Montag, 7. Mai 2012

Wissenschaft - Neugierde als Antrieb


„Wissenschaft“ ist ein Begriff, der gerne Verwendet wird, ohne, dass man wirklich weiß, was sich hinter ihm verbirgt. Fragt man nämlich jemanden, wie der Arbeitsalltag eines „Forschers“ aussieht, was „wissenschaftliches Arbeiten“ eigentlich ist, oder wie wissenschaftliche Texte publiziert und überprüft werden, wird man maximal eine ausweichende oder ungefähre Antwort erhalten. Und trotzdem verlassen sich viele Personen auf eine Information, die von einem „Wissenschaftler“ kommt. „Wissenschaft“ scheint also gleichbedeutend mit „Wahr“ zu sein.

Was genau ist Wissenschaft nun? Man kann diese Frage nicht bis ins Detail genau beantworten, weil die Anzahl der Fachrichtungen ähnlich unzählbar ist, wie die Anzahl der Arten der einzelligen Eukaryoten-Arten, aber man kann eine generelle Aussage darüber Treffen, was Wissenschaft ausmacht: „Wissenschaft“ ist eine besondere Geisteshaltung! Die allermeisten Wissenschaftler verfügen über eine ausgeprägte Neugierde, den Drang, diese Neugierde zu stillen und den Willen, sich von Nichts und Niemanden von ihrem Ziel abhalten zu lassen. Wenn diese Geisteshaltung noch auf eine gute Ausbildung, eine ordentliche technische Ausstattung und genügende finanzielle Mittel  trifft, dann wird aus Neugierde Information und aus Interesse die Grundlage für, möglicherweise bedeutende, Entdeckungen.  Das Idealbild eines Wissenschaftlers ist allerdings ein Bild, das in der Realität leider so gut wie anzutreffen ist. Nicht, dass die meisten Wissenschaftler unmotiviert sind, sondern eher, dass sie lange nicht die Geräte und Methoden haben, die sie eigentlich benötigen würden, um ihre Fragestellung richtig zu beantworten. Auch in anderen Bereichen ist nicht alles so rosig, wie man es sich als Außenstehender vielleicht denken könnte.
 Es gibt ein Ideal, das von vielen Wissenschaftlern immer wieder gelobt und gefordert wird: Den vollkommen freien Informationsaustausch Intra-, wie Interdisziplinär. Theoretisch sollten alle Daten zu allen Experimenten so publiziert werden, dass man sie problemlos wiederholen und reproduzieren kann. Außerdem sollten keine wichtigen oder interessanten Daten zurückgehalten werden. Natürlich findet dieser Informationsaustausch auch statt, aber es ist häufig so, dass gerade die stärksten Verfechter dieser Informationsfreiheit auf einmal einen Rückzieher machen, wenn es um die eigenen Arbeit geht. Für dieses Verhalten gibt es einen einfachen Grund, der vor allem Biologen, aber auch Physiker, Chemiker und eigentlich alle anderen Fachrichtungen betrifft. Solange ein Wissenschaftler an einem Thema arbeitet, darf er all die Informationen, die er schon gesammelt hat, für sich behalten. Sobald er aber über seine Forschung publiziert, muss er zu sämtliche Experimenten eine detaillierte Versuchsbeschreibung liefern und die verwendeten Gerätschaften mit ihren Funktionsweise angeben. Falls er Zellkulturen verwendet hat, muss er auch diese öffentlich machen und anderen interessierten Wissenschaftlern Proben überlassen, damit sie die kultivieren können. Dies wäre alles nicht wirklich schlimm, wenn nicht zwei Dinge dazukommen würde, die es unangenehm machen, diese Informationen herauszugeben.

Das eine ist ein Problem der menschlichen Natur und ist gerade deswegen gleichzeitig eigentlich vollkommen nichtig und doch extrem wichtig. Das Problem heißt „Neid“. Im Prinzip ist es bei vielen Wissenschaftlern wie bei Kleinkindern; sie wollen immer mit den größten, besten oder schönsten Sachen spielen und diese nicht abgeben. Es ist auch fast schon nachvollziehbar, wenn jemand über Jahre eine große Sammlung an Zellkulturen axenisch, also steril, gemacht hat und sie quasi als Freunde betrachtet, diese auf einmal mit anderen Personen teilen muss, die nichts dafür getan haben. Das ist ungefähr so, als ob man sein Haustier auf einmal mit wildfremden Menschen teilen muss. Oder andere Wissenschaftler, die in monatelanger oder sogar jahrelanger Arbeit endlich ein Experiment zum funktionieren bekommen haben, und andere dann dieses Experiment nach lesen des Protokolls im Laufe eines Tages einfach durchführen können. Es ist nachvollziehbar, dass man diese Informationen erst sehr spät mit anderen Personen teilen möchte und deshalb die Publikation so weit wie möglich heraus zögert. Das trotzdem sehr fleißig und viel Publiziert wird, liegt ironischerweise an dem anderen Faktor, der den Informationsaustausch eigentlich hemmt. Die „Währung“ der Wissenschaft sind Publikationen in Fachzeitschriften. Je mehr Publikationen man hat und je hochwertiger die Fachzeitschrift ist, desto „reicher“ und höher angesehen ist man als Wissenschaftler. Wer also seinen Namen regelmäßig in der „Nature“ liest, ist wahrscheinlich sehr hoch angesehen und geachtet. Es ist also auch im Sinne jedes Wissenschaftlers zu publizieren. Da aber jedes Thema nur genau ein Mal publiziert wird, sind Wissenschaftler meist sehr verschlossen, was ihr aktuelles Forschungsprojekt betrifft. Falls nämlich irgend Jemand anders sich zufällig für genau das gleiche Thema interessiert, und dies ist durchaus nicht selten, könnte diese Person davon Wind bekommen und ihre Arbeit einfach eher publizieren. Dies würde dann für einen selber bedeuten, dass man die gesamte Arbeit im Prinzip umsonst gemacht hat, da man seine Arbeit nun nicht mehr publizieren kann. Es findet also immer eine Abwägung zwischen dem Zeitpunkt der Publikation und den Forschungen, die man noch machen möchte, statt. Wenn andere Wissenschaftler nämlich diese Publikation lesen und in ihr eine interessante Fragestellung finden, die man selber eigentlich beantworten möchte, und diese dann selber beantworten, hat man dieses Thema leider verloren. Doch trotz all dieser Beschränkungen, die sich die Wissenschaftler deshalb selber auferlegen, ist die Menge an Informationen, die frei verfügbar ist, noch unüberschaubar groß!

Das diese riesige Menge an Informationen auch immer frei und möglichst kostenlos oder kostengünstig verfügbar bleibt, ist vor allem der Neugierde, dem Forschergeist der Wissenschaftler zu verdanken. Wenn sie ein Thema interessant finden, dann müssen sie erst einmal anfangen, sich darin einzulesen. Schon allein dafür benötigen sie die Publikationen anderer Wissenschaftler. Haben sie dann erst einmal Feuer gefangen für ein besonderen Aspekt dieses Themas, dann muss die Fachliteratur solange bemüht werden, bis wirklich sicher ist, dass sich noch niemand Gedanken darüber gemacht hat und das Thema somit „erforschungswürdig“ ist. Ohne Zugriff auf nahezu sämtlichen bekannten Publikationen wäre Wissenschaft also kaum möglich. Gleichzeitig wollen viele Wissenschaftler natürlich auch, dass ihre Informationen einem breiten Publikum vorgestellt werden, weil eine Arbeit schließlich nur dann wertvoll ist, wenn sie möglichst viele anderen Personen anspricht. Diese freie Verfügbarkeit von Informationen ist schließlich auch eine der treibenden Kräfte hinter dem Fortschritt unserer Zivilisation. Viele Erfindungen, die aus unserem leben heute nicht mehr wegzudenken sind, aber häufig noch nicht einmal großartig auffallen, wurden von Firmen entwickelt, die sich der Grundlagenforschung von verschiedenen Wissenschaftlern bedienten. Dieser Typ von Forschung, der sehr häufig von vielen Menschen als „unnötig“ bezeichnet wird, ist einer der wichtigsten wissenschaftlichen Forschungstypen. Ohne Grundlagenforschung wäre das Haber-Bosch-Verfahren niemals für die Industrie interessant geworden, wäre moderne Radiomedizin nicht denkbar, würden enzymatische Waschmittel in den Haushalten fehlen, die allermeisten Medikamente nicht vorhanden… . Trotzdem hat Grundlagenforschung bei vielen Menschen einen eher schlechten Ruf, da es meist keine direkten Anwendungsmöglichkeiten für sie gibt. Häufig heißt es dann, dass die Gelder woanders besser aufgehoben wären, oder es wird die Frage gestellt, ob es denn überhaupt notwendig ist, dieses Thema zu erforschen. Es ist den Wissenschaftlern sehr zugute zu halten, dass sie sich in den allermeisten Fällen nicht von so etwas beeindrucken lassen, sondern sich ihrem Interesse widmen und ihre Ziele verfolgen.

Die Forschung selber ist ein unglaubliches spannendes und freies Aufgabenfeld. Wenn man als Student und später dann auch als Doktorand an einer Universität in eine Arbeitsgruppe arbeiten kann, die nicht auf die Einwerbung von drittmitteln angewiesen ist, dann steht einem die wahrscheinlich interessanteste Arbeitswelt offen, die man sich vorstellen kann. Wenn man ein Thema gefunden hat und anfängt, eine bestimmte Fragestellung zu erforschen, ist man sein eigener Herr und völlig ohne irgendwelche Verpflichtungen, Vorgaben oder Zwängen. Natürlich muss man in den meisten Fällen Aufgaben als technischer Angestellter oder ähnliches Wahrnehmen, zumindest solange man noch nicht als Doktor oder Professor angestellt ist, aber man hat viel Zeit, seiner Frage nachzugehen.  Wenn sich dann zeigt, dass man gut ist und sein Thema sinnvoll erforscht, kann man häufig auch mit anderen Universitäten kooperieren und kommt damit auch an Geräte, die man eventuell benötigt, aber die das eigene Institut nicht hat. Auch ist man in der Arbeitsgruppe meist von gleichgesinnten umgeben und falls der jeweilige Professor Wert auf ein gutes Arbeitsklima legt, wird sich im Institut wahrscheinlich wie zu Hause fühlen. Und dieses Gefühl trägt maßgeblich dazu bei, dass nicht nur gute Forschung betrieben wird, sondern die Lichter des Institutes bis spät in die Nacht, an Wochenenden und an Feiertagen brennen. Dies ist das Kapital unserer Gesellschaft und dieses Kapital kann und darf niemals vernachlässigt werden!

Und das ist eine Wissenschaft, 
die vielfältiges Wissen schafft 
Wise Guys

2 Kommentare:

  1. RE: Klassiker sind super. King ist allerdings nicht so mein Fall, bzw. ich habe nur "PULS" gelesen (ich mochte!). Robothem kenne ich nicht.
    Klassiker des 20. Jahrhunderts sind gut.

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  2. Auf die Idee, dass deine Texte mich je wirklich zum Lachen bringen würde, wäre ich nicht gekommen. Für gewöhnlich sind sie recht sachlich und witzarm. Als jedoch die Formulierung kam, Wissenschaftler würden Zellkulturen quasi als Freunde betrachten, kam mir sofort das Bild eines Kittelträgers in den Sinn, der innig mit ein paar Eppis voller Zellkulturen knuddelt. xD

    Konkurrenz belebt das Geschäft und auch Darwin hätte seine Theorie vielleicht nie veröffentlicht, wenn er nicht mitbekommen hätte, dass ein anderer Wissenschaftler dabei war, ähnliches wie er selbst zu erarbeiten, doch ich empfinde die Heimlichtuerei und den ewigen Wettbewerb auch als entwicklungsbremsend. Würde es nicht viel effektiver sei, wenn die Wissenschaftler miteinander statt gegeneinander agieren würden? Aber nein, ICH will mit MEINEM Artikel in der Nature zitiert werden, ICH will dieses Stipendium und jenen Preis bekommen. Für mich ist es Ehrgeiz an falscher Stelle. Grundlagenforschung wird in ihrer Wichtigkeit unterschätzt, doch man hält es auch schneller für ewiges Pipettieren und Spielen im Labor, wenn alles derart im Geheimen stattfindet.

    Aber würdest du dein großes Projekt denn vor Veröffentlichung teilen wollen? Genau, ein anderer könnte damit Ruf und Geld machen. Also schön darüber schweigen und die möglicherweise einem anderen fehlende Komponente nicht ergänzen.
    Menschen sind unglaublich egoistisch.

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