„Deutschland Wegbassen!“ „ Staat. Kapital. Nation. Scheiße.“ „Was interessiert mich Deutschland?“ „ Weil Deutschland eine Zumutung ist!“ „ Antifa heißt Angriff“ „Wiederstand organisieren- Kämpft mit der Antifa gegen Nazis, Staat und Kapital“ „Zähne zeigt, wer’s Maul aufmacht“
Sogar in Kleinstädten findet man diese und ähnliche Sticker auf einer großen Anzahl an Laternen, in Unterführungen oder an Hauswänden. Häufig schon in mehreren Lagen übereinander geklebt verzieren sie, zumindest in den mir bekannten (Klein-)Städten, gerne Laternen im Innenstadtbereich. In geringeren Mengen sind sie aber eigentlich überall zu finden. Dank dem politischen System, dass in Deutschland herrscht, der repräsentativen Demokratie, darf jeder Mensch seine Meinung zu jedem beliebigem Thema äußern und somit wahrscheinlich auch Sticker an Laternenpfähle kleben. Rein rechtlich ist schätzungsweise nichts gegen diese Sticker einzuwenden, es sei denn sie kleben auf Privateigentum. Außerdem lassen sie die grauen Laternen teilweise wirklich interessant aussehen, vor allem wenn sie mit vielen verschiedenen Farben beklebt sind. Viel interessanter als die rechtliche Frage ist allerdings die Frage, wie sinnvoll die Aussagen auf den Aufklebern sind. Die überwiegende Mehrheit der Aussagen, die ich bisher gelesen habe, sind Aufrufe zu bestimmten Aktionen oder Demonstrationen. Ein Aufruf zu einer Demonstration ist eigentlich eine lobenswerte Sache, da er hoffentlich dazu beiträgt, dass man sich auf seine Bürgerrechte besinnt und seine Meinung hörbar macht. Wenn das Thema der Demonstration aber „Deutschland Wegbassen“ lautet, sollte man, bevor man zu dieser Demo geht, die Konsequenzen dieser Forderung einmal durchdenken. Wie sinnvoll ist diese Forderung? Es ist eine reine Negativforderung, die keine Alternative aufzeigt, sondern die Abschaffung des Staates als Ziel hat. Das gleiche trifft auf Sprüche wie „Staat. Kapital. Nation. Scheiße.“ zu. Auch hier wird zwar aufgezählt, was kritisiert wird, aber zu nichts positivem Aufgerufen.
Das Problem der reinen Negativität einer Position liegt an der Alternativlosigkeit. Man kann schließlich nicht einfach in eine Eisdiele gehen und sagen : „ Ich hätte gerne kein Himbeereis!“ Falls man dies doch mal tut, wird man sich der Frage stellen müssen, was man denn stattdessen möchte. Ich denken, dass diese Frage wirklich nachvollziehbar ist. Man kann in den meisten Fällen nicht nur etwas einfach nicht wollen, sondern muss gleichzeitig wenigstens eine Idee als Veränderungsvorschlag oder Alternative präsentieren können. Um bei dem Beispiel der Eisdiele zu bleiben: Wenn man in den Satz „ Ich hätte gerne kein Himbeereis“ noch mit „sonder zwei Kugeln Erdbeere“ ergänzt, würde man wahrscheinlich etwas komisch angeguckt, aber man würde das gewünschte erhalten. Das Aufzeigen von Alternativmöglichkeiten ist außerdem auch aus psychologischer Sicht zu empfehlen, da der Mensch nur sehr schwer rein negative Aufgaben wie „Denk nicht an grüne Hasen“ durchhalten kann. Viel einfacher hingegen fällt, zumindest in der Theorie, bewusst an grüne Hasen zu denken. Dies ist natürlich nur eine Spielerei mit den theoretischen Problemen einer rein negativen Position.
Viel wichtiger als diese Spielerei ist der Bezug zur Realität, der Bezug zu unserem politischen System und unserer Gesellschaft. Kann man Politik machen, kann man etwas zum besseren verändern, wenn man nur gegen etwas ist? Ist es Möglich etwas aufzubauen, wenn man eigentlich nur abreißen möchte? Wenn man den Staat kritisiert und bestimmte Sachverhalte ändern möchte, dann kann und sollte man das auch tun. Aber „ändern“ bedeutet gleichzeitig immer „aufbau/umbau“ oder „Neubau“ bestimmter Dinge. Wer unzufrieden mit der repräsentativen Demokratie ist, sollte einen Alternativvorschlag einbringen und schon hätte man eine Grundlage für Diskussionen und daraus folgende Veränderungen geschaffen. Das „Problem“ daran ist aber, dass man sich weitreichende Gedanken über das Thema machen muss. Es klingt einfach besser, wenn man gegen alles ist, da die Zerstörung einer Institution oder eines Systems in der Regel deutlich schneller vonstattengeht als deren Aufbau. Man kann also recht schnell erfolge vorzeigen. Aber der Kampf gegen das jetzige System ist ein Kampf, der Auswirkungen auf die Zukunft aller hat. Wenn der Staat wirklich abgeschafft würde, was kommt dann? Wer sorgt dann für Renten, Krankenversicherungen, Sicherheit? Der Mensch ist im allgemeinen zu kurzsichtig und egozentrisch, als das ein System mit über 80 millionen Menschen ohne Staat leben könnte. Diese rein negative Position, die die Sticker mit diesen Aufschriften vertreten, ist eine zukunftsfeindliche Position! Unsere Zukunft, die Zukunft der jetzigen und aller folgenden Generationen, würde einfach so gefährdet, wenn man ihre Forderungen umsetzten würde. Ist dies nicht eigentlich Grund genug um einen guten Gegenvorschlag, eine gute Alternative zu ersinnen? Dürfte dies nicht genug Ansporn sein, um seine negativ-Forderungen um positiv-Ideen zu ergänzen? Ich hoffe, dass es das ist!
Jeder Mensch, der sich die Zeit nimmt und den Mut hat sich politisch zu engagieren, bekommt einen gewissen Respekt von mir, unabhängig von der Bewegung, für die er sich einsetzt. Aber wenn diese Menschen dann nicht mehr darüber nachdenken, was denn die Folgen ihrer negativ-Forderungen sind, dann verlieren sie diesen Respekt relativ schnell wieder. Denn dies zeigt, dass ihnen die Zukunft nicht wichtig ist. Aber für wann macht man denn Politik, wenn nicht für die Zukunft? Ich persönlich finde, dass jede politische Gruppierung solange zu unterstützen ist, wie sie sich darum bemüht neben ihrer Kritik auch konstruktive Vorschläge zu machen. Wenn das Motto einer Demo dann nicht mehr „Deutschland Wegbassen“ sondern „Deutschland umbauen“ lautet, wäre dies ein großer Schritt in die richtige Richtung. Jeder Änderungsvorschlag, der gemacht wird ist auch automatisch etwas, worüber man diskutieren kann. Und das Ergebnis einer solchen Diskussion kann dann auch sein, dass die eigenen Ziele oder Vorschläge vielleicht doch nicht so gut waren. Vielleicht besinnt man sich dann eine Weile und verbessert seine Vorschläge. Nur so kann ein wirklich gutes und funktionierendes politisches und gesellschaftliches System entstehen: Durch ständige positive/konstruktive Kritik! Wenn stattdessen allerdings nur negative Kritik geübt wird, wird dieses System irgendwann zwangsläufig zusammenbrechen, da die Fehler nicht verbessert werden und das Volk dieses System irgendwann nicht mehr trägt und abschafft. Damit es nicht zu so einem, in Deutschland wahrscheinlich auch recht unwahrscheinlichen, Fall kommt, sollten die verschiedenen politisch aktiven Gruppen einfach nur mehr darauf achten, dass sie bei all ihrer Kritik nie aus den Augen verlieren, dass sie Veränderungsvorschläge bieten müssen. Denn wenn sie dies beherzigen, wird sich in unserem System noch vieles ändern und es wird nicht nur zum schlechten sein!
Nichts ist beständiger als die Veränderung -
Nichts ist besser als aufbauende Veränderung!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen