Am 29. Februar 2005 wurde in einem belgischen Krankenhaus eine Frau auf ihren eigenen Wunsch hin getötet und ihr anschließend Niere, Leber und Bauchspeicheldrüse entnommen. Die Reaktionen auf diese Meldung innerhalb der Fachwelt waren, wenn man den Berichten Glauben schenken darf, sehr zurückhaltend, aber keinesfalls negativ. Seit 2005 hat es weitere Fälle gegeben in denen Menschen zusätzlich zu ihre Euthanasiewunsch den Wunsch geäußert haben, Organe spenden zu dürfen. Die Fachwelt scheint sich mittlerweise einig zu sein, dass es, zumindest in Belgien, kein rechtliches Problem ist, solche Wünsche zu erfüllen und dass es im allgemeinen auch kein ethisches Problem ist. Die Meinungen der Menschen, die keine Mediziner sind, gehen da allerdings sehr weit auseinander. In Deutschland wurde darüber diskutiert, ob man eine Organentnahme nicht ausdrücklich ablehnen muss, damit sie im Falle eines plötzlichen Todes nicht einfach durchgeführt wird. Ich fand diese Debatte sehr interessant, aber gleichzeitig machte sie mich schwermütig, weil sie wieder einmal zeigte, dass wir Menschen noch weit davon entfernt sind „Homo Sapiens“ zu sein. Es gab kaum rationale Argumente, aber es wurde ein Haufen von emotionalen Argumente gebracht und diese wurden dann auch noch ernsthaft diskutiert. Aber es ging in dieser Debatte nur um schon tote Menschen! Die Ärzte in Belgien haben einen Menschen erst getötet und ihm danach Organe entnommen! Ich wäre einmal auf die Debatte gespannt, die sich in Deutschland in diesem Fall entzünden würde, wenn der Fall einer großen Öffentlichkeit präsentiert wird. Die allermeisten Menschen, die sich an dieser Debatte beteiligen würden, sollten aber einige Punkte vielleicht noch bedenken, bevor sie anfangen zu Diskutieren. Natürlich ist der eigene Tod und der Umgang damit kein angenehmes Thema, aber deshalb ist es noch lange kein Grund, daraus ein emotionales Thema zu machen. Emotionen stören in Diskussionen meistens! Das gilt für alle Diskussionen und vor allem für Diskussionen über ein wichtiges Thema, das über Leben und Tod von vielen Menschen entscheiden kann.
Die Grundvorrausetzung in Deutschland für eine Organspende ist der Hirntod, also die irreversible Schädigung des Gehirns. In vielen Fällen ist beim hirntoten Patienten noch eine spontane Atmung und ein Herzschlag feststellbar und die Funktion der Verdauungsorgane ist häufig auch noch teilweise vorhanden. Trotzdem wird dieser Patient nie wieder aus seinem Koma aufwachen, da all diese Vorgänge über das vegetative Nervensystem laufen und dieses ohne das Gehirn auskommt. Hirntoten Menschen sehen vielleicht noch relativ lebendig aus, sind aber genauso tot wie eine 200 Jahre alte Moorleiche. In Länder wie Portugal, Spanien oder Frankreich können Organe auch schon bei einem Herzstillstand entnommen werden, aber mit diesem Fall möchte ich mich jetzt nicht beschäftigen. Warum lehnen es so viele Menschen ab Organspender zu werden, selbst wenn ihnen nur Organe entnommen werden, wenn sie wirklich tot sind? In meinen Augen ist dies vor allem eine emotionale Reaktion, da viele Menschen Angst davor haben, dass ihnen bei lebendigem Leib Organe entnommen werden oder das ihnen als Träger eines Organspende - Ausweis nicht mit allen Mitteln geholfen wird. Diese Ängste sind Nachvollziehbar, aber eigentlich ziemlich aus der Luft geholt. Es müssen zwei Ärzte, die nichts mit der anschließenden Transplantation zu tun haben, den Hirntod feststellen, bevor angefangen wird, die Organe zu entnehmen. Außerdem können die Krankenwagenbesatzungen den Hirntod überhaupt nicht feststellen können also auch mit Böswilligkeit keine Organspender „erzeugen“. Es gibt auch keinen logischen Grund dafür, warum man tote Menschen nicht dafür verwenden sollte, noch lebende Menschen zu retten. Eine Leiche kann aufgrund von fehlenden Gehirnströmen keinerlei Wünsche und Bedürfnisse mehr haben, auf die noch eingegangen werden müsste und ist damit, logisch betrachtet, ein Gegenstand und kein Lebewesen mehr. Wenn man einen Gegenstand dazu verwenden kann jemandem anders zu helfen, dann wird man dies in der Regel auch tun. Die meisten Menschen betrachten eine Leiche jedoch als etwas menschliches und verfahren mit Leichen teilweise sogar noch deutlich achtungsvoller als mit ihre lebendigen Mitmenschen. Es soll hier nicht der Eindruck entstehen, dass man eine Leiche wie einen unbelebten Gegenstand behