Zeitmanagement ist
zugegebenermaßen ein Modewort und nicht einmal ein besonders schönes. Aber es
hat einen guten Schlagwortcharakter und jeder kann sich etwas darunter
vorstellen. Und doch scheinen nur wenigen Personen verstanden zu haben, was
Zeitmanagement bedeutet. Viele Personen nutzen Zeitmanagement als Synonym für Zeiteinteilung.
Das mag zwar auf den ersten Blick ganz passend sein und es ist kurzfristig
gedacht auch das gleiche. Aber gutes Zeitmanagement geht darüber hinaus und nur
mit einem guten Zeitmanagement ist es oft überhaupt möglich sich aus der Masse
abzuheben. Da ich Momentan studiere beziehen sich meine Beispiele oft auf die Welt
der Universität, aber im Grundsatz gelten sie überall dort, wo eine
Leistungskonkurrenz herrscht.
Eine Universität war für mich
immer eine „Spielwiese für Talente“ und als ich dann auf einmal angenommen war
und selber auf dieser „Spielwiese“ aktiv werden durfte, wurden meine
Erwartungen teilweise bestätigt. Teilweise, weil sich, gerade im ersten
Semester, noch sehr viele Personen dort befinden, die selber sagen, dass das
eigentlich nicht das Richtige für sie ist. Im Gedränge um die besten Plätze
stellen sie daher keine ernstzunehmende Konkurrenz da. Ganz anders sieht das mit
den meisten Kommilitonen aus, denen, die sich sicher sind, das Richtige zu
studieren. Natürlich kann man jetzt fragen, warum denn überhaupt Konkurrenz?
Ist ein Semester nicht auch irgendwie eine „Familie“, eine Art „Schicksalsgemeinschaft“,
in der jeder jedem Hilft?
Ja, ist es beziehungsweise sollte
es sein! Die Konkurrenz die gemeint ist, ist eine positive, motivierende
Konkurrenz. Aber sie ist auch eine harte und unnachgiebige Konkurrenz um die
Chancen der Zukunft. In meinem Studienfach sind die Endnoten eigentlich
bedeutungslos, außer man möchte in die Forschung oder die Lehre gehen. Dann
sind Lebenslauf wie Noten auf einmal wieder das entscheidende Merkmal. Und
denjenigen, die jetzt schon Wissen, dass sie später in diesen Zweigen arbeiten möchten
wissen das und arbeiten sowohl an ihrem Wissen als auch an ihrem Lebenslauf.
Dies führt dann zwangsläufig zu einer relativ starken Konkurrenzsituation, da
diese Zweige nur sehr wenige Stellen anbieten. Es haben vielleicht die besten
10% eines Semesters eine Chance auf diese Stellen, aber es wollen gefühlt ein
gutes Viertel eine haben, deshalb möchte man natürlich zu den Besten gehören um
wenigstens eine minimale Sicherheit für die Zukunft zu haben. Aber zurück zum
Zeitmanagement.
Bei den, grob geschätzt, besten 10
– 15% gibt es eine „Waffengleichheit“ was die kognitiven Fähigkeiten auf ihrem
Gebiet angeht. Alle dieser Gruppe lernen ungefähr gleich schnell, sind ähnlich
stark motiviert und ziemlich prüfungsfest, haben also kaum Angst vor den
Prüfungen. Der einzige - und Entscheidende – Unterschied ist die Art, wie sie
mit ihrer Zeit umgehen. Ein Student dieser Gruppe, der 5 Stunden pro Tag lernt
ist besser als einer, der nur 3 Stunden lernt. Es kommt also einfach „nur“ auf
die effektiv genutzte Zeit an. Da neben den reinen Noten auch noch ein
Lebenslauf entstehen soll, der für die späteren Stelle als Professor oder als
Forscher einer bedeutenden Einrichtung qualifiziert, muss natürlich auch noch
dafür Zeit investiert werden. Und hier erklärt sich jetzt was ein „gutes
Zeitmanagement“ auszeichnet: Eine
Priorisierung von nahezu allen erdenklichen Ereignissen und aller möglichen
Ereignisklassen, damit die Entscheidungsfindung schnell und effizient
stattfinden kann. Denn oft gilt bei Anmeldungen das (leider) übliche
first-come, first-serve. Wenn jetzt also eine Arbeitsgruppe, die etwas mit „Verhaltensforschung“
zu tun hat am Ende einer Vorlesung beworben wird und man sich erst Gedanken
darüber machen muss, ob man da jetzt wirklich aktiv werden möchte, haben die
Kommilitonen, die beispielsweise dem Block „Verhaltensforschung“ eine hohe Priorität
eingeräumt haben, schon lange zugeschlagen. Es geht bei dem Zeitmanagement in
diesem „Spitzenbereich“ gar nicht mehr wirklich um die Planung des Tages – das sollte
sowieso optimiert sein - als vielmehr um
das Vorhersehen und Planen von möglichen, zukünftigen Ereignissen. Denn nur wer
das optimiert hat, hat die besten Chancen auf die besten Plätze und die meiste
Zeit zum Lernen. Wer sich noch Gedanken darüber macht, ob er erst einkaufen
geht oder erst lernt und dann einkauft, verliert wertvolle Zeit, die er nicht
verlieren würde, wenn er seine Prioritäten vorher klar aufgestellt hätte. Das
Problem daran ist, dass die Personen, die das Priorisieren erst im Studium lernen
müssen, schon klar im Nachteil sind. Die einzige Chance für sie ist es noch
mehr zu arbeiten als der Durchschnitt der besten. Da der Durchschnitt das weiß,
entsteht dort immer wieder eine Art „Rennen“ um die investierte Zeit … und
damit oft im Laufe der Zeit ein Rennen um die „besten Plätze“ beim Psychologen.
