Kurz vor dem Höhepunkt des Wahlkampfes in Niedersachsen bringt die
Bundesregierung noch einmal ein wenig Schwung in die sonst so zäh geführte
Debatte um die Atompolitik. Im Rahmen einer Gesetzesinitiative möchte die
Bundesregierung das deutsche Atomrecht so ändern, dass "radioaktive
Abfälle oder abgebrannte Brennelemente zum Zweck der Endlagerung" ins Ausland
gebracht werden dürfen. Diese Änderung soll durchgeführt werden, damit das
deutsche Atomrecht den EU-Richtlinien angeglichen wird. Man übersieht dabei
jedoch geflissentlich, dass die EU-Richtlinien außerdem vorsehen, dass man
seinen eigenen Atommüll vorrangig im eigenen Land lagern soll. Natürlich fangen
jetzt wieder die Argumentationen über den Sinn und Unsinn von „Atomstrom“, die
Nützlichkeit der „Energiewende“ und über Versorgungsprobleme an. Das
eigentliche Kernproblem wird jedoch wieder von vielen Personen sträflich
ignoriert. Dass es in Deutschland Atommüll gibt und dass man diesen Müll
irgendwie lagern muss, ist aber ein Faktum, das man nicht einfach
wegdiskutieren oder ignorieren kann.
In Deutschland wird die Kernkraft seit über 30 Jahren kommerziell genutzt
und in diesem Zeitraum sind bereits über 180.000 Kubikmeter radioaktive Abfälle
angefallen. Dies klingt zwar nach einer unheimlich großen Menge an Müll, aber
glücklicherweise ist der größte Teil dieses Abfalls halbwegs ungefährlich und
muss nicht für mehrere Hunderttausend-, oder Millionen Jahre eigelagert werden.
Die radioaktiven Abfälle werden in drei Stufen untergliedert, sodass man
zwischen leicht-, mittel,- und hochradioaktiven Substanzen unterscheidet. Die schwach-, und mittelradioaktiven
Substanzen benötigen eine Abschirmung, müssen aber noch nicht gekühlt werden.
Da man diesen Müll also nicht in Castoren lagern muss, wird er in
korrosionsbeständige Behälter eingeschweißt und in einem Zwischen -, oder „Endlager“
aufbewahrt. Das diese Aufbewahrung alles andere als Problemlos ist, zeigt die
Debatte um das Lager „Asse“ immer wieder aufs neue. Die Behälter mit dem Müll
wurden vielfach einfach mit Radladern in die dafür vorgesehenen Räume
geschüttet, ohne dass man einen Plan davon gemacht hätte. Häufig wussten die
für die „Entsorgung“ verantwortlichen Personen selber gar nicht, was sich
überhaupt in den Behältern befindet, da der Inhalt der Behälter, wenn überhaupt,
nur sehr allgemein angegeben wurde. Die Bilder der planlos in die Kammern des
Salzstockes geschütteten Fässer, die teilweise schon korrodiert waren, sollten
eigentlich eine sehr deutliche Sprache sprechen. Mittlerweile scheint auch die
Politik verstanden zu haben, dass die Entsorgung dieses Abfalls doch nicht so
einfach ist, aber so wie es im Moment leider aussieht, wird ein großer Teil
dieses strahlenden Müllberges nicht mehr geborgen werden können. Es ist dann
natürlich an der Politik, dafür zu sorgen, dass dieser Müll in den nächsten
Jahrhunderten oder Jahrtausenden niemals mit Wasser in Berührung kommt. Da die
Erfahrung jedoch leider gezeigt hat, dass es ziemlich schwierig, um nicht zu
sagen, unmöglich ist, alte Bergwerke stabil zu halten, wird dies sicherlich
noch eine „spannende“ Aufgabe sein.
Der größte Teil der radioaktiven Abfälle gehört zu den beiden Kategorien,
die man noch halbwegs „einfach“ lagern kann. Wenn man bedenkt, welche Probleme
allein dieser Abfall schon macht, bekommt man eine gute Vorstellung davon,
welche Probleme der hochradioaktive Abfall aufwirft. Neben der starken
Strahlung dieses Abfalls ist eines der Hauptprobleme die Wärme, die dieser
Abfall produziert. Hochradioaktiver Abfall muss deshalb immer in Castoren
gelagert und transportiert werden, da diese Behälter die Wärme meist
ausreichend an die Umgebung abgeben. Ist die Wärmeabgabe aus irgend einem Grund
einmal nicht gewährleistet, ist es lediglich eine Frage der Zeit, bis der
Behälter, der das radioaktive Material umfasst, schmilzt und die radioaktive
Substanz in die Umwelt entlässt. Weltweit entstehen, laut der World Nuclear Association ( WNA), einer internationalen Lobbyorganisation, die
Atomkraft bewirbt, jährlich 12.000 Tonnen hochradioaktiver Abfall. Der deutsche
Anteil, mit 450 Tonnen, ist dabei zwar verhältnismäßig gering, aber schon diese
verhältnismäßig kleine Menge führt zu enorm vielen Problemen. Bis heute hat
Deutschland kein Endlager für hochradioaktiven Müll. Beruhigender weise befindet
sich Deutschland da in guter Gesellschaft mit allen anderen Staaten der Welt.
Zwar werden weltweit verschiedenste Gebiete untersucht, aber bis heute gibt es
kein einziges „Endlager“ für Atommüll. Dies liegt mit Sicherheit nicht an den
Reaktorbetreibern, da diese ein sehr vitales Interesse daran haben, die gesamte
Diskussion um die Endlager endlich zu stoppen, sondern vielmehr an der
Unerfüllbarkeit der Aufgabe selber. Ein potentielles Endlager muss über hunderttausende
Jahre hinweg geologischen vollkommen inaktiv sein, darf kein Wasser führen,
muss schnell zugänglich sein und muss
vor allem strahlungsisolierend und strahlungsstabil sein. So lange sich unsere
Erdkruste jedoch auf einem Meer aus geschmolzenem Gestein befindet, dass
ständig in Bewegung ist, wird die Suche nach einer geologisch inaktiven Schicht
nie beendet werden. Unsere Erde ist ständig in Bewegung und solange wir
Menschen leben wird sich daran nie etwas ändern. Wenn also irgend ein Platz
ausgewählt wird, muss man immer daran denken, dass eines Tages ein Erdbeben,
ein Vulkanausbruch oder ähnliche Ereignisse die Behälter vielleicht doch
zerstört. Ein weiteres Problem ist die politische Stabilität, die man in der
Region des Lagers garantieren muss. Im
Falle eines Krieges kann man aus Atommüll sehr schnell „schmutzige“ Bomben
bauen, die ganze Landstriche auf Jahrtausende unbewohnbar machen. Und ein
kurzer Blick in die Geschichte der Menschheit zeigt, dass politische Stabilität
anscheinend etwas ist, dass nicht mit der Natur des Menschen zu vereinbaren ist.
Da ein unterirdisches Lager aufgrund des geologischen Problems ausfällt und das
Lager außerdem außerhalb der Reichweite von Menschen sein muss, werden immer
wieder unbewohnte Landstriche und der Weltraum als mögliche Lager vorgeschlagen.
Der
Weltraum scheidet, von den Kosten einmal ganz abgesehen, allein schon deshalb
aus, weil man zehntausende Raketen mit Atommüll ins All schießen müsste. Diese
hohe Anzahl garantiert, dass einige dieser Raketen einen Unfall erleiden
werden, sodass der Müll dann, über eine sehr große Fläche verstreut, wieder auf
die Erde kommen würde. Und ein kleiner, atomarer Regen auf New York ist
wahrscheinlich keine sonderlich erquickende Vorstellung. Die Idee der Lager auf
unbewohnten Landstrichen klingt auf den ersten Blick erst einmal ganz
vielversprechend. Die Antarktis kommt infolge eines Schutzabkommen dafür nicht
in Frage und da Russland doch sogar dafür wirbt, Atommüll aufzunehmen, sollte
das Problem doch eigentlich gelöst sein. In Russland lagerten 2008 schon mehr
als 700.000 Tonne radioaktiver Abfall, ein großer Teil davon vermutlich
überirdisch. Die vielen, leeren Gebiete in Russland, vor allem in Nordsibirien,
