Freitag, 4. Januar 2013

Strahlender Müll



Kurz vor dem Höhepunkt des Wahlkampfes in Niedersachsen bringt die Bundesregierung noch einmal ein wenig Schwung in die sonst so zäh geführte Debatte um die Atompolitik. Im Rahmen einer Gesetzesinitiative möchte die Bundesregierung das deutsche Atomrecht so ändern, dass "radioaktive Abfälle oder abgebrannte Brennelemente zum Zweck der Endlagerung" ins Ausland gebracht werden dürfen. Diese Änderung soll durchgeführt werden, damit das deutsche Atomrecht den EU-Richtlinien angeglichen wird. Man übersieht dabei jedoch geflissentlich, dass die EU-Richtlinien außerdem vorsehen, dass man seinen eigenen Atommüll vorrangig im eigenen Land lagern soll. Natürlich fangen jetzt wieder die Argumentationen über den Sinn und Unsinn von „Atomstrom“, die Nützlichkeit der „Energiewende“ und über Versorgungsprobleme an. Das eigentliche Kernproblem wird jedoch wieder von vielen Personen sträflich ignoriert. Dass es in Deutschland Atommüll gibt und dass man diesen Müll irgendwie lagern muss, ist aber ein Faktum, das man nicht einfach wegdiskutieren oder ignorieren kann.

In Deutschland wird die Kernkraft seit über 30 Jahren kommerziell genutzt und in diesem Zeitraum sind bereits über 180.000 Kubikmeter radioaktive Abfälle angefallen. Dies klingt zwar nach einer unheimlich großen Menge an Müll, aber glücklicherweise ist der größte Teil dieses Abfalls halbwegs ungefährlich und muss nicht für mehrere Hunderttausend-, oder Millionen Jahre eigelagert werden. Die radioaktiven Abfälle werden in drei Stufen untergliedert, sodass man zwischen leicht-, mittel,- und hochradioaktiven Substanzen unterscheidet.  Die schwach-, und mittelradioaktiven Substanzen benötigen eine Abschirmung, müssen aber noch nicht gekühlt werden. Da man diesen Müll also nicht in Castoren lagern muss, wird er in korrosionsbeständige Behälter eingeschweißt und in einem Zwischen -, oder „Endlager“ aufbewahrt. Das diese Aufbewahrung alles andere als Problemlos ist, zeigt die Debatte um das Lager „Asse“ immer wieder aufs neue. Die Behälter mit dem Müll wurden vielfach einfach mit Radladern in die dafür vorgesehenen Räume geschüttet, ohne dass man einen Plan davon gemacht hätte. Häufig wussten die für die „Entsorgung“ verantwortlichen Personen selber gar nicht, was sich überhaupt in den Behältern befindet, da der Inhalt der Behälter, wenn überhaupt, nur sehr allgemein angegeben wurde. Die Bilder der planlos in die Kammern des Salzstockes geschütteten Fässer, die teilweise schon korrodiert waren, sollten eigentlich eine sehr deutliche Sprache sprechen. Mittlerweile scheint auch die Politik verstanden zu haben, dass die Entsorgung dieses Abfalls doch nicht so einfach ist, aber so wie es im Moment leider aussieht, wird ein großer Teil dieses strahlenden Müllberges nicht mehr geborgen werden können. Es ist dann natürlich an der Politik, dafür zu sorgen, dass dieser Müll in den nächsten Jahrhunderten oder Jahrtausenden niemals mit Wasser in Berührung kommt. Da die Erfahrung jedoch leider gezeigt hat, dass es ziemlich schwierig, um nicht zu sagen, unmöglich ist, alte Bergwerke stabil zu halten, wird dies sicherlich noch eine „spannende“ Aufgabe sein.

Der größte Teil der radioaktiven Abfälle gehört zu den beiden Kategorien, die man noch halbwegs „einfach“ lagern kann. Wenn man bedenkt, welche Probleme allein dieser Abfall schon macht, bekommt man eine gute Vorstellung davon, welche Probleme der hochradioaktive Abfall aufwirft. Neben der starken Strahlung dieses Abfalls ist eines der Hauptprobleme die Wärme, die dieser Abfall produziert. Hochradioaktiver Abfall muss deshalb immer in Castoren gelagert und transportiert werden, da diese Behälter die Wärme meist ausreichend an die Umgebung abgeben. Ist die Wärmeabgabe aus irgend einem Grund einmal nicht gewährleistet, ist es lediglich eine Frage der Zeit, bis der Behälter, der das radioaktive Material umfasst, schmilzt und die radioaktive Substanz in die Umwelt entlässt. Weltweit entstehen, laut der World Nuclear Association ( WNA), einer  internationalen Lobbyorganisation, die Atomkraft bewirbt, jährlich 12.000 Tonnen hochradioaktiver Abfall. Der deutsche Anteil, mit 450 Tonnen, ist dabei zwar verhältnismäßig gering, aber schon diese verhältnismäßig kleine Menge führt zu enorm vielen Problemen. Bis heute hat Deutschland kein Endlager für hochradioaktiven Müll. Beruhigender weise befindet sich Deutschland da in guter Gesellschaft mit allen anderen Staaten der Welt. Zwar werden weltweit verschiedenste Gebiete untersucht, aber bis heute gibt es kein einziges „Endlager“ für Atommüll. Dies liegt mit Sicherheit nicht an den Reaktorbetreibern, da diese ein sehr vitales Interesse daran haben, die gesamte Diskussion um die Endlager endlich zu stoppen, sondern vielmehr an der Unerfüllbarkeit der Aufgabe selber. Ein potentielles Endlager muss über hunderttausende Jahre hinweg geologischen vollkommen inaktiv sein, darf kein Wasser führen, muss schnell  zugänglich sein und muss vor allem strahlungsisolierend und strahlungsstabil sein. So lange sich unsere Erdkruste jedoch auf einem Meer aus geschmolzenem Gestein befindet, dass ständig in Bewegung ist, wird die Suche nach einer geologisch inaktiven Schicht nie beendet werden. Unsere Erde ist ständig in Bewegung und solange wir Menschen leben wird sich daran nie etwas ändern. Wenn also irgend ein Platz ausgewählt wird, muss man immer daran denken, dass eines Tages ein Erdbeben, ein Vulkanausbruch oder ähnliche Ereignisse die Behälter vielleicht doch zerstört. Ein weiteres Problem ist die politische Stabilität, die man in der Region des Lagers garantieren  muss. Im Falle eines Krieges kann man aus Atommüll sehr schnell „schmutzige“ Bomben bauen, die ganze Landstriche auf Jahrtausende unbewohnbar machen. Und ein kurzer Blick in die Geschichte der Menschheit zeigt, dass politische Stabilität anscheinend etwas ist, dass nicht mit der Natur des Menschen zu vereinbaren ist. Da ein unterirdisches Lager aufgrund des geologischen Problems ausfällt und das Lager außerdem außerhalb der Reichweite von Menschen sein muss, werden immer wieder unbewohnte Landstriche und der Weltraum als mögliche Lager vorgeschlagen.

