Freitag, 14. Dezember 2012

Esoterik in der Gesellschaft



Noch nie in der Geschichte der Menschheit war es einfacher, auf wissenschaftliche Arbeiten zuzugreifen, als heute. Populärwissenschaftliche Bücher werden heutzutage am laufenden Meter veröffentlicht, sehr viele wissenschaftliche Arbeiten kann man kostenlos im Netz lesen und auch im Fernsehen lässt sich ab und an mal eine gute populärwissenschaftliche Sendung finden. Eigentlich herrschen also ideale Bedingungen für eine Gesellschaft, in der nur eine verschwindend kleine Minderheit noch der Esoterik verfallen ist. Aber dies ist offensichtlich nicht der Fall.

Laut einer am 16. Juli 2011 ausgestrahlten Sendung im Deutschlandfunk glauben „52 % aller Deutschen, dass sogenannte „ganzheitliche“ Heilverfahren wie Reiki oder Bach-Blüten ernstzunehmende Alternativen zur Schulmedizin darstellten“. In einer Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2005 gaben 48 % der befragten an daran zu glauben, dass ihr körperliches und geistiges Wohl vom Stand der Sterne und des Mondes abhängt. Knapp gesagt glaubt also ungefähr jeder zweite Deutsche an das eine oder andere esoterische Verfahren. Wie kann es sein, dass in einem Land, in dem sich man ohne weiteres wissenschaftlich informieren kann, gut die Hälfte der Bevölkerung der Pseudowissenschaft den Vorzug gibt? Ein Teil der Antwort dürfte wahrscheinlich schon mit dem Namen Pseudo-„Wissenschaft“ gegeben sein. Eine nicht allzu kleine Anzahl an Personen wird nicht dazu in der Lage dazu sein, ein „echtes“ populärwissenschaftliches Buch von einem „falschen“ pseudowissenschaftlichen Buch zu unterscheiden. Dies gilt vor allem dann, wenn beide Arten von Büchern in einer Bücherei oder Bibliothek nebeneinander im Regal stehen. So kann es einem passieren, dass man neben einem Buch über die Quantenphysik auf einmal ein Buch Namens „Quantum Healing – Die heilende Kraft“ von Deepak Chopra findet. Hat man von der gesamten Materie keine Ahnung, dann kann es einem relativ leicht passieren, dass man versehentlich an das glaubt, was Chopra in seinem Buch schreibt. Diese Personen, die „Opfer“ einer solchen Verwechslung werden, sollten sich jedoch im Regelfall ziemlich schnell davon überzeugen lassen, dass ihre Informationen leider von einem Hochstapler stammen, der den Begriff „Quant“ nur benutzt um gebildet zu klingen. Diese Personen werden spätestens dann einsehen, dass sie einen Fehler gemacht haben, wenn sie ein „richtiges“ Buch über das Thema gelesen haben. Ein viel größeres „Problem“ stellen aber die Personen dar, die sich bewusst für die esoterischen Bücher entschieden haben.

Wer das Glück hat, eine Person in der Familie zu haben, die sich mit Homöopathie, Akupunktur, Heilsteinen oder ähnlichen Themen auseinandersetzt, wird wahrscheinlich schon die Erfahrung gemacht haben, dass man mit ihr über diese Themen nur eingeschränkt sprechen kann. Solange diese Person ein Familienmitglied ist, sollte man sich mit ihr über diese Themen auch streiten können, ohne dass man sich nachher nicht mehr in die Augen sehen kann. Kommt es aber zu einer Diskussion mit einer Person, zu der man eine weniger enge Beziehung hat, kann das ganz leicht anders aussehen. Bei vielen Esoterikern ist es sehr auffallend, wie kompromisslos sie ihr esoterisches Verfahren verteidigen. Zur Verteidigung ihres Glaubens werden wissenschaftliche Arbeiten zitiert, es wird auf persönliche Erfahrung und schlussendlich häufig auch auf Lebenserfahrung verwiesen. Außerdem würde sich die „Mainstream-Wissenschaft“ ja häufig genug irren und erst viel später ihren Irrtum erkennen.  Ich finde, dass man es durchaus positiv bewerten sollte, dass diese Personen sich bemühen ihre Verfahren wissenschaftlich zu legitimieren. Das bedeutet, dass sie ihnen, zumindest im Groben, die wissenschaftliche Arbeitsweise bewusst ist. Es stimmt einen jedoch traurig, wenn man sieht, was sie mit den Arbeiten machen, die sie zitieren. Ein Fehler, der gerne gemacht wird ist einfach mangelndes Verständnis für die Informationen des Textes, den sie zitieren.

Sehr beliebt sind im Moment Bücher über „Quantenheilung“ „Quantenverständigung“ oder ähnliche Themen. Die, zum Teil sehr abstrusen, Thesen, die in diesen Büchern aufgestellt und vertreten werden, werden gerne über das nicht-klassische Verhalten (ein anderes Verhalten, als sie nach der klassischen Physik, grob gesagt nach Newton, eigentlich an den Tag legen sollten)  der Quanten begründet. Dabei wird eigentlich immer Vergessen, dass das Verhalten der Quanten in der Quantenmechanik für unser Leben eigentlich belanglos ist, da wir die Welt, die wir tagtäglich beobachten, sehr gut mit den klassischen Gesetzen beschreiben können. Die „Entdeckung“ der Quanten ändert nichts daran, dass wir so leben wie wir leben; entweder, unsere Vorfahren konnten die „Quanteneigenschaften“ auch schon nutzen oder sie konnten es nicht, dann könnten wir es aber auch nicht. Diese Art der „Beweisführung“ für ein esoterisches Verfahren halte ich zwar auch für unangemessen, aber, da sie aufgrund einer Wissenslücke des Autors entstanden ist, für verzeihbar. Zwar werden die allermeisten esoterischen Autoren und ihre Anhänger ihre Lehre auch dann noch verteidigen, wenn man ihnen aufzeigt, dass sie eine wissenschaftliche Arbeit einfach falsch verstanden haben, aber immerhin haben sie nicht mit Vorsatz getäuscht. Und diese zweite Art von Täuschung ist nicht nur unverzeihbar, sondern sollte eigentlich sogar noch strafrechtlich verfolgbar sein. Ein sehr gutes Beispiel für dieses mutwillige Belügen seiner Leser-, und Anhängerschaft ist, neben Deepak Chopra, Masaru Emoto.

Emoto behauptet, dass Wasser Informationen, die beispielsweise durch Musik oder den Klang einer Stimme vermittelt wurden, speichern kann. Diese Speicherung soll in „Clustern“ passieren, die das Wasser bildet. Außerdem sollen die Eiskristalle des gerade gefrierenden Wassers immer dann besonders schön aussehen, wenn es mit positive Emotionen, wie Beispielweise „Liebe“ speichern soll. Dafür wird das Wasser mit dem Wort „Liebe“ besprochen und danach gefroren. Dann werden die Eiskristalle nach ästhetisch-morphologischen Gesichtspunkten untersucht. Wie man sieht, ist der eine Haken an der Sache sehr offensichtlich. Eine Untersuchung nach ästhetischen Gesichtspunkten ist vielleicht in der Kunst angebracht, aber niemals in der Wissenschaft. Das zweite Problem an Emotos Idee sind die „Wassercluster“. Zwar gibt es diese Gebilde, die durch eine Verkettung mehrerer Wassermoleküle durch Wasserstoffbrückenbindungen entstehen, aber sie haben nur eine enorm kurze Lebensdauer. Informationen können dort maximal für einen sehr kurzen Zeitraum gespeichert werden. Außerdem gab es ein Angebot von einer Million Dollar, wenn er seine Ergebnisse in einem Doppelblindversuch wiederholen kann. Das dieses Angebot 2003 abgegeben wurde und Emoto bis heute darauf nicht eingegangen ist, sollte Bände sprechen. Noch Eindeutiger sind aber seine letzen Äußerungen zu seinen Wasser-„Forschungen“. Er bezeichnet seine Bilder nun als Kunst und erhebt anscheinend keinen wissenschaftlichen Anspruch mehr. Seiner Beliebtheit in seiner Fangemeinde tut das aber keinen Abbruch; er wird von vielen immer noch als ein „Guru“ verehrt. An diesem Beispiel zeigt sich, wie einfach jemand zum Zwecke der persönlichen Bereicherung mit pseudowissenschaftlichen Ideen um sich werfen kann, und dabei sogar noch Anhänger sammelt. Dass es in unserer heutigen Wissensgesellschaft noch zu so etwas kommen kann ist in meinen Augen sehr schade und sollte nach Möglichkeit verhindert werden. Aber wie kann man den Esoterikeranteil der Bevölkerung senken?

Am wichtigsten ist wahrscheinlich, dass die Schulen von Anfang an darauf achten, dass schon im Unterricht solche Themen kurz besprochen und erklärt werden, damit schon die Kinder ungefähr wissen, was wissenschaftlich fundiert ist und was nicht. Ein zweiter, wahrscheinlich viel bedeutender Punkt ist die Stellung der Wissenschaft in der Gesellschaft. Man redet sehr viel über die Wissenschaft, aber nur sehr selten mit ihr. Seriöse Forscher müssten deutlich häufiger als Momentan öffentlich zu Wort kommen und es sollte eine wissenschaftliche Untersuchung der verschiedensten Esoterik-Richtungen stattfinden. Außerdem würde es wahrscheinlich eine Menge an „Geisterheilern“ und ähnlichen Scharlatanen von ihrer Arbeit abhalten, wenn sie für eventuelle Schäden verantwortlich gemacht werden könnten. Wenn eine wissenschaftliche Denkweise in der Mehrheit der Bevölkerung angekommen ist, wird dies mit großer Wahrscheinlichkeit auch erheblich zu einer Steigerung des Lebensstandards beitragen. 

„Was ohne Beweise behauptet werden kann, kann ohne Beweise verworfen werden.“
(Christopher Hitchens)

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