laden doch geradezu zur Endlagerung ein . Abgesehen von diesen Gebieten hat
Russland außerdem noch einige, schon verstrahlte Gebiete vorzuweisen, bei denen
die dazukommende Strahlung auch keinen großen Schaden mehr anrichten würde. So
gut diese Idee in vielen Ohren auch klingen mag, so schlecht ist sie dann bei
genauerem Nachdenken dann doch. Zum einen werden die Castor-Behälter, da sie
häufig im freien gelagert werden, im Laufe der Zeit korrodieren und irgendwann
wird die radioaktive Substanz wieder in die Umwelt entlassen. Dieser Prozess
mag vielleicht einige hundert Jahre in Anspruch nehmen, aber irgendwann haben
wir unseren eigenen Müll, fein in der Luft und im Wasser verteilt, wieder. Und
wenn sich erst einmal eine größere Menge eines radioaktiven Stoffes in einer
der höheren Luftströmungen befindet, kann sie problemlos um die halbe Welt
reisen und über irgend einer Großstadt als Regen niedergehen. Ein zweites, viel
aktuelleres Problem ist das Problem von Diebstählen. Terroristische Gruppen
freuen sich natürlich, wenn sie einfach in Besitz von radioaktivem Müll kommen,
da sie diesen gut als „schmutzige“ Bombe nutzen können. Dies ist heute schon
kein großes Problem mehr und es wundert mich, dass noch keine Organisation so
eine Bombe in London oder Paris gezündet hat. Aber man muss es diesen Personen nicht
noch einfacher machen, indem man die Müllberge in diesen Gebieten noch vergrößert. Neben Terroristen stellen vor
allem Schrotthändler eine Gefahr für Atommüll dar. Wenn dieser Müll auf einer
normalen, öffentlichen Müllkippe verklappt wird, kann es schon mal passieren,
dass ein Schrotthändler die Fässer haben will und sie öffnet und den Müll
auskippt. Zwar scheint so etwas bis jetzt noch nicht mit Fässern passiert zu
sein. Dafür gab es jedoch schon mindestens zwei Unfälle mit medizinischen
Geräten, die, trotz dass sie radioaktiv strahlten, auf Müllhalden gelandet
sind. Der Unfall mit den weitreichendsten Folgen fand in der brasilianischen Stadt
Goiania statt. Ein Schrotthändler öffnete dort eine Kapsel, die bei der
Strahlentherapie verwendet wird. Schlussendlich waren viele Teile der gesamten
Stadt verstrahlt und es wurden 112.800 Personen untersucht, von denen 249
aufgrund ihrer Verstrahlung in Quarantäne gebracht wurden. Mindestens vier
Personen starben an akuter Verstrahlung und über 500 Personen leiden an den
Spätfolgen ihrer Verstrahlung. Bis heute werden in einigen Stellen der Stadt
erhöhte Strahlenwerte gemessen. Man sollte bei diesem Unfall beachten, dass es
keine hunderte Kilo von radioaktiven Material verteilt wurden, sondern
lediglich der Inhalt einer Strahlentherapie-
Einheit. Und so eine Einheit
enthält keine hunderte von Kilo, sondern lediglich einige hundert Gramm an
radioaktivem Material.
Die Vorstellung, dass man mit einigen Kilo hochradioaktivem Abfall
vermutlich ganze Städte auslöschen kann, ist beängstigend. Die Vorstellung,
diesen Abfall dann außerhalb der eigenen Kontrolle zu haben, ist jedoch
beängstigender. Und der Fakt, dass wir weiterhin lustig tonnenweise
radioaktiven Müll produzieren, ohne zu wissen, was man damit machen soll, ist
reiner Wahnsinn. Wenn man die Fakten
über das Entsorgungsproblem des radioaktiven Abfalls vernünftig durchdenkt,
wird man nicht darüber hinwegsehen können, dass wir so schnell es geht aufhören
müssen, neuen zu produzieren. Außerdem werden wir uns wahrscheinlich damit
anfreunden müssen, dass die einzig vernünftigen Endlager oberirdische Lager
sind, die streng bewacht werden. Aber da solche Ansichten unpopulär sind, wird
die Politik dieses Problem wahrscheinlich solange verschludern, bis wir
ernsthafte Probleme durch diesen Müll bekommen werden. Nur dass es dann zu spät
für irgendwelche Aktionen sein dürfte…
Billiger Atomstrom in Deutschland -
Strahlendes Wetter in Russland
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