bedarf es schon eines starken Schockereignisses oder eines langen, langsamen Kampfes, damit  sie wieder aus den Köpfen der Personen verschwindet. Das Töten von einzelnen Personen, aber auch von großen Gruppen zeigt nahezu keine Wirkung und macht damit Waffen auf einen Schlag vollkommen nutzlos. Ideologien kann man nicht mit Waffen bedrohen, kann man nicht mit Waffen töten, kann man nicht mit Waffen einschränken. Die einzige Möglichkeit, wie man eine Ideologie bekämpfen kann, ist sie rhetorisch anzugreifen. Und genau das ist der Grund dafür, warum Rhetoriker die eigentlich mächtigen sind.

Möchte ein Politiker sein Konzept zur Armutsbekämpfung populär machen, wird er sein Konzept vermutlich der Presse und dem Rundfunk vorstellen und hoffen, dass diese darüber berichten. Vielleicht findet er sogar jemanden, der eine Glosse oder einen Kommentar dazu schreibt und damit auch Personen angesprochen werden, die sich sonst nicht für Politik interessieren. Wenn der Politiker bei den Berichten oder auch bei der öffentlichen Vorstellung seines Konzeptes nun sachlich sämtliche Vorteile und Folgen seines Konzeptes aufzählt, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit mehrheitlich abgelehnt oder für uninteressant befunden. Ist er jedoch rhetorisch begabt, wird er am nächsten Tag in der Presse als „Retter der Armen“ bejubelt. Es zählt in den wenigsten Fällen noch, was man sagt, sondern vor allem, wie man etwas sagt. Ein noch so schlechtes Wahlprogramm wird gar nicht wirklich bemerkt, wenn man es rhetorisch geschickt vorstellt. Das gleiche gilt auch für Vorstände, vor allem in großen Unternehmen. Ein Verlust klingt schon gar nicht mehr so schlimm, wenn man ihn als negativen Gewinn oder ähnlich fantasievoll bezeichnet. Wer sich bei einem Unternehmen bewirbt, muss nicht unbedingt besonders gut für die Stelle geeignet sein, er muss sich nur gut verkaufen können. Der Einfluss von guter Rhetorik im alltäglichen Leben nimmt von Jahr zu Jahr zu, vor allem, da in unserer Gesellschaft immer mehr Wert auf Schein anstatt auf Sein gelegt wird. Man muss heute keine Fakten mehr kennen, man muss nur in der Lage sein, sein Unwissen geschickt auszudrücken. Dabei ist diese Entwicklung eigentlich paradox, da wir in einer Informationsgesellschaft leben und nahezu jeder Zugang zu einer immer größeren Menge an Informationen hat. Und ein gut informiertes Publikum ist der Albtraum eines jeden Rhetorikers, da es eigentlich in der Lage ist, seine Worthülsen und geschickten Formulierungen genau als das zu erkennen, was sie sind: Manipulationsversuche. Vielleicht ist es vielen Personen einfach zu anstrengend, sich mit Stellungnahmen von Regierungssprechern oder Reden von Politkern, Vorständen oder ähnlichem auseinanderzusetzen und sie auf die Fakten zu überprüfen. Vielleicht geben sie ihre Stimme einfach guten Gewissens der Person, die ihnen am sympathischsten erschien. Dabei hätten sie die Macht, die Personen mit Ahnung und nicht gute Blender in wichtige Positionen zu wählen.

Das Schöne an der Macht der Rhetorik ist, dass sie nichts exklusives ist. Natürlich gibt es immer Personen, die als Redner talentiert sind und auch ohne Ausbildung ein Publikum begeistern und mitreißen können. Aber Prinzipiell ist Rhetorik etwas für jeden erlernbares und damit auch etwas, gegen dass sich jeder wehren kann. Wer einmal das Glück hatte, einen guten Rhetoriker erleben zu können, wird gemerkt haben, wie seine Emotionen und seine Gedanken von ihm in die gewünschte Richtung gedrängt wurden. Diese Manipulation von Gedanken, und wichtiger noch, Emotionen, ist aber auch etwas, dass man relativ leicht bemerken kann. Wenn man nach einer Veranstaltung aufgewühlt ist, sollte man einen kurzen Augenblick darauf verwenden und zu überlegen, ob der Redner einen nicht vorsätzlich in eine Richtung drängen wollte. Auch sollte man Grundsätzlich die Informationen, die man von dem Redner bekommen hat, überprüfen. Jede noch so gute Rede verliert ihren Effekt, wenn man sie einmal auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft und feststellt, dass sie eigentlich keine richtigen Informationen enthielt. Und da der Zugang zu Informationen heutzutage so einfach ist, sollte man das auch ab und an tun. Das Schwert der Rhetorik die gefährlichste Waffe, die man besitzen kann. Sie sollte jedoch mit nur mit Überlegung gebraucht werden, da sie mit ein wenig Aufwand schnell gegen einen selber gerichtet werden kann.      

Rhetorik: Kostenlos, aber niemals billig!