Noch nie in der Geschichte der Menschheit war es einfacher, auf
wissenschaftliche Arbeiten zuzugreifen, als heute. Populärwissenschaftliche
Bücher werden heutzutage am laufenden Meter veröffentlicht, sehr viele
wissenschaftliche Arbeiten kann man kostenlos im Netz lesen und auch im
Fernsehen lässt sich ab und an mal eine gute populärwissenschaftliche Sendung
finden. Eigentlich herrschen also ideale Bedingungen für eine Gesellschaft, in
der nur eine verschwindend kleine Minderheit noch der Esoterik verfallen ist. Aber
dies ist offensichtlich nicht der Fall.
Laut einer am 16. Juli 2011 ausgestrahlten Sendung im Deutschlandfunk
glauben „52 % aller Deutschen, dass sogenannte „ganzheitliche“ Heilverfahren
wie Reiki oder Bach-Blüten ernstzunehmende Alternativen zur Schulmedizin
darstellten“. In einer Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2005 gaben 48 % der befragten
an daran zu glauben, dass ihr körperliches und geistiges Wohl vom Stand der Sterne
und des Mondes abhängt. Knapp gesagt glaubt also ungefähr jeder zweite Deutsche
an das eine oder andere esoterische Verfahren. Wie kann es sein, dass in einem Land, in dem sich man ohne weiteres
wissenschaftlich informieren kann, gut die Hälfte der Bevölkerung der
Pseudowissenschaft den Vorzug gibt? Ein Teil der Antwort dürfte wahrscheinlich
schon mit dem Namen Pseudo-„Wissenschaft“ gegeben sein. Eine nicht allzu kleine
Anzahl an Personen wird nicht dazu in der Lage dazu sein, ein „echtes“
populärwissenschaftliches Buch von einem „falschen“ pseudowissenschaftlichen
Buch zu unterscheiden. Dies gilt vor allem dann, wenn beide Arten von Büchern
in einer Bücherei oder Bibliothek nebeneinander im Regal stehen. So kann es
einem passieren, dass man neben einem Buch über die Quantenphysik auf einmal
ein Buch Namens „Quantum Healing – Die heilende Kraft“ von Deepak Chopra
findet. Hat man von der gesamten Materie keine Ahnung, dann kann es einem
relativ leicht passieren, dass man versehentlich an das glaubt, was Chopra in
seinem Buch schreibt. Diese Personen, die „Opfer“ einer solchen Verwechslung
werden, sollten sich jedoch im Regelfall ziemlich schnell davon überzeugen
lassen, dass ihre Informationen leider von einem Hochstapler stammen, der den
Begriff „Quant“ nur benutzt um gebildet zu klingen. Diese Personen werden
spätestens dann einsehen, dass sie einen Fehler gemacht haben, wenn sie ein „richtiges“
Buch über das Thema gelesen haben. Ein viel größeres „Problem“ stellen aber die
Personen dar, die sich bewusst für die esoterischen Bücher entschieden haben.
Wer das Glück hat, eine Person in der Familie zu haben, die sich mit Homöopathie,
Akupunktur, Heilsteinen oder ähnlichen Themen auseinandersetzt, wird
wahrscheinlich schon die Erfahrung gemacht haben, dass man mit ihr über diese
Themen nur eingeschränkt sprechen kann. Solange diese Person ein
Familienmitglied ist, sollte man sich mit ihr über diese Themen auch streiten
können, ohne dass man sich nachher nicht mehr in die Augen sehen kann. Kommt es
aber zu einer Diskussion mit einer Person, zu der man eine weniger enge
Beziehung hat, kann das ganz leicht anders aussehen. Bei vielen Esoterikern ist
es sehr auffallend, wie kompromisslos sie ihr esoterisches Verfahren
verteidigen. Zur Verteidigung ihres Glaubens werden wissenschaftliche Arbeiten
zitiert, es wird auf persönliche Erfahrung und schlussendlich häufig auch auf
Lebenserfahrung verwiesen. Außerdem würde sich die „Mainstream-Wissenschaft“ ja
häufig genug irren und erst viel später ihren Irrtum erkennen. Ich finde, dass man es durchaus positiv
bewerten sollte, dass diese Personen sich bemühen ihre Verfahren
wissenschaftlich zu legitimieren. Das bedeutet, dass sie ihnen, zumindest im
Groben, die wissenschaftliche Arbeitsweise bewusst ist. Es stimmt einen jedoch
traurig, wenn man sieht, was sie mit den Arbeiten machen, die sie zitieren. Ein
Fehler, der gerne gemacht wird ist einfach mangelndes Verständnis für die
Informationen des Textes, den sie zitieren.
