Es sollte eine besondere Kulturreise
werden, doch dann geriet euer Flugzeug in einen schweren Sturm. Den
Flugzeugabsturz habt ihr knapp überlebt, aber es gibt verletzte unter euch. Ihr
seid auf einer Insel gelandet, die alles bietet, was man zum überleben
benötigt. Instinktiv wisst ihr, dass ihr nicht mehr von dieser Insel fliehen
könnt.
Arbeitsauftrag:
Erarbeite ein Gesellschaftsvertrag für eure Gruppe, der ein vernünftige
Verfassung darstellt und krisenfest ist.
Die meisten Schüler, die Sozialwissenschaften hatten, werden wenigstens
einmal eine Aufgabe in dieser Form bekommen haben. Meist werden die
Gesellschaftsverträge dann in Gruppenarbeit erarbeitet und man hat unter
Umständen sogar noch ein paar Hilfe, die auf die wichtigsten Probleme einer
jeden Gesellschaft hinweisen. Man fängt also an einen Gesellschaftvertrag zu
erstellen und stellt meist fest, dass es doch ein wenig schwieriger ist als
anfangs erwartet. Doch dank der guten Grundausbildung, die man als Schüler in
Sachen Sozialwissenschaften erhält, wird doch sicherlich ein annehmbarer
Vertrag am Ende dabei herauskommen. Oder etwa nicht?
Im SoWi – Unterricht sind die meisten Schüler normalerweise davon
überzeugt, dass die Demokratie das beste Herrschaftssystem ist, dass man sich
momentan denken kann. Wenn man über die Herrschaftssysteme in anderen Staaten
diskutiert werden die meisten ziemlich schnell darauf aufmerksam machen, wenn
dort die Gewaltenteilung oder andere demokratische Strukturen fehlen. Auch das
eigene System wird gerne kritisch beleuchtet und das Fehlen einer vollständigen
Gewaltenteilung in Deutschland ist ein Thema, dass auch gerne mal zu heftiger
Kritik an unserem System führt. Aus diesen Erfahrungen heraus denkt man also,
dass die Schüler in dem Kurs echte Demokraten sind und die Gesellschaftsverträge
dementsprechend auch demokratischer Natur sein werden. Wenn die Verträge dann
aber vorgestellt werden, wird man schnell feststellen, dass man sich getäuscht
hat.
I
nteressanterweise sind die Mehrzahl der Verträge echte Diktaturen, ohne Gewaltenteilung,
mit nur sehr eingeschränktem Mitspracherecht des Volkes und einem nahezu
unangreifbaren Diktator als Führer. Als Argument für diese Art der Regierung
wird meist genannt, dass doch einer führen muss, es würde schließlich auch in
unserem Staat eine Person führen. Bei diesen Antworten kann man nur inständig
hoffen, dass lediglich ein vorrübergehender Defekt im Gehirn des Gegenübers für
diesen Satz zuständig ist. Es ist natürlich noch nicht allzu lange her, dass
bei uns das „Führerprinzip“ galt und es haben vielleicht noch nicht alle
mitbekommen, dass dieses Prinzip mittlerweile durch eine Demokratie ersetzt
wurde. Dass die Entscheidungen der Bundesregierung nicht alleine von Frau
Merkel kommen, sondern dass sie im Rahmen eines ziemlich langatmigen Prozesses
entstanden sind, sollte eigentlich allgemein bekannt sein. Wozu gibt es sonst
die unzähligen Landeskammern, die Ausschüsse, Kommissionen und Expertengremien?
Eigentlich sollte man spätestens in der Oberstufe ungefähr darüber Bescheid
wissen, wie politische Entscheidungen gefällt werden. Wenn man die Personen,
die ihren Gesellschaftsvertrag diktatorisch gestaltet haben, besser kennt,
fällt einem jedoch sehr häufig auf, dass sie sehr wohl wissen, wie man auf
demokratische Art und Weise zu einer Lösung für verschiedenen Probleme kommt.
Sie wählen meist sehr bewusst einen anderen Weg, da ihnen die schwierige
Entscheidungsfindungen innerhalb einer Demokratie häufig einfach viel zu lange
dauern. Wer den Film die Welle gesehen hat, erinnert sich vielleicht noch an
die Frage, die Reinhard Wenger, ein Gymnasiallehrer und die Hauptperson des Films,
zu Beginn des Filmes seinen Schülern stellte: „Ihr seid also der Meinung, dass
die Diktatur in Deutschland nicht mehr möglich wäre?“ Die Schüler meinten alle,
dass so etwas nicht mehr möglich sei, da sie zu aufgeklärt wären. Das
darauffolgende Experiment lehrte sie in nur fünf Tage etwas anderes.
Der Film mag in einigen Bereichen etwas überzeichnet und in anderen ein
wenig unlogisch sein, aber seine Kernaussage ist vollkommen richtig. Auch in
unserem System könnte jederzeit eine Diktatur entstehen, es bräuchte nur die
richtigen Leute zur richtigen Zeit an den richtigen Stellen. Die latente
Bereitschaft, in so einem System mitzuwirken, bringt ein großer Teil der heutigen
Jugend mit. Würde eine redegewandte Person, die auch noch gut aussieht und über
ein wenig Charisma verfügt heute die Bühne der Politik betreten und
diktatorische Ideen vermitteln, würde sie nach nicht allzu langer Zeit
wahrscheinlich am Ziel ihrer Pläne sein. Diktaturen sind schließlich sehr
bequem, solange man selber Nutznießer ist. Sie arbeiten häufig effektiver und
schneller als Demokratien und sind oft auch in der Lage, einen gewissen
nationalen Stolz zu wecken. Sie bieten also eigentlich alles, was eine
attraktive Regierungsform benötigt.
Ich persönlich hoffe einfach, dass nie einer der Personen, die in dem
Planspiel eine Diktatur entworfen hat, jemals in die Politik geht und dort
Einfluss bekommt. Zwar gibt es viele Bereiche, in denen eine Demokratie einer
Diktatur unterlegen ist, aber es gibt einen Bereich, in dem die Demokratie
allein aufgrund ihrer Struktur überlegen ist: Das freie Selbstbestimmungsrecht
der Bürger! Und dieses Recht ist so wertvoll, dass man es verteidigen sollte
und dass man dafür auch die langen Diskussionen in einer Demokratie ertragen
kann. Denn ein Leben in Freiheit möchte wahrscheinlich keiner missen.
Vielleicht sollte man genau dies nochmal all den Personen ins Gedächtnis rufen,
die eine Diktatur bevorzugt haben. Hoffentlich werden sie dann aufwachen und
erkennen, dass manchmal der einfachste Weg nicht der beste ist!
Demokratie
ist die schlechteste aller Regierungsformen -
abgesehen von all den
anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind
(Winston Churchill)
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