Der Weltraum scheidet, von den Kosten einmal ganz abgesehen, allein schon deshalb aus, weil man zehntausende Raketen mit Atommüll ins All schießen müsste. Diese hohe Anzahl garantiert, dass einige dieser Raketen einen Unfall erleiden werden, sodass der Müll dann, über eine sehr große Fläche verstreut, wieder auf die Erde kommen würde. Und ein kleiner, atomarer Regen auf New York ist wahrscheinlich keine sonderlich erquickende Vorstellung. Die Idee der Lager auf unbewohnten Landstrichen klingt auf den ersten Blick erst einmal ganz vielversprechend. Die Antarktis kommt infolge eines Schutzabkommen dafür nicht in Frage und da Russland doch sogar dafür wirbt, Atommüll aufzunehmen, sollte das Problem doch eigentlich gelöst sein. In Russland lagerten 2008 schon mehr als 700.000 Tonne radioaktiver Abfall, ein großer Teil davon vermutlich überirdisch. Die vielen, leeren Gebiete in Russland, vor allem in Nordsibirien, laden doch geradezu zur Endlagerung ein . Abgesehen von diesen Gebieten hat Russland außerdem noch einige, schon verstrahlte Gebiete vorzuweisen, bei denen die dazukommende Strahlung auch keinen großen Schaden mehr anrichten würde. So gut diese Idee in vielen Ohren auch klingen mag, so schlecht ist sie dann bei genauerem Nachdenken dann doch. Zum einen werden die Castor-Behälter, da sie häufig im freien gelagert werden, im Laufe der Zeit korrodieren und irgendwann wird die radioaktive Substanz wieder in die Umwelt entlassen. Dieser Prozess mag vielleicht einige hundert Jahre in Anspruch nehmen, aber irgendwann haben wir unseren eigenen Müll, fein in der Luft und im Wasser verteilt, wieder. Und wenn sich erst einmal eine größere Menge eines radioaktiven Stoffes in einer der höheren Luftströmungen befindet, kann sie problemlos um die halbe Welt reisen und über irgend einer Großstadt als Regen niedergehen. Ein zweites, viel aktuelleres Problem ist das Problem von Diebstählen. Terroristische Gruppen freuen sich natürlich, wenn sie einfach in Besitz von radioaktivem Müll kommen, da sie diesen gut als „schmutzige“ Bombe nutzen können. Dies ist heute schon kein großes Problem mehr und es wundert mich, dass noch keine Organisation so eine Bombe in London oder Paris gezündet hat. Aber man muss es diesen Personen nicht noch einfacher machen, indem man die Müllberge in diesen Gebieten noch vergrößert. Neben Terroristen stellen vor allem Schrotthändler eine Gefahr für Atommüll dar. Wenn dieser Müll auf einer normalen, öffentlichen Müllkippe verklappt wird, kann es schon mal passieren, dass ein Schrotthändler die Fässer haben will und sie öffnet und den Müll auskippt. Zwar scheint so etwas bis jetzt noch nicht mit Fässern passiert zu sein. Dafür gab es jedoch schon mindestens zwei Unfälle mit medizinischen Geräten, die, trotz dass sie radioaktiv strahlten, auf Müllhalden gelandet sind. Der Unfall mit den weitreichendsten Folgen fand in der brasilianischen Stadt Goiania statt. Ein Schrotthändler öffnete dort eine Kapsel, die bei der Strahlentherapie verwendet wird. Schlussendlich waren viele Teile der gesamten Stadt verstrahlt und es wurden 112.800 Personen untersucht, von denen 249 aufgrund ihrer Verstrahlung in Quarantäne gebracht wurden. Mindestens vier Personen starben an akuter Verstrahlung und über 500 Personen leiden an den Spätfolgen ihrer Verstrahlung. Bis heute werden in einigen Stellen der Stadt erhöhte Strahlenwerte gemessen. Man sollte bei diesem Unfall beachten, dass es keine hunderte Kilo von radioaktiven Material verteilt wurden, sondern lediglich der Inhalt einer Strahlentherapie-  Einheit. Und so eine Einheit enthält keine hunderte von Kilo, sondern lediglich einige hundert Gramm an radioaktivem Material.

Die Vorstellung, dass man mit einigen Kilo hochradioaktivem Abfall vermutlich ganze Städte auslöschen kann, ist beängstigend. Die Vorstellung, diesen Abfall dann außerhalb der eigenen Kontrolle zu haben, ist jedoch beängstigender. Und der Fakt, dass wir weiterhin lustig tonnenweise radioaktiven Müll produzieren, ohne zu wissen, was man damit machen soll, ist reiner Wahnsinn. Wenn man die Fakten über das Entsorgungsproblem des radioaktiven Abfalls vernünftig durchdenkt, wird man nicht darüber hinwegsehen können, dass wir so schnell es geht aufhören müssen, neuen zu produzieren. Außerdem werden wir uns wahrscheinlich damit anfreunden müssen, dass die einzig vernünftigen Endlager oberirdische Lager sind, die streng bewacht werden. Aber da solche Ansichten unpopulär sind, wird die Politik dieses Problem wahrscheinlich solange verschludern, bis wir ernsthafte Probleme durch diesen Müll bekommen werden. Nur dass es dann zu spät für irgendwelche Aktionen sein dürfte…

Billiger Atomstrom in Deutschland - 
Strahlendes Wetter in Russland

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