Es hat mich anfangs ein wenig
überrascht, dass es wirklich so „hart“ an der Uni zugeht, wenn es darum geht zu
den Besten zu gehören. Denn anstatt sinnvoll zu lernen wird oft nur Wissen in
sich hineingestopft, was vollkommen abstrakt bleibt. Teilweise so abstrakt,
dass der Prüfungsbeste in Histologie nicht in der Lage ist das Prinzip „Diffusion“,
was er für die Histologie der Lunge können musste, auf die Physik zu
übertragen. Oft fehlt es an der Fähigkeit die Dinge, die man verallgemeinern
darf, von den Dingen zu unterscheiden, bei denen das nicht passiert. Nicht,
weil sie es kognitiv nicht könnten, sondern weil sie sich nicht die Zeit dafür
nehmen. Und dass es ein Leben außerhalb der Uni und der Optimierung des Lebenslaufes
gibt, fällt vielen erst im Wartezimmer der psychologischen Betreuung wieder
auf. Ich will mich gar nicht von diesem „Wettlauf“ ausschließen, weshalb ich
meine Zeit auch eher in Uni-interne Dinge als in den Blog investiert habe, aber
ich möchte von dem Gehetzte um „die besten 10%“ distanzieren. Wer wirklich Spaß
an dem Studium und seinen Fächern hat und in der Lage ist gut und schnell zu
lernen, der wird mit großer Sicherheit den Beruf finden, den er möchte. Denn
wie schnell wirkt ein aufs letzte optimierter Lebenslauf unpersönlich,
austauschbar und wie oft sind gerade die Studienbesten die Personen, denen man
keine Führungsaufgaben anvertrauen kann, weil sie im Laufe ihres Studiums
eigentlich nie unter Menschen waren? Aber das „schneller, höher, weiter“
scheint den olympischen Rahmen vollends verlassen und die jungen Studenten infiltriert
zu haben.
Wer lernt statt zu leben verlernt das Leben!
Zuerst einmal: schön, wieder von dir zu lesen! Mir haben deine Blogeinträge ziemlich gefehlt, diese Portion Nachdenklichkeit für zwischendurch. Es ist einfach toll, Einblick in solche Gedankengänge bekommen zu dürfen, die so tiefgründig sind und gleichzeitig nicht weit weg, von dem, was einen selbst beschäftigt.
AntwortenLöschenIch finde es interessant, dass du beschreibst, wie das Studium für dich als Wettkampf mit anderen wahrnimmst. Auch ich spüre definitiv einen starken Leistungsdruck, doch der kommt nicht unbedingt durch die Konkurrenz zu anderen zustande. Viel mehr stehe ich im Wettkampf mit mir selbst, effektiver zu arbeiten, mehr zu lernen, mehr zu schaffen und mich nebenbei als Person und meinen Körper nicht zu vernachlässigen. Wenig schlafen, früh aufstehen, Sport, Unizeug, Vorlesung, Unizeug, zwischendurch was essen, den Freund besuchen, schlafen, Lehrveranstaltung. So sieht mein Alltag aus. Und dabei mache ich mir selbst den größten Druck, weil ich dieses Studium schaffen will, weil ich den Traum habe, irgendwann Arzt zu sein und helfen zu können. Und das resultiert in einen permanenten Kampf mit dem inneren Schweinehund, den ich meistens geknebelt in die Ecke gedrängt bekomme.
Dieses lächerliche selektive Lernen kenne ich: man stopft sich das Hirn voll mit Einzelheiten, die einem der Dozent präsentiert hat und was nicht prüfungsrelevant ist, lernt auch keiner. Ich denke dabei zum Beispiel an unserem Präparierkurs, bei dem die Hände und Füße völlig außen vor gelassen wurden. Und unsere Patienten, die später mit Hand- oder Fußbeschwerden kommen, müssen sich dann halt anhören, dass es nicht prüfungsrelevant war.
Sich Prioritäten zu setzten ist tatsächlich unheimlich wichtig - da kann ich nur mit einem Ausrufezeichen dir zustimmen. Wenn man zu viel Zeit vertrödelt, hat man nicht nur Zeit verloren, sondern ist deshalb auch noch verdammt unzufrieden, was weiteres effektives Arbeiten auch ausbremst. Zumindest geht es mir so.
Den Kampf um die Belegung von Fächern habe ich nicht, da wir abgesehen von vielleicht einem Wahlfach, das auch nur alle paar Semester kommt, einfach einen Stundenplan vorgegeben bekommen. Hat alles Vor- und Nachteile.
Hach ja, die Sache mit dem perfekten Lebenslauf. Niemals ruhen, immer arbeiten, Erfolg haben und nebenbei noch 20 beste Freunde, die perfekte Beziehung zu einem ebenso wunderschönen und erfolgreichen Partner mit zwei Kindern - es wirkt so, als wäre es DAS, was man von Bewerbern in ihrem Lebenslauf lesen will aber fragt eigentlich auch mal jemand, ob wir damit glücklich sind, ob wir als Person in Harmonie mit uns selbst stehen? Es ist eine Leistungsgesellschaft, in der das persönliche Glück nicht viel zählt. Die ganzen Patienten mit Depressionen, Burn-Out und ähnlichem kommen schließlich nicht aus dem Nichts.
Und, wie geht es dir so? Bist du zufrieden mit dem Studium - erfüllt es deine Erwartungen? Und vor allem: musstest du auch schon unter Embryologie leiden?
Liebe Grüße,
Apfelkern