Sehr beliebt sind im Moment Bücher über „Quantenheilung“ „Quantenverständigung“
oder ähnliche Themen. Die, zum Teil sehr abstrusen, Thesen, die in diesen
Büchern aufgestellt und vertreten werden, werden gerne über das nicht-klassische
Verhalten (ein anderes Verhalten, als sie nach der klassischen Physik, grob
gesagt nach Newton, eigentlich an den Tag legen sollten) der Quanten begründet. Dabei wird eigentlich
immer Vergessen, dass das Verhalten der Quanten in der Quantenmechanik für
unser Leben eigentlich belanglos ist, da wir die Welt, die wir tagtäglich
beobachten, sehr gut mit den klassischen Gesetzen beschreiben können. Die „Entdeckung“
der Quanten ändert nichts daran, dass wir so leben wie wir leben; entweder,
unsere Vorfahren konnten die „Quanteneigenschaften“ auch schon nutzen oder sie
konnten es nicht, dann könnten wir es aber auch nicht. Diese Art der „Beweisführung“
für ein esoterisches Verfahren halte ich zwar auch für unangemessen, aber, da
sie aufgrund einer Wissenslücke des Autors entstanden ist, für verzeihbar. Zwar
werden die allermeisten esoterischen Autoren und ihre Anhänger ihre Lehre auch
dann noch verteidigen, wenn man ihnen aufzeigt, dass sie eine wissenschaftliche
Arbeit einfach falsch verstanden haben, aber immerhin haben sie nicht mit
Vorsatz getäuscht. Und diese zweite Art von Täuschung ist nicht nur
unverzeihbar, sondern sollte eigentlich sogar noch strafrechtlich verfolgbar
sein. Ein sehr gutes Beispiel für dieses mutwillige Belügen seiner Leser-, und
Anhängerschaft ist, neben Deepak Chopra, Masaru Emoto.
Emoto behauptet, dass Wasser
Informationen, die beispielsweise durch Musik oder den Klang einer Stimme vermittelt
wurden, speichern kann. Diese Speicherung soll in „Clustern“ passieren, die das
Wasser bildet. Außerdem sollen die Eiskristalle des gerade gefrierenden Wassers
immer dann besonders schön aussehen, wenn es mit positive Emotionen, wie
Beispielweise „Liebe“ speichern soll. Dafür wird das Wasser mit dem Wort „Liebe“
besprochen und danach gefroren. Dann werden die Eiskristalle nach
ästhetisch-morphologischen Gesichtspunkten untersucht. Wie man sieht, ist der
eine Haken an der Sache sehr offensichtlich. Eine Untersuchung nach
ästhetischen Gesichtspunkten ist vielleicht in der Kunst angebracht, aber
niemals in der Wissenschaft. Das zweite Problem an Emotos Idee sind die „Wassercluster“.
Zwar gibt es diese Gebilde, die durch eine Verkettung mehrerer Wassermoleküle
durch Wasserstoffbrückenbindungen entstehen, aber sie haben nur eine enorm
kurze Lebensdauer. Informationen können dort maximal für einen sehr kurzen Zeitraum
gespeichert werden. Außerdem gab es ein Angebot von einer Million Dollar, wenn
er seine Ergebnisse in einem Doppelblindversuch wiederholen kann. Das dieses
Angebot 2003 abgegeben wurde und Emoto bis heute darauf nicht eingegangen ist,
sollte Bände sprechen. Noch Eindeutiger sind aber seine letzen Äußerungen zu
seinen Wasser-„Forschungen“. Er bezeichnet seine Bilder nun als Kunst und
erhebt anscheinend keinen wissenschaftlichen Anspruch mehr. Seiner Beliebtheit
in seiner Fangemeinde tut das aber keinen Abbruch; er wird von vielen immer
noch als ein „Guru“ verehrt. An diesem Beispiel zeigt sich, wie einfach jemand
zum Zwecke der persönlichen Bereicherung mit pseudowissenschaftlichen Ideen um
sich werfen kann, und dabei sogar noch Anhänger sammelt. Dass es in unserer
heutigen Wissensgesellschaft noch zu so etwas kommen kann ist in meinen Augen
sehr schade und sollte nach Möglichkeit verhindert werden. Aber wie kann man den Esoterikeranteil der Bevölkerung senken?
Am wichtigsten ist wahrscheinlich, dass die Schulen von Anfang an darauf
achten, dass schon im Unterricht solche Themen kurz besprochen und erklärt
werden, damit schon die Kinder ungefähr wissen, was wissenschaftlich fundiert
ist und was nicht. Ein zweiter, wahrscheinlich viel bedeutender Punkt ist die
Stellung der Wissenschaft in der Gesellschaft. Man redet sehr viel über die
Wissenschaft, aber nur sehr selten mit ihr. Seriöse Forscher müssten deutlich
häufiger als Momentan öffentlich zu Wort kommen und es sollte eine
wissenschaftliche Untersuchung der verschiedensten Esoterik-Richtungen
stattfinden. Außerdem würde es wahrscheinlich eine Menge an „Geisterheilern“
und ähnlichen Scharlatanen von ihrer Arbeit abhalten, wenn sie für eventuelle
Schäden verantwortlich gemacht werden könnten. Wenn eine wissenschaftliche
Denkweise in der Mehrheit der Bevölkerung angekommen ist, wird dies mit großer
Wahrscheinlichkeit auch erheblich zu einer Steigerung des Lebensstandards
beitragen.
„Was ohne Beweise behauptet werden kann, kann ohne Beweise verworfen werden.“
(Christopher Hitchens)
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