„Sie möchte noch einmal mit dir
Sprechen“, dieser Satz trieb ihn den gesamten Weg bis zum Krankhaus um. Eine
ihrer Freundinnen kam heute in der Schule kurz auf ihn zu, sprach ihn aus und
verschwand gleich darauf wieder mit ihrer Clique in dem munteren Gewusel des
Pausenhofes. Keine Worte der Erklärung, keine Beschreibung der Situation;
nichts, was einem die Angst nahm. Schweigend stieg der die Treppen hinauf,
schlängelte sich an anderen Besuchern, medizinischem Personal oder Patienten
vorbei. In seinem Kopf herrschte vollkommene Leere; eine Leere, wie sie
wahrscheinlich sonst nur Gefangene in dem Moment vor ihrer Hinrichtung
empfinden. Stur auf den Boden guckend folgte er den langen Fluren der
Stationen, bis er vor einer Tür stehen bleiben musste. Rechts neben der Tür,
ungefähr auf Hüfthöhe war ein Schalter angebracht, den er bei seinem ersten
Besuch für einen Lichtschalter gehalten hatte. Jetzt wusste er es besser und
drücke ihn, in der Hoffnung, dass jemand sein Klingeln hörte. Eine Weile
geschah nichts und er begann auf seinen Fußsohlen zu wippen. Unfähig den Blick
zu heben beobachtete er genauestens, an welcher Stelle sein Schuh knickte; die
Stelle schien mit jedem Wippen ein wenig zu wandern. Dann hörte er schlurfende
Schritte und jemand öffnete ihm die Tür. „Guten Tag Jochanan! Willst du Fenja
wieder besuchen?“ Nun war er gezwungen aufzuschauen. Es kostete ihn einiges an
Kraft und als er diese aufgebracht hatte, starrte er in ein bekanntes Gesicht,
dass ihm heute ein wenig zu fröhlich vorkam. Ihm war nicht entgangen, dass das
„wieder“ eher wie ein „noch einmal“ klang und ärgerte sich deshalb über den gut
gelaunten Gesichtsausdruck des Mannes. Der Junge machte einen Schritt in die
Station. „Ja“. Obwohl ihm nicht nach Reden war konnte er seinen Blick nicht von
dem Gesicht des Mannes lösen. Er sah alt aus, so alt, als ob man ihm vor
zwanzig Jahren vergessen hatte zu sagen, dass er in Rente gehen kann. Die
Falten unter seinen Augen verliehen ihm ein Aussehen, dass Jochanan ein wenig
an einen Kobold erinnert. Die weißen, buschigen Augenbrauen wackelten beim
Sprechen mit, als wollten sie jedes Wort noch besonders unterstreichen. Das
schlohweiße Haar reichte gerade so aus um seinen Kopf zu bedecken und es war
abzusehen, wann er seine Haare auch mit geschicktestem Kämmen nicht mehr über
den gesamten Kopf verteilen konnte. Seine Augen standen jedoch im krassen
Gegensatz zu seinen restlichen Gesichtszügen. Sie sprangen, wie kleine Kobolde,
die ums Feuer tanzen, in ihren Höhlen umher und strahlten eine unheimliche,
jugendliche Energie aus. Doch irgendwie meinte der Junge einen ganz kleinen
Schatten in ihnen feststellen zu können, der ausschließlich ihm galt.
Vielleicht war er heute aber auch einfach übersensibilisiert. „Gleiche Zimmer?“
frage Jochanan. Der alte Man nickte fast unmerklich, wies mit seiner Hand auf
die entsprechende Tür und ging noch schweigend mit dem Jungen mit. Als dieser
die Hand auf die Türklinge legte, spürte er auf einmal die Hand des alten
Mannes auf seiner Schulter. Er drehte seinen Kopf seinen Kopf ein wenig und
schaute dem Mann direkt in die Augen. „Du kennst die Regeln. Halt dich an
sie….“ er drehte sein Gesicht weg und ließ seine Stimme fast mit den sonstigen
Geräuschen auf der Station verschmelzen , „vielleicht zum letzten Mal.“ Der
Schatten in seinen Augen schien für einen kurzen Augenblick den gesamten Glanz
der Augen zu überdecken, dann wand sich der alte Mann ab und ging pfeifend zu
einem anderen Zimmer. Jochanan fühlte eine wie ein Teil seiner Selbst vor den
letzten Worten des Mannes erzitterte; sein rationales Ich ließ sich von diesen
Worten jedoch nicht beeindrucken, es wusste es schon lange. Trotzdem zitterte
seine Hand, als er an die Tür klopfte. Wieder musste er sich zwingen, nicht auf
den Boden zu schauen. Das kurze Gespräch mit dem alten Krankenpfleger hatte ihn
stärker getroffen, als er sich eingestehen wollte. Er wartete noch einen kurzen
Augenblick, hörte keine Reaktion auf sein Klopfen, und trat einfach ein.
Jochanan machte zwei leise Schritte
in das Zimmer und zog die Tür leise hinter sich zu. Noch bevor er den Raum
überhaupt richtig wahrgenommen hatte, senke er seinen Blick schon wieder und
starrte auf das gelbe Linoleum des Bodens. „Hallo.“ Seine Stimmbänder schienen
auf einmal verrostet und seine Lungen alt und verbraucht zu sein. Trotzdem
wurde seine mehr geflüsterte als gesprochene Begrüßung gehört. „Hallo!“ Die
Stimme war sehr leise, aber dennoch schwang eine besondere Energie in ihr mit.
Eine Art von Energie, die ihn schon immer fasziniert hatte. „Was siehst du?“ Er
schwieg und probierte die Augen vom Boden zu lösen, doch das Gelb schien eine
ganz besonders anziehende Wirkung auf seine Augen zu haben. Jochanan seufzte,
schloss die Augen und richtete den Blick hinter seinen geschlossenen Liedern
geradeaus; ungefähr dahin, wo er das Bett vermutete. „ Ich sehe ein Mädchen mit
einem etwas blassen Gesicht und leicht rötlichen Wangen. Das rot ihrer Wangen
harmoniert perfekt mit dem ihrer Lippen. Ihr Mund wird von einem feinen Lächeln
umspielt, für das nur sie den Grund kennt, doch wirkt ihr Gesicht insgesamt ein
wenig traurig und nachdenklich. Die kastanienbraunen Augen wirken verträumt,
aber sie saugen jedes kleine Detail einer Person oder eines Gegenstandes auf
und analysieren es. Als Betrachter dieser Augen hat man das Gefühl in sie
hinein zu fallen…“, er machte eine kurze Pause und musste sich räuspern, „ …von
ihnen verschluckt zu werden. Der Kopf des Mädchens liegt auf einem weißen
Kissen und ihre dunkelblonden Haare liegen wie eine Korona um ihren Kopf herum.
Der Rest ihres Körpers ist unter einen weißen Decke verborgen nur ihr rechter
Arm, der auf ihrem Bauch liegt, schaut hervor.“ Er schaffte es nicht die Augen
zu öffnen und senkte nach seinen letzten Worten den Kopf wieder. Eine silbrige
Stille entstand in dem Zimmer; nur durchbrochen von einem leisen Piepen irgend
eines Gerätes. „Lügner, du hattest deine Augen doch gar nicht offen!“ Die
Stimme klang schwach und kraftlos, als
ob sie schon einen weiten Weg zurückgelegt hätte, bevor sie seine Ohren
erreichte. Trotzdem schwang in ihr ein weit entferntes Echo ihres Lachens mit,
dass dennoch lebendig und fröhlich klang. Jochanan zögerte kurz bevor er
antwortete. Wenn er jetzt anfing zu reden, würde er ihr etwas sagen, was er ihr
noch nie gesagt hatte. Aber spielte das überhaupt noch eine Rolle? Vielleicht
für eine Woche, vielleicht aber nur noch für einen Tag. Er musste jetzt
wirklich nicht mehr jede seiner Taten
kontrollieren. „ Du hast mich gefragt, was ich sehe, also nach meinem inneren Bild von dir. Dieses Bild ist vollkommen unabhängig davon
ob du da bist oder nicht…“, sein Mund war auf einmal trockener als die Sahara,
er hatte kurz die irrige Vorstellung, dass er bei jedem seiner Worte aus dem
Mund staubte. Doch er schaffte es, seinen Satz fortzusetzen „… oder ob du
gesund bist oder nicht. Diese Bild wird niemals von der Realität
beeinträchtig!“ Wieder benötigte er eine kurze Pause. „ Von daher habe ich dir
wahrheitsgemäß beantwortet.“ Er probierte irgendwie seine Augen zu öffnen, aber
seine Augenlieder schienen mit dem Rest des Gesichtes verwachsen zu sein.
„ Du bist und bleibst komisch.“ Die Betonung der Worte verriet, dass sie
mit den Augen rollte . „Dann sag mir mal, was wie die Realität aussieht.“
Jochanan schaute auf, die Augen immer noch geschlossen, und atmete tief ein.
Dann konzentrierte er sich auf das Ausatmen und riss in einem Kraftakt seine
Augen auf. Im ersten Augenblick schien er an der plötzlichen visuellen Flut zu
ertrinken, dann nahm er endlich wieder klar wahr. „Na los, erzähl es mir“,
forderte Fenja ihn auf. Jochanan setzte an und seine Stimme schien in einem
Augenblick um 70 Jahre gealtert zu sein „ Ich sehe eine junge Frau mit einem
sehr blassen, eigentlich eher elfenbleichen Gesicht. Das rötliche ihrer Wangen war fast vollständig verschwunden
und die restliche Farbe lässt ihr Gesicht fiebrig und krank aussehen. Ihr
Lippen sind schmal und spröde. Der Kopf ist von einem Kopftuch bedeckt, dass in
den Farben des Regenbogens leuchtet; von ihrer einstmals stolzen Haarpracht ist
ihr offensichtlich nichts mehr geblieben. Auch ihre Augenbrauen fehlen, die dem
Gesicht sonst einen sehr verträumten Ton gegeben haben. Die beiden Arme, die
sie über ihrem Bauch gefaltet hat, sind sehr dünn; die Haut an ihnen wirkt wie
Pergament. Ihre Hände scheinen nur noch aus Knochen zu bestehen; sie erinnern
eher an die eines Skelettes als an die eines Menschen.“ Jochanans Stimme verlor
sich in dem einsamen Piepsen irgend einer Apparatur. Er musste mehrmals kräftig
blinzeln um wieder klar sehen zu können. Fenja hatte sich inzwischen in ihrem
Bett aufgerichtet und schaute ihn ein wenig verwirrt an. Jochanan sah in ihre
Augen, musste nochmals kräftig blinzeln und räusperte sich. „ Aber ihre Augen
tragen immer noch das selbe Leuchten, die selbe Energie, das selbe Strahlen in
sich wie die des Mädchens in meinem inneren Bild.“ Fenja lächelte; es war ein
ehrliches und lebendiges Lächeln, dass im krassen Gegensatz zu ihrem
verbrauchten Körper stand. „Und auch ihr Lächeln hat sich nicht verändert. Sie
ist eben doch ein Geistwesen, dass sich nicht von ein wenig körperlichen
Verfall aufhalten lässt.“ Das Lächeln auf Fenjas Gesicht verbreiterte sich noch
ein wenig, es füllte ihr gesamtes Gesicht aus und für einen kurzen Augenblick
überstrahlte die Krankheit. Für einen kurzen Augenblick sah sie wieder aus wie
vor einem Jahr; vor zwei Jahren; vor einer Ewigkeit; in einer Ewigkeit.
Zeitfremde Schönheit!
Der Gedanke zauberte Jochanan ein Lächeln ins Gesicht. Fenja rückte in
ihrem Bett noch ein wenig weiter nach oben und wischte damit dieses Lächeln
wieder weg, verbannte diesen Gedanken aus dem Reich der Lebenden in das Reich
der Lyrik. Ihr Körper war noch eingefallener als er das auf den ersten Blick
bemerkt hatte, ihre Knochen wirkten fast wie Fremdkörper unter ihrer
papierartigen Haut. Jede ihrer Bewegungen schien ein Kraftakt zu sein, zu dem
sie nicht mehr lange im Stande zu sein schien. Fenja sah ihn wieder an und es
schien, als ob sie Jochanans Gedanken gehört hätte. „Nimm dir einen Stuhl und
setz dich. Du siehst gerade bleicher aus als ich!“ Jochanan sah sich in dem
Zimmer um, sah, dass ein Stuhl direkt neben ihrem Bett stand und setzte sich.
