Sonntag, 29. Juli 2012

Liebe ist...


Liebe ist Leben.
Miteinander leben, füreinander leben
voneinander leben?
Leben in Zweisamkeit,
Liebe bedeutet zwei Leben.

Liebe ist Verantwortung.
Verantwortung für den anderen,
aber auch für sich selber,
in einem ganz besonderen Maße
Liebe bedeutet doppelte Verantwortung.

Liebe ist Nähe.
Eher psychisch als physisch,
eher unterschwellig als offenkundig,
nicht immer sichtbar, aber meist spürbar.
Liebe bedeutet eine Vereinigung zweier Welten

Liebe ist Zeitaufwand.
Zeit für den anderen haben!
Sich Zeit für den anderen nehmen müssen?!
Doch woher die Zeit nehmen?
Liebe bedeutet das knappste Gut der Welt
exklusiv  mit einer anderen Person zu verbringen.

Liebe ist Luxus?


Montag, 23. Juli 2012

Warum nicht?


Der Schock, den der Amoklauf in einem Kino in Aurora hinterlassen hat, fängt langsam an sich zu lösen und in der Presse taucht wieder die ewige Frage nach dem „Warum“ auf. Diese Frage ist zugegebenermaßen berechtigt und es ist auch notwendig, dass man sie stellt. Sollte man sich nichts desto trotz aber nicht auch noch eine ganz andere und trotzdem gleiche Frage stellen? Nämlich die Frage : „Warum nicht?“

Warum sollte ein junger Mann, ein angehender Doktorand, nicht einfach zu einer Waffe greifen und irgendwo Menschen erschießen? Was hält hin davon ab, in seiner Wohnung Sprengfallen zu errichten? Warum sollte er sich nicht verkleiden und Tränengaskanister im Kino zünden?

Auf den ersten Blick mag es viele Gründe geben, die gegen seine Taten sprechen, aber wenn man genauer hinschaut wird man feststellen, dass man nicht genau sagen kann, welcher Grund bei ihm jetzt gefehlt hat. Was benötigt ein Mensch um „normal“ leben zu können? Welche sozialen Gegebenheiten müssen zusammenkommen, dass er keine Menschen in einem Kino erschießt? Welche Stationen in seinem Leben haben dazu beigetragen, dass er so lange ein unbescholtener Bürger war? Es ergibt sich auch die Frage, inwiefern die Eltern überhaupt für die Taten ihres Sohnes verantwortlich gemacht werden können. Können sie überhaupt dafür verantwortlich gemacht werden? Wie muss eine Erziehung gestaltet sein, die verhindert, dass das Kind so eine Tat begeht? Wie muss ein soziales Umfeld aufgebaut sein, das der Gedanke für so eine Bluttat überhaupt nicht entstehen kann? Wie müssen Gesetze aufgebaut sein, damit solche Taten nicht einfach durchgeführt werden können?  Es stellt sich eine Vielzahl von Fragen, die kaum beantwortet werden können, obwohl eine Antwort auf sie doch eigentlich Grundlage für eine funktionierende Gesellschaft wäre. Es funktioniert in den allermeisten Fällen doch so gut, dass keine gravierenden Probleme auftreten.
Natürlich ist die Frage nach dem „Warum nicht?“ im Endeffekt nichts anderes als eine Antwort auf die Frage nach dem „Warum?“. Warum sollte man sich also diese schwerere Frage stellen? Eine Antwort auf das „Warum?“ ist meistens auf einen Faktor beschränkt. Aber eine Antwort wie „ Der Konsum von Killerspielen“,  oder „Die Mitgliedschaft im Schützenverein“ geht meist weit am eigentlichen Kernproblem vorbei. Die Wahrheit dürfte multifaktoriell bedingt sein. Wenn nun die Frage nach dem „Warum nicht?“ beantwortet wäre, dann müssten nur noch die fehlenden Faktoren gesucht werden, um die Ursachen für die Tat zu finden.

Ich weiß nicht, ob und inwiefern es überhaupt möglich ist, die Einflüsse, die eine Person prägen, zu erfassen. Je mehr man an Einflüssen jedoch finden würde, desto näher müsste man eigentlich an die Beantwortung der immer und immer wieder gestellten Frage nach dem „Wieso?“ kommen. Kein Mensch begeht eine Handlung aus dem nichts, es liegt immer eine Vorgeschichte vor. Vielleicht war es einfach nur eine Geisteskrankheit, die die Tat auslöste, aber wenn die Frage nach dem „Warum nicht?“ nicht geklärt werden kann, werden die Antworten auf das „Warum?“ wahrscheinlich meist zu eindimensional und unvollständig sein.

In Gedenken an die Opfer und in der Hoffnung auf eine Antwort auf eine der beiden Fragen,
Pearl.

Sonntag, 22. Juli 2012

Die Würde der gläubigen Menschen


Vor einigen Tagen hatte Markus Löning, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung auf seiner Facebookseite den Spruch „Too stupid for science – Try religion“ gepostet. Das Echo, was dieser Spruch dann in einigen Kreisen auslöste, war sehr beachtlich. Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, der oberste katholische Glaubenshüter, sah in dieser Aktion ein „schreiendes Fehlverhalten“ und kritisierte Löning als „Mann am falschen Platz“. In einigen bayrischen Zeitungen und Radiosendungen wurden Leserbriefe und Meinungen veröffentlicht, die diese Haltung unterstützten. Die kirchliche Gemeinschaft in Deutschland war sich ziemlich einig darin, dass Löning mit dieser Aktion „ die Menschenwürde der gläubigen Menschen verletzt hat“.

Soweit erst einmal zur Situation. Fangen wird mit nun an, die Argumente der Kirchenvertreter einmal genauer zu betrachten. Der Spruch, der Löning nun so viel Ärger einbringt, ist weder von ihm, noch ist er neu, noch ist er außergewöhnlich. In vielen Blogs, die sich irgendwie mit dem Thema Religion, Ethik oder Wissenschaft auseinandersetzten, taucht er immer wieder auf. Außerdem wird er auch auf einer großen Vielzahl von Facebook-Profilen zu finden sein; auch auf Twitter ist er verbreitet. Wo ist nun das Problem von Erzbischof Müller? Wahrscheinlich ist es wieder einmal das alte Problem, dass Personen des öffentlichen Lebens das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht zugestanden wird. Äußern sie eine Meinung, die politisch nicht korrekt ist, stehen sie sofort unter Beschuss von der Gruppe, die sich gerade angegriffen fühlt. Wenn die Person mit ihrer Äußerung auch noch das Pech gehabt hat, eine Gruppe anzugreifen, die auch in der Presse eine starke Beachtung findet, dann kann es in relativ kurzer Zeit zu einer, für die Person sehr negativer Berichterstattung kommen, die sie unter Umständen sogar zum Rücktritt von ihrem Posten zwingt. Ich hoffe, dass es ihm Falle von Markus Löning nicht so weit kommt. Wenn er eine Privatperson gewesen wäre, hätte seine Äußerung niemanden gestört und wäre auch nicht in irgend einer Weise in die Öffentlichkeit gelangt. Es bleibt also schon einmal festzuhalten, dass in diesem Fall die Wahl der Mittel, also das Einschalten der Presse und damit das Einbeziehen einer breiten Öffentlichkeit, vollkommen unverhältnismäßig ist.
Das einzige weitere Argument der Kirche bezieht sich eigentlich auf die Auswirkungen des Spruches selber, kritisiert aber indirekt auch den Inhalt des Spruches. „To stupid for science – Try religion“ ist mit Sicherheit polemisch und übertrieben, hat aber auch einen wahren Kern. Früher haben sich die Menschen fast alles, was sie nicht mit ihren meist mangelhaften wissenschaftlichen Methoden erklären konnten, mithilfe des Übernatürlichen erklärt. Je nach Region gab es dann entweder eine Vielzahl von Göttern, die für die verschiedenen Naturereignisse wie Blitze, Gewitter oder auch gute Ernten zuständig waren, oder, wie im Monotheismus, einen Gott, der für alles die Verantwortung trug. Es war damals tatsächlich die Dummheit, oder, etwas freundlicher und passender formuliert, die Unwissenheit der Menschen, die eine Vielzahl von religiösen Bräuchen, vor allem Opferrituale, hervorbrachten. Auch heute spielt die Religion immer noch diese Rolle, wenn auch deutlich weniger ausgeprägt. Für viele Menschen muss Gott wenigstens den Funken Energie aufgebracht haben, der den Urknall ermöglicht hat. Das die Wissenschaft davon ausgeht, dass die Gesamtsumme der Energie in unserem Universum Null beträgt und somit keine Energie für den Urknall notwendig war, können sich sehr viele Menschen einfach nicht vorstellen. Auch im Bereich der Medizin berufen sich verschiedene Menschen immer wieder auf ein „göttliches Wunder“, wenn sie von angeblich unheilbaren Krankheiten wie Krebs, oder tödlichen Verletzungen wieder genesen. Das Fehlen von wissenschaftlichen Begründungen beweist in den Augen dieser Menschen dann ihr Argument, dass dies Gottes Werk war. In gewisser Weise ist dies immer noch eine Art der Dummheit oder Unwissenheit, die zur Religion führt. Abgesehen davon macht man es sich alle Verfechter der wortwörtlichen Auslegung der Bibel immer sehr einfach, da sie nur ein Buch zu kennen brauchen, eine Person, die halbwegs wissenschaftlich Argumentieren will, muss jedoch eine Vielzahl von Büchern gelesen haben, um etwas ansatzweise erklären zu können.

Das größte Problem, dass sich aus dem zweiten Argument des Kurienbischofs Müller ergibt, ist jedoch seine Begründung. Auch wenn das Kritisieren von Löning in der Öffentlichkeit und die Kritik an dem Spruch selber schon unverhältnismäßig ist, sein zweites Argument übertrift dies nicht nur, sondern zeigt auch die Ignoranz der, in diesem Fall katholischen Kirche, gegenüber dem Rest der Welt. Und es zeigt wie wenig sich die katholische Kirche unter dem Ausdruck „Würde“ etwas vorstellen kann. „Too stupid for science – Try religion“ soll die  „Würde der gläubigen Menschen verletzt haben“, war eine Reaktion von Kurienbischof Müller. „Die Würde der gläubigen Menschen“ ist zwar ein schöner Begriff, aber besitzt er überhaupt einen Inhalt; ist diese „Würde“ überhaupt etwas, auf das man Rücksicht nehmen muss? Ein kurzer Blick auf das Staatengebilde, in dem wir leben, macht die Antwort eigentlich schon klar: Nein! Wir leben in einem säkularen Staat, in dem die Kirche zwar politischen Einfluss hat, aber im großen und ganzen für sich selber zuständig ist und sich im großen und ganzen an die Gesetze des Staates halten muss. Allein dies dürfte eigentlich schon die Würde eines religiösen Menschen verletzten, weil die Kirche eigentlich weitreichende Freiheiten besaß und in vielen Fällen sogar ebenso Mächtig war, wie das eigentliche Staatsoberhaupt. Dann gibt es aber auch ganz banale Gründe, die der Logik des Kurienbischofs Müller zufolge, die „Würde der gläubigen Menschen“ verletzen muss. Öffentlich erklärter Atheismus beispielsweise. Oder die Existenz von atheistischen Gruppen und Verbänden. Nach katholischen Vorstellungen verletzen auch homosexuelle Paare die „Würde des gläubigen Menschen“, genauso wie geschiedene und wiederverheiratete Ärzte, Erzieher etc. Verletzt die Demokratie nicht eigentlich auch die „Würde des gläubigen Menschen“, da die katholische Kirche streng hierarchisch und nach totalitärem Muster aufgebaut ist? Wie man sieht, ist die „Würde des gläubigen Menschen“ ein Begriff, mit dem man sehr vorsichtig umgehen muss.

Auf der anderen Seite hat zumindest die katholische Kirche aber kein Problem damit, Menschenrechte zu missachten. Wie war das noch einmal mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit für Kinder? Achso, das Verbot der Beschneidung würde ja gegen die „Würde des gläubigen Menschen“ verstoßen und die ist doch sicherlich wichtiger als ein Menschenrecht! Habe ich da vielleicht etwas falsch verstanden? Wie war das gleich mit der Vielzahl an Missbrauchsfällen in katholischen Schulen und Kirchen? Stimmt, wenn die vernünftig aufgeklärt würden und die verantwortlichen von ihren Posten entbunden und entsprechend bestraft würden, würde das sicherlich auch die „Würde der gläubigen Menschen“ verletzen. Priester und Bischöfe sind schließlich Vertreter Gottes und würden doch keine so unmenschlichen Taten begehen! Die Würde der Betroffenen, denen keine Gerechtigkeit wiederfährt, wird dadurch nicht beeinträchtig, sie haben die Priester doch erst zu den Misshandlungen verführt. Vielleicht verwechsel ich hier gerade ein paar Sachen von wegen „die Würde des Menschen ist unantastbar“ und den Erklärungen einiger katholischer Geistlicher. Die würden sich schließlich keinen Fehler erlauben, der die „Würde der gläubigen Menschen“ beeinträchtigt. Und außerdem: Da noch niemand Gott gesehen hat, kann auch keiner beweisen, dass es ihn nicht gibt. PUNKT

Und wie war das mit den lila Einhörnern ? 

Science
it works, Bitches!





Mittwoch, 18. Juli 2012

Das Grundgesetz und seine Ausnahmen für Religion


Den Trubel, den das Urteil des Kölner Landgerichtes über die Legalität von religiösen Beschneidungen verursacht hat, konnte wahrscheinlich niemand vorhersehen. Dabei haben die Richter damit ein sehr sensibles Thema angesprochen, bei dem die Emotionen leicht überkochen und die sachliche Ebene deshalb kurzerhand verlassen wird. Bevor man sich nun dieser emotional geladenen Debatte anschließt, sollte man sich einmal die Grundlage der richterlichen Entscheidung vor Augen führen. Die Richter argumentierten streng über das Grundgesetzt, dessen Beachtung für ein friedliches und produktives Zusammenleben unentbehrlich ist. Sie beriefen sich auf den Artikel zwei: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“ . Dieser Artikel ist schlicht und ausnahmslos; er gilt für jeden, diskriminiert keinen Menschen aufgrund seines Glaubens oder seiner Überzeugungen…

Diese „Anti - Diskriminierung“ ist die Stelle, an der das Problem beginnt. „Diskriminieren“ wird im alltäglichen Sprachgebrauch meist mit negativer Konnotation  verwendet, bedeutet aber nicht mehr als „Unterscheiden“ oder „Abgrenzen“. Dieses Faktes sollte man sich bewusst sein, um den folgenden Satz nicht falsch zu verstehen. Religionen wollen und müssen diskriminiert werden! Eine Religion kann erst durch eine Abgrenzung zu andersgläubigen überhaupt zustande kommen. Für sie ist es also überlebenswichtig, dass sie Unterscheidungsmerkmale zu dem restlichen, andersgläubigen sozialen Umfeld aufweist. Im Judentum und Islam ist eines dieser vielen Unterscheidungsmerkmale die Beschneidung von jungen Knaben. Diese Beschneidung ist ein sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe, eine uralte Tradition …  und ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Natürlich kann man nun argumentieren, dass die Beschneidung keinen negativen Einfluss auf die Lebensqualität der Jungen hat. Das die Jungen ohne die Beschneidung vom sozialen Umfeld nicht akzeptiert werden. Dass es sich bei Beschneidung um keine „Verstümmelung“ handelt. Man kann dann anfangen, sich mit all diesen Argumenten auseinanderzusetzten und wird schlussendlich zu der Einsicht kommen müssen, dass man diesem Problem nur mit Einzelfalllösungen Herr werden kann. Wenn man aber so an dieses Problem herangeht, dann tut man etwas, was sich keine Person ohne sehr gute Gründe erlauben sollte: Man ignoriert das Grundgesetz!

Um diesen Einwand schon im Vornherein zu entkräften: Rechtspositivismus ist schwachsinnig, verantwortungslos und gefährlich. Den Grundsatz, dass jeder Mensch ein Recht auf seine körperliche Unversehrtheit hat, gutzuheißen, ist jedoch kein Rechtspositivismus, sondern rational! Der Artikel zwei des Grundgesetztes gilt, wie oben schon festgestellt, universal und kann deshalb nicht für einzelne Gruppen einfach aufgehoben werden,… oder etwa doch? Im Moment sieht es so aus, als ob die meisten Politiker nicht allzu viel vom Grundgesetz halten und der Meinung sind, das Ausnahmen eben doch die Regel bestimmten. Und in der Logik dieser Politiker dürfen diese Ausnahmen vom Grundgesetz, der Grundlage für ein friedliches gesellschaftliches Zusammenleben,  nicht nur für religiöse Gruppierungen zustanden kommen; nein, sie müssen es sogar, damit die freie Religionsausübung nicht gestört wird. Dass man mit dieser Form der Toleranz nicht nur über das Ziel hinausschießt, sondern auch einem enormen Missbrauch Tür und Tor öffnet, sollte an der folgenden Frage deutlich werden: „ Bis zu welchem Einfluss auf das Leben eines Menschen darf man eine Ausnahme der im Grundgesetz  festgelegten Rechte einfordern?“

Diese Frage ist im Prinzip nicht zu beantworten, ohne das Grundgesetz, und damit grundlegende Menschenrechte, grundlegend zu verraten! Vom jetzigen Fall ausgegangen, muss man argumentieren, dass alle Eingriffe, die einen Menschen nicht töten oder keine bleibenden Schäden hinterlassen, erlaubt sein müssten. Wenn man von diesem Grundgedanken ausgeht und seine Konsequenzen für die Lebensrealität prüft, wird man schnell einsehen, dass dies nicht funktionieren kann. Nach diesem Gedanken wäre es strenggläubigen Muslimen erlaubt ihre Frauen zu züchtigen, da sie die Frauen weder töten noch ihr weiteres Leben negativ beeinflussen, da Hämatome keine bleibenden Schäden hinterlassen. Anhänger von Religionen, in denen der Konsum von Drogen wie Cannabis zur Tradition gehört, könnten auch auf diesen Leitgedanken berufen. Es lässt sich auch darüber streiten, ob eine Diskriminierung von Frauen bleibende Schäden hinterlässt. Wenn die Frauen diese Diskriminierung von Anfang an gewöhnt sind, sollte dies eigentlich nicht der Fall sein und getötet werden Frauen davon auch nicht. Also könnte das Recht auf diese Diskriminierung auch eingeklagt werden, wenn man schon eine Ausnahme für die Bescheidungen einräumt. Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Definition von „ keine bleibenden Schäden“. Ab wann gilt eine Verletzung als Schaden? Darf man aus religiösen Gründen als Bestrafung einen Finger abschneiden, oder ist dies schon ein bleibender Schaden? Darf man, wie es vor allem im asiatischen Bereich Tradition war, jungen Mädchen die Füße so bandagieren, dass sie zwar verkrüppeln, dafür aber klein bleiben? Darf man, wie im afrikanischen Raum üblich, die Hälse von jungen Mädchen mit einer Art Korsett aus Ringen, immer weiter Strecken? Das solche Bräuche nicht in unserem Raum vorkommen, ist für die Argumentation weitestgehend egal. Wenn die Beschneidung von Jungen über eine wie oben beschrieben oder ähnliche Argumentation erlaubt wird, kann sich die Bundesregierung und ihre Gleichstellungs- und Menschenrechtsbeauftragten nicht mehr über solche Bräuche beschweren. Sie müssten sie dann, im Rahmen der Religionsfreiheit, eigentlich sogar unterstützen und fördern. Das gleiche könnte, im Extremfall, je nach Alter der Partner, für die zwangsheirat gelten. Sie ist, je nach Gebiet, ein Religiöses oder quasi-Religiöses gut und enorm wichtig für den Fortbestand der Religion.

Die obigen Beispiele sind bewusst provokant und teilweise etwas überspitzt gewählt und dargestellt, aber anhand von ihnen sollte klar werden, was für Konsequenzen die Aufweichung des Grundgesetzes haben kann. Das Urteil des Kölner Landgerichtes ist deshalb weder rassistisch noch diskriminierend, es ist das genaue Gegenteil. Und an der Aufregung, die darum entsteht, sieht man, wie wenig Religion von Gleichbehandlung halten kann. Die Panik, die nun um diese Urteil gemacht wird, ist jedoch vollkommen fehl am Platz. Das Urteil ist eine wahrscheinlich einmalige Chance für Deutschland zu zeigen, wie sehr es zu seinen demokratischen und menschlichen Werten steht, Werte, die die Deutschen eigentlich aus den Erfahrungen der Vergangenheit hoch zu schätzen wissen müsste. Und die Religion könnte endlich zeigen, dass sie mehr ist als eine Ansammlung von  alten, antiquierter, konservativen und unbeweglicher Positionen. Sie könnte beweisen, dass sie für die Menschen da ist, und nicht die Menschen für die Religion. Sie könnte Wandlungsfähigkeit zeigen und damit wieder ein Stück näher an die Menschen unserer Tage herantreten.  Aber dazu wird es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht kommen. Religionen sind starr und mächtig, und so werden die Forderungen der jüdischen, muslimischen und christlichen Religionsvertreter anstandslos erfüllt, ohne dabei zu bedenken, dass dadurch diese Religionen von Gesetzeswegen bevorzugt werden, und andere Religionen damit per Gesetz benachteiligt werden, da ihnen keine Sonderbedingungen zugestanden wurden, die sie jedoch unter Umständen für ihre Religionsausübung bräuchten. Falls ein Gesetz in Gang gebracht werden sollte, dass für die Beschneidung eine Ausnahme des im Grundgesetzes verbrieften Rechtes vorsieht, dann ermutige ich hiermit alle Vertreter anderer Religionen, die auch bestimmte Ausnahmen von Grundgesetz benötigen, diese Einzuklagen.   Nicht, weil ich ein Freund von Religionen bin, sondern, weil der Bundesregierung damit vor Augen geführt wird, warum das Grundgesetz, zumindest in den ersten paar Artikeln, ausnahmslos sein muss!

Auch wenn diese für jeden Juden wie Hohn klingen muss, so gibt es doch für die jüdischen Gemeinden eine sehr einfache Lösung. Wenn man mit der Beschneidung so lange warten würde, bis das Kind selber über seine Religion entscheiden darf, in Deutschland dürfte dies ab dem 12. oder 14. Lebensjahr möglich sein, würde eigentlich nichts mehr dagegen sprechen. Solange diese Handlung mit Einwilligung des Kindes geschieht, gibt es keine logischen Gründe mehr, die eine Beschneidung verbieten würden. Aber da die Thora in diesem Fall sehr eindeutig ist, wird diese einfache Lösung wahrscheinlich auch (leider) niemals umgesetzt werden. 

Dürfen Religionen Narrenfreiheiten in einem demokratischen Land genießen?