Samstag, 18. Februar 2012

Ein Mensch ohne Ehr' und Tadel!


Am Donnerstag, den 16.2.2012, fand eine kurze Meldung den Weg ins Internet, Radio, Fernsehen und die Zeitungen. Der Originaltext bestand zwar aus mehreren Sätzen, aber die Medien brachten das Beamtendeutsch auf den Punkt: „ Die Staatsanwaltschaft Hannover hat die Aufhebung der Immunität des Bundespräsidenten Christian Wulff beantragt.“ Dieser oder ähnliche Sätze schwirrten in folgenden Stunden durch sämtliche Medien und besiegelten damit endgültig das Schicksal von Herrn Wulff. Noch die zuvor hatte die Staatsanwaltschaft versucht die Immunität eines Bundespräsidenten aufzuheben! Der Rücktritt von Christian Wulff am nächsten Morgen war die logische Konsequenz dieses Misstrauensvotums und der letzte Akt des unrühmlichen Dramas um das Amt des Bundespräsidenten mit ihm in der Hauptrolle. Meine persönliche Hoffnung war, dass Herr Wulff wenigstens im Rücktritt stärke beweist und seine Fehler eingesteht. Er hätte das Amt wenigstens halbwegs in Ehre verlassen können! Ich weiß nicht ob es persönliche Unfähigkeit oder einfach nur Feigheit ist, die es ihm unmöglich gemacht haben, diese letzte Möglichkeit zur Ehrenrettung zu nutzen. Vermutlich war es eine Mischung aus beidem. Anstatt sich für sein Verhalten gegenüber dem Volk und der Presse zu entschuldigen lobte er erst seine Mitarbeiter und stellte fest, dass ihm die Arbeit als Bundespräsident Spaß gemacht hat. Wenn er die Rede an diesem Punkt abgebrochen hätte, wäre das letzte bisschen Respekt, dass ich noch für ihn als Person hatte, erhalten geblieben. Die folgenden Sätze ließen mich aber vollkommen entsetzt und sprachlos zurück. „Einen Präsidenten, der vom Vertrauen nicht nur einer Mehrheit, sondern einer breiten Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger getragen wird. Die Entwicklung der vergangenen Tage und Wochen hat gezeigt, dass dieses Vertrauen, und damit meine Wirkungsmöglichkeiten, nachhaltig beeinträchtigt sind.“  Herr Wulff scheint vergessen zu haben, dass er niemals in seiner gesamten Amtszeit eine „breite Mehrheit“ hinter sich hatte. Er hat nicht einen, nicht zwei, sondern drei Wahlgänge gebraucht, um in dieses Amt gewählt zu werden. Während in den ersten beiden Wahlgängen eine Dreiviertelmehrheit benötigt wird, reicht im letzten Wahlgang eine einfache Mehrheit aus. Wulff wurde also nicht mit einer breiten Mehrheit, sondern von gerade einmal etwas mehr als der Hälfte der Wahlberechtigten gewählt. Hatte er dies schon wieder vergessen, als er seinen Rücktritt bekanntgab? Hatte er vielleicht auch schon vergessen, dass ihn zumindest in den letzten drei oder vier Monaten, je nach Statistik, weniger als 50% der Bürger für einen guten Bundespräsidenten hielten? Wie kann man als scheidender Amtsinhaber noch solche Sätze von sich geben? Es scheint mir, als ober Herr Wulff die Entwicklung der letzten beiden Monate nicht wirklich verstanden hat.
Aber anstatt nun einfach die Notizen zuzuklappen und zu gehen machte Herr Wulff weiter und sich lächerlich. „Ich habe in meinen Ämtern stets rechtlich korrekt mich verhalten. Ich habe Fehler gemacht, aber ich war immer aufrichtig.“ Ob der erste Satz stimmt werden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in den nächsten Wochen und Monaten zeigen und ich könnte mir vorstellen, dass Herr Wulff sich auch hier verschätzt hat. Abgesehen von diesem rein sachlichen Kritikpunkt habe ich allerdings auch einen inhaltlichen, den ich persönlich für deutlich schwerwiegender halte. Falls Herr Wulff jemals Philosophie an der Schule hatte, hat er sicherlich gelernt das Moral und Recht zwei unterschiedliche Sachen sind. Eine Handlung, die rechtlich erlaubt ist muss noch lange nicht moralisch akzeptabel sein. Die Menschen, die Moral mit Recht gleichsetzen nennt man Rechtspositivisten und falls Herr Wulff hier aufgepasst hätte, würde er wissen das der Rechtspositivismus philosophisch gesehen eine sehr dumme Position ist. Jeder Mensch der diese Position vertritt müsste den Massenmord der Nazis an den Juden als moralisch gerechtfertigt ansehen, da er nach den damaligen Gesetzten erlaubt war. Man sieht leicht, warum diese Position heute von keinem ernstzunehmenden Menschen mehr vertreten wird. Die Aussage, das er sich rechtlich korrekt verhalten hat sagt also überhaupt nichts über die moralische Richtigkeit seiner Handlungen aus. Diese Kritik an dem Inhalt mag vielleicht überzogen erscheinen, da sie sich nicht direkt mit der Sachebene des Satzes beschäftigt, aber sie ist in meinen Augen notwendig um zu zeigen, dass Herr Wulff anscheinend keine moralisches Verantwortungsgefühl gegenüber dem Volk hat. Würde er dieses Gefühl besitzen, hätte er sagen können, dass er seine Handlungen moralisch verwerfliche waren anstatt darauf hinzuweisen, dass er doch rechtlich alles richtig gemacht hat. Noch Geschmackloser als den ersten Satz finde ich allerdings den nachfolgenden Satz: „Ich habe Fehler gemacht, aber ich war immer aufrichtig.“ Ich halte ihm zu Gute, dass er immerhin eingesehen hat, das er Fehler gemacht hat. Aber das was nach dem Komma steht halte ich für eine bodenlose Unverschämtheit! Ist es aufrichtig, wenn man auf eine Anfrage nur mit einem Teil der ganzen Wahrheit antwortet? Ist es aufrichtig, wenn man Aufklärung verspricht und anschließend probiert die Berichterstattung über ihn zu verhindern? Ist es aufrichtig, wenn man Verspricht den Fragenkatalog der Reporter zu beantworten und dies dann erst nach erheblichen öffentlichen Druck zu tun? Ist es aufrichtig sich als „unabhängigen Ehrenmann“ darzustellen, wenn man sich seinen Urlaub, seine Handyrechnung und teilweise sogar seine Autos von anderen Menschen bezahlen lässt? Zum Glück gibt es in der deutschen Sprache eine ganze Reihe von Worten, die man verwenden kann um solche Menschen zu bezeichnen. Diese Menschen werden dann Lügner, Betrüger, Schwindler, Heuchler, Rechtsverdreher oder „falscher Fünfziger“ bezeichnet. Vielleicht sollte sich Herr Wulff das nächste Mal, wenn er eine Rede schreibt, etwas Zeit nehmen und im Duden die Definition der Wörter nachlesen, die er verwenden möchte. Wenn er das getan hätte, wäre ihm sicherlich aufgefallen, dass „aufrichtig“ keine gute Beschreibung seiner Person ist.   
Und da Christian Wulff gerade so schön bei der Sache war, legt er noch einen nach. „ Die Berichterstattungen, die wir in den vergangenen zwei Monaten erlebt haben, haben meine Frau und mich verletzt.“ Ich muss zugeben, dass ich die Berichte der Presse über Herrn Wulff teilweise ziemlich unfair fand und das die regelrechte „Treibjagd“ die sie auf ihn veranstaltet haben teilweise echt geschmacklos war. Allerdings hält sich mein Mitleid für ihn in sehr, sehr engen Grenzen, da er dafür größtenteils selber verantwortlich war. War er es nicht der auf dem Anrufbeantworter des Chefredakteurs der Bildzeitung wutentbrannt eine Nachricht hinterlassen hat? War er es nicht, der schon vorher probiert hat, Reporter der Zeit und anderer Zeitungen dazu zu bewegen, dass sie nicht mehr in seinen Angelegenheiten recherchieren? War er es nicht, der immer weniger erzählt hat als die Presse wusste und somit immer neue Enthüllungen provoziert hat? War er es nicht, der den Urlaub auf Sylt von einem Freund hatte bezahlen lassen, in dem Wissen, dass die gesamte Aufmerksamkeit der Presse gerade jetzt auf ihm ruhte? Die Presse mag ihn verletzt haben, aber die Verantwortung dafür liegt ganz bei ihm! Viel weniger taktisches Gefühl im Umgang mit den Medien als er kann man eigentlich nicht haben und den Preis dafür musste er eben zahlen. Ich finde es ziemlich dreist auf die Presse zu schimpfen, wenn man mehrmals versucht hat die Berichterstattung über einen zu verhindern. Es hätte noch viel schlimmer kommen können, vor allem im Bezug auf seinen Anruf bei der BILD-Zeitung!
Eigentlich hatte ich das Thema „Wulff“ schon vor einiger Zeit für mich abgeschlossen und wollte mir keine weiteren Gedanken über ihn machen. Es war alles schon 100 mal gesagt und geschrieben. Aber als ich seine Rücktrittsrede in der Schulpausen im Radio hörte, fühlte ich mich auf einer intellektuellen Ebene zutiefst abgestoßen und beleidigt. Wie kann es der Repräsentant des bevölkerungsreichsten EU-Staates, einer Wirtschaftsmacht und eines weltweiten anerkannten Landes es wagen, sämtliche Fehler die er gemacht hat, einfach so zu übersehen und sich bei seinem Rücktritt noch über anderen zu beschweren? Wahrscheinlich ist dies einfach eine Überreaktion meinerseits. Aber in meinen Augen hat die Person Wulff das letzte bisschen Ehre verloren, das er noch hatte. Ich verlange nicht viel von meinen Gegenüber und ich bin bereit einer Person fast alles zu verzeihen, aber starrköpfige Unehrlichkeit, Arroganz und Ignoranz gehören zu den Eigenschaften, die ich für unverzeihbar halte. Und Christian Wulff verkörpert alle drei dieser Eigenschaften perfekt! Ich habe immer häufiger den Eindruck, das Ehrlichkeit in unserer Gesellschaft zu etwas nebensächlichem geworden ist. Ein weiteres gutes Beispiel, neben Herrn Wulff, ist Herr Guttenberg gewesen. Und langsam frage ich mich, wann Frau Merkel erkennt, was sie mit ihrer Unterstützung für diese beiden Politiker angerichtet hat. Bis zuletzt hatte sie Wulff und Guttenberg unterstützt und großzügig über ihre Fehler hinweggesehen. Für mich hat sich auch die Glaubwürdigkeit von Merkel dadurch arg reduziert. Wie kann eine Bundeskanzlerin, die eigentlich eine untadelige Person sein müsste, Betrüger und Schwindler unterstützen? Warum kann sie einfach verzeihen, selbst wenn keine Einsicht über die Fehler vorliegt? Vermutlich bin ich einfach zu streng mit den Menschen, die mich und den Rest von Deutschland repräsentieren. Vermutlich mach ich mich einfach lächerlich, wenn ich mich über die Unehrlichkeit von Politikern aufrege. Aber meine Gedanken kreisen trotzdem immer und immer wieder um dieses Thema, da ich es einfach nicht nachvollziehen kann, wie man so machtbesessen und uneinsichtig seien kann. Hoffentlich wird der nächste Bundespräsident wenigstens eine integere Persönlichkeit werden. Aber da er wieder nur von den Machtinteressen der verschiedenen Parteien ausgewählt wird, habe ich kaum Hoffnung. Warum lässt man den Bundespräsidenten nicht direkt vom Volk wählen? Damit wäre doch garantiert, dass er wirklich ein Repräsentant des Volkes und nicht nur der Politiker ist!

*(Alle kursiven Zitate stammen aus der Rücktrittsrede von Wulff)

Unrühmlich und Ehrenlos - Hat Deutschland wirklich soetwas verdient?

1 Kommentar:

  1. Danke. Danke für deinen Kommentar <3
    Nur gibt es in meinem 'realen' Umfeld einfach niemanden, der so denkt wie ich. Alle, die ich kenne, sind so oberflächlich und das macht mich irgendwie fertig. Aber wer weiß, wen ich noch alles treffen werde.

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