„Du hast meinen Zustand ziemlich treffend beschrieben“. Sie seufzte,
betrachtete ihre Handflächen, versank für einen kurzen Moment in Trance. „Aber
du hast von mir als „junge Frau“, in der dritten Person, gesprochen. Warum?“
Ein kurzer Blick auf Jochanan verriet Fenja, dass er um Worten, um Fassung
rang. „Du kannst dieses Bild von mir, diesen toten Körper nicht akzeptieren,
oder? Du konntest die Distanz und das ständige Auf und Ab akzeptieren. Aber da
wusstest du, dass ich noch physisch vorhanden bin; noch lebe. Du bist ein
Kämpfer. Diesen endgültigen Verlust kannst du nicht akzeptieren.“ Die letzen beiden Sätze waren eine
Feststellung, und Jochanan litt unter dem Bewusstsein, dass sie recht hatte. Er
sah ihr in die Augen; für einen kurzen Moment schien die Luft zu vibrieren,
dann senkte er wieder seinen Kopf. „Es hatte nicht sein sollen.“ Sie ließ diese
Worte im Raum stehen; gab keine Interpretationshilfe.
Er wusste genau, auf was sie
anspielte; er hatte keinen blassen Schimmer, wovon sie redete. Er wollte nicht
darüber nachdenken; musste darüber nachdenken.
Fenja ließ ihren Blick auf Jochanan ruhen. Er hatte sein rechtes Bein über
sein linkes geschlagen, die Arme darüber verschränkt und seinen Kopf darauf
gelegt. Zwar konnte sie sein Gesicht so nicht mehr erkennen, aber sie kannte
ihn schon zu lange, als dass er ihr verheimlichen konnte, was in ihm Vorging. Seelenverwandtschaft. Geschwister im Geiste. So hatte er das
genannt, was sie verband; was alles, was sie trennte, überwand und sie trotzdem
auf Distanz hielt. „Ich wollte dich sprechen, weil ich Angst habe. Angst vor
dieser Straße ins Nichts, auf der ich mich befinde.“ Die Worte flossen einfach
aus ihrem Mund, als ob sie in Fenjas Inneren schon lange auf ihren Auftritt gewartet
hatte. „ Ich habe Angst vor dem vergessen werden und Angst vor der ewigen
Finsternis. Außerdem hätte ich ein schlechtes Gewissen, dich, nachdem du mich
eigentlich immer begleitet hast“, Jochanan war sich der ambivalenten Bedeutung
von „immer begleitet“ durchaus bewusst; es schmerzte ihn umso mehr, als er
diese Ambivalenz auch aus ihrer Stimme hören konnte, „einfach so gehen zu
lassen.“ Jochanan hob seinen Kopf und schaute auf ihre Hände. „Ich könnte jetzt
anfangen darüber zu reden, dass du keine Angst haben musst. Dass alles wieder
gut wird. Das noch nichts verloren ist.“ Er schüttelte einmal kurz seinen Kopf.
„Wir wissen beide, dass das nicht stimmen würde.“ Fenja sah ihn interessiert
an. „Die Angst kann ich dir nicht nehmen. Aber ich kann dir ein kleines
gedankliches Licht geben, das dir deinen Weg hoffentlich etwas erleichtert.“
Jochanan setzte sich wieder gerade hin und sah knapp an Fenjas Gesicht vorbei,
schaute aus dem Fenster des Zimmers, in das angenehme Licht der Sonne. Er ließ
eine kurze Pause entstehen. „Du bist ein „Geistwesen“, ein Mensch, dessen Ideen
und Gedanken die Ausstrahlung des Körpers weit in den Hintergrund drängen.
Deine Gedanken haben das Leben von verschiedenen Menschen,“ zumindest von
einem, dachte Jochanan bitter, „verändert, verschönert. Du kannst also gar
nicht vollständig verschwinden, denn du bist zumindest in der Vergangenheit,
und sicherlich auch in der Zukunft vieler Personen verankert. Dein geistiger
Einfluss wird weiter wirken, denn für den brauchte es deinen Körper nicht.“ Es
entstand eine kleine Pause und Jochanan bemerkte, dass es Fenja zunehmend
schwerfiel sich zu konzentrieren. Vermutlich Morphium… hoch dosiert, sagte die
leise, aber bestimmte Stimme seines rationalen Ichs. Wissend, was diese
Vermutung bedeutet; wissend, dass er das nicht wissen wollte. „ Du gehst
dahin“, er zeigte aus dem Fenster in den mit Schäfchenwolken getupften Himmel,
„du gehst…“ Jochanan musste schlucken, die Worte weigerten sich aus seinem Mund
zu kommen. „Du gehst für immer. Aber dein Geist bleibt hier erhalten. Ich gehe
dorthin“ er deutete auf die Tür des Zimmers, „ und ich verlieren meinen Weg.“
Er hob hilflos die Arme und suchte den Blick von Fenja. „Ich denke, ich war
keine große Hilfe“. Fenja spielte mit einer Franse aus ihre Kopftuch. „Ich weiß
jetzt immerhin, dass es nicht an mir liegt, mit meiner Situation überfordert zu
sein. Und irgendwie beruhigt mich die Vorstellung, bleibend zu sein. Nicht
vollkommen zu verschwinden.“ Es machte ihr sichtbar Mühe zu sprechen und ihre
ganze Körperhaltung signalisierte ihr Bedürfnis nach Ruhe. Jochanan wollte sie
darauf ansprechen, aber sie wusste, was er sagen wollte und kam ihm zuvor. „
Ich bin müde, viel zu müde. Danke, dass du gekommen bist, aber ich brauche
wieder Ruhe.“ Einen kurzen Augenblick sahen sie beide am Gesicht des anderen
vorbei, dann brachte Fenja die nötige Energie für den letzten Satz auf. „ Ich
hoffe, wir sehen uns wieder…“
Jochanan glaubte, einen kleine Träne
zu sehen, die langsam ihre Wange hinunterlief. Er wand seinen Blick schnell ab.
Dann stand er von seinem Stuhl auf und kniete sich neben das Bett. Den verwunderten
Ausdruck auf Fenjas Gesicht ignorierend, nahm er vorsichtig ihre rechte Hand,
senke seinen Kopf und berührte vorsichtig mit seinen Lippen die pergamentartige
Haut. Dann legte er ihre Hand wieder auf das Bett, verharrte noch einen kurzen
Moment kniend und stand auf. Als er das große Fragezeichen in Fenjas Gesicht
sah, musste er unwillkürlich grinsen. „ So hat man sich früher von schönen
adligen Damen verabschiedet!“ Für einen kurzen Augenblick verschwand die
Krankheit völlig aus Fenjas Gesicht und ihr Grinsen hatte den selben Glanz wie
vor einer gefühlten Ewigkeit. „Du bist und bleibst ein Spinner. Bitte bleib
so!“ Der Moment verging und das Gesicht verwandelte sich wieder in eine
Totenmaske, aber das Lächeln auf ihrem Mund blieb. Jochanan ging zur Tür und
schaute noch einmal zurück. Fenjas Kopf lag wieder auf dem Kissen, sie starrte
an die Decke des Zimmers. Du wirst immer
leben, immer leben, immer leben, riefen die Stimmen in seinem Kopf. Die
Türklinke schien auf einmal verrostet zu sein und als sie dann endlich unter
seinem Druck nachgab, versagten ihm seine Beine den Dienst. Er stolperte durch
die Tür auf den Flur und sackte an der Wand zu Boden. „Frühestens wenn mein EEG
eine Nulllinie zeigt, wirst du, wird dein Name, dein Charakter in Vergessenheit
geraten.“ Dann raffte sich Jochanan wieder auf und stolperte den Flur entlang,
die ganze Zeit etwas vor sich hin flüsternd. Nur wer genau hinhörte, verstand
seine Worte. „Ich wollte, ich könnte tauschen.“
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