Das Leben in einem freiheitlichen, demokratischen Staat bringt eine Menge
an Erleichterungen und Annehmlichkeiten, die einem häufig noch nicht einmal
direkt auffallen. Zu nennen wäre das Versammlungsrecht, Meinungsfreiheit,
Religionsfreiheit, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Recht zu
demonstrieren. Demonstrationen sind ein sehr wichtiger Bestandteil einer jeden
Demokratie, weil auf ihnen eine bestimmte Gruppe ihre Meinung so deutlich
artikulieren kann, dass sie auch von den Politikern wahrgenommen wird. Dadurch
kann sie kann hervorragend auf bestimmte Missstände aufmerksam machen oder sie
kann sich über einen Politiker beschweren. Demonstrationen sind wahrscheinlich
auch die einzige Möglichkeit für eine nicht politisch organisierte Gruppe, um
eine große mediale Aufmerksamkeit zu bekommen. Das wichtigste an
Demonstrationen ist aber, dass sie zur Meinungsbildung im Volk beitragen und
einen direkten Einfluss auf die Politik ausüben wollen. Sie sind in gewisser
Weise also eine Form der direkten Demokratie. Man sollte also davon ausgehen,
dass in jedem demokratischen Staat Demonstrationen erlaubt sind. In Spanien sieht man dies im Moment
anscheinend jedoch etwas anders.
Wer 2013 in Spanien an einer Demonstration teilnimmt, kann mit einer Mindesthaftstrafe
von zwei Jahren rechnen. Dazu kommt es, weil ab dann der Straftatbestand des
Vandalismus mit dem des Terrorismus gleichgestellt wird. Natürlich kann man
hier direkt den Einwand erheben, dass Vandalismus schließlich nichts mit einer
friedlichen Demonstration zu tun hat, aber die spanische Regierung hat noch ein
paar andere Ideen auf Lager. Und abgesehen von diesen Ideen wird man auch noch
sehen, wie „Vandalismus“ und „Terrorismus“
ausgelegt wird. Die Gesetzesnovelle sieht außerdem vor, dass man als Mitglied
einer kriminellen Organisation mit Haftstrafen von über zwei Jahren belangt
werden kann. Dieses Strafmaß wäre vollkommen verständlich, wenn damit
Schmugglerbanden oder Drogenkartelle gemeint wären. Mitglied einer kriminellen Organisation ist aber per Definition auch
jeder, der über das Internet oder soziale Netzwerke zu einer Störung der öffentlichen
Ordnung, sprich Demonstration oder Streik, aufruft. Und ebenso einfach wird
man jemanden, der an einer Demonstration
teilnimmt als „Vandale“ oder sogar „Terrorist“ einstufen können, da der Aufruf
ja von einem „kriminellen“ geschrieben wurde. Wer also in Zukunft von seinem
Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen will, sollte sich überlegen,
ob ihm seine Rechte und seine Meinung auch eine Gefängnisstrafe wert sind.
Als ich dies gelesen hatte, dachte
ich, dass es sich bei dieser Gesetzesreform um eine Idee einer Oppositionspartei
handelte, aber diese Reform wurde von der Regierung in Angriff genommen und
soll 2013 wirklich umgesetzt werde. Und der Ausspruch von dem Innenminister der
Autonomieregierung Kataloniens ,Felip Puig, klingt auch nicht wirklich
demokratisch : „ Wir brauchen ein System, was Demonstranten Angst macht!“
Solche Sprüche wurden vielleicht in der DDR geäußert, aber in einem
demokratischen System sind sie eindeutig fehlplatziert.
Jede demokratische Regierung ist von Volk gewählt und dementsprechend auch
dem Volk verpflichtet, da es ihm seine Macht verdankt. Aus dieser Verpflichtung
resultiert automatisch, dass die Regierung dafür sorge trägt, dass die
Grundrechte eines Individuums und des gesamten Volkes gewährleistet werden, da
diese Rechte den Grundstein einer jeden Demokratie bilden. Wenn eine Regierung
nun versucht, diese Grundrechte einzuschränken, dann handelt sie damit nicht im
Auftrag des Volkes und verliert damit ihre Legitimation. Da eine demokratische
Regierung aber seine Legitimation nur über das Volk und nicht aus Waffengewalt
bezieht, bedeutet der Verlust dieser Legitimation eigentlich, dass die
Regierung abgesetzt werden müsste. Noch ist es nicht soweit, aber wenn diese
Gesetzesreform wirklich in Kraft tritt, könnte es so weit kommen! Abgesehen von
dem spanischen Volk müsste außerdem jeder ausländische Vertreter einer
demokratischen Regierung Einspruch gegen diese Gesetze erhoben haben. Und wenn
schon nicht gegen die Gesetze, dann doch wenigstens gegen den Satz von Felip
Puig. Natürlich ist es rechtens, so einen Satz von sich zu geben, da er durch
das Recht auf freie Meinungsäußerung
gedeckt ist, aber wenn eine Person in Regierungsverantwortlichkeit so etwas
sagt, ist dies etwas anders zu werten. Eine beliebige Person kann dies sagen,
da sie keine Mittel hat, seine Meinung in die Tat umzusetzen. Ein Politiker
jedoch besitz die Mittel, die man benötigt, um die Grundrechte der Menschen
einzuschränken und da dies unverhältnismäßig geschieht, ist dies etwas, was man
nicht dulden kann. Außerdem sind die Grundrechte der Demokratie die
entscheidenden Errungenschaften der westlichen Zivilisationen in den letzen
drei Jahrhunderten. Diese
Errungenschaften haben sich aus guten und vor allem logischen Gründen
durchgesetzt und haben Europa aus dem Feudalsystem befreit. Eine Einschränkung dieser Rechte wäre
gleichbedeutend mit einem zivilisatorischen Rückschritt! Eine Demokratie
lebt von verschiedenen Meinungen und wenn man diese nicht mehr ertragen kann,
dann muss man sie entweder ignorieren oder sich fragen, warum diese Menschen
dauernd Demonstrieren.
Genau dies ist der Punkt, der wahrscheinlich nicht wirklich bedacht wird
von den verantwortlichen Politikern. Wenn man sich die schiere Größe und Macht
der Demonstrationen in Spanien anguckt, dann wird einem leicht verständlich,
warum die machthabenden Politiker nicht so gut auf sie zu sprechen sind. Der
letzte Generalstreik vom 29.3.2012 legte in einigen Gebieten fast den gesamten
Personennahverkehr lahm, legte viele Fabriken still und störte den Flugverkehr
im Inland wie außerhalb von Spanien erheblich. Außerdem gab es bei den Demonstrationen
wieder Ausschreitungen im größeren Maßstab und es wurden sogar Autos
angezündet. Es ist also im großen und ganzen dazu gekommen, wozu es bei so
großen Demonstrationen kommen muss: Größtenteils
friedlicher Protest gegen die Sparpläne der Regierung und gewalttätige
Ausschreitungen einer Minderheit von Demonstranten. Damit ist bei jeder
Demonstration zu rechnen und je größer die Demonstrationen werden, desto größer
werden die Ausschreitungen, die sie begleiten. Da der größte Teil der
Demonstranten jedoch friedlich war, kann man nicht einfach jeden Demonstranten
als Terrorist darstellen, wie es die Gesetzesreform vorsieht, sondern muss
genau zwischen Randalieren und friedlichen Personen trennen. Man kann sich die Arbeit aber auch stark
vereinfachen, wenn man anfängt, dem Volk den Sinn hinter den Sparplänen zu
erklären. Genau dies wurde in Irland und Italien gemacht, dies hat England
nach den heftigen Ausschreitungen relativ schnell wieder Ruhe beschert und ist
außerdem das einzig logische, was man in so einer Situation als Regierung
machen sollte. Anstatt demokratische Grundrecht aufzuheben und somit seine Legitimation
zu verlieren, kann man auch anfangen, seinen Wählern den Sinn hinter den
Sparplänen zu erklären. Man könnte darauf hinweisen, dass Spanien bald keine
Sozialleistungen mehr zahlen kann, wenn es nicht irgendwoher Geld bekommt. Man
könnte darauf hinweisen, dass der Rest von Europa nicht mehr dazu in der Lage
sein könnte, Spanien zu retten. Man könnte auch darauf hinweisen, dass Spanien,
eine ehemalige Weltmacht, ohne Sparpläne bald vollkommen abhängig von der EU
sein wird. Man könnte die Sparpläne zur Diskussion stellen und um Ergänzungen
oder Verbesserungen bitten. Man könnte …
Es gibt so viel, was man als Politiker vorbeugend unternehmen kann, um
Demonstrationen zu verhindern. Und keiner von diesen Punkten hat etwas mit
Beschneidung der Rechte der Bürger zu tun. Vielmehr würde der Bürger dadurch
weitere Mitsprache an der Regierung erhalten, an einer Regierung, die
eigentlich vollkommen von ihm abhängig ist. Es wäre nur fair, solche
drastischen Einschnitte, wie sie die Sparpläne der Regierung teilweise
vorsehen, gemeinsam mit dem Volk zu entscheiden und darüber so aufzuklären,
dass jeder Bürger versteht, worum es wirklich geht. Dieser Weg wäre der Weg
einer echten, ehrlichen Demokratie. Aber die Personen, die im Moment in Spanien
an der Regierung sind, sind anscheinend nicht wirklich an einer Demokratie
interessiert. Es ist für mich unverständlich, dass eine Regierung so starke
Einschnitte in die Freiheit seines Volkes planen kann, ohne dafür von anderen
demokratischen Regierungen öffentlich gerügt zu werden. Die Grundrechte eines
jeden Menschen, sein Recht auf freie Meinungsäußerung, auf
Versammlungsfreiheit, auf Glaubensfreiheit dürfen von keiner Regierung unter
keinen Umständen eingeschränkt werden. Wenn das Volk zu unbequem wird, dann
sollte man vielleicht eher anfangen, sich Gedanken über die eigene Politik zu
machen, als einfach das Volk zu entmündigen. Es gibt noch genug Diktaturen auf
dieser Welt, da muss jetzt nicht auch noch die spanische Regierung anfangen,
Züge einer Diktatur anzunehmen. Unabhängig davon, ob und wie die Gesetzesreform
2013 umgesetzt wird, sicher ist schon, dass die Regierung, zumindest die
Personen, die diese Reform unterstützen, jegliche demokratische Legitimation
verloren haben. Und solche Personen gehören meiner Meinung nach nicht mehr in
die Regierung!
Alle macht geht vom Volk aus-
Wehe dem, der diese Macht zu spüren bekommt!
Dass Spaniens Regierung Demonstrationen unterbinden will, zeigt, wie sehr sie deren Einfluss fürchten. Sie wollen den Unmut der Bürger nicht sehen, den sie eigentlich schon erahnen.Er ist auch eine logische Konsequenz der Sparpolitik, aber kaum zu vermeiden.
AntwortenLöschenGleichzeitig verstehe ich auch die Bürger, denen man das Geld und diverse Leistungen kürzt. Sie wollen der Ohnmacht, nur passiv zu sein, entfliehen. Wahlen als direktes Mitwirken an der Politik finden nur selten statt und zudem kann man nur innerhalb der vorgegebenen Grenzen (Kandidaten) etwas entscheiden. Durch Demonstrationen erhält man Medienaufmerksamkeit und kann vielleicht deren Macht auf seine Seite ziehen.
Friedliche, geordnete Demonstrationen erhielten vielleicht zu wenig Beachtung und so wurden die Handlungen aggressiver. Die Reaktion der Regierung ist meiner Ansicht nach falsch . Ich stimme zu, dass sie gegen jegliche Grundsätze der Demokratie verstößt und die Regierung sich somit selbst die Legitimation nimmt.
Und was sollen Spaniens Bürger nach dem Demonstrationsverbot machen, um ihren Unmut zu zeigen? Stapel von Beschwerdebriefen und Unmengen von Petitionen und Plebisziten organisieren?
Ich hoffe, dass diese Gesetzesänderung sich nicht durchsetzen kann oder von der EU ein Veto dagegen eingelegt wird. Andernfalls wird es erst recht Demonstrationen geben.
Vielen Dank fürs taggen, aber ich denke ich werde so schnell nicht mitmachen. Ich hoffe du verstehst, dass ich momentan keinen Nerv dazu habe. Da würde nichts Interessantes oder Gutes bei raus kommen, aber vielleicht werde ich es irgendwann doch noch machen.
AntwortenLöschenUnd nochmal danke für deine lieben Kommentare die du mir immer wieder schreibst. Sie bedeuten mir wirklich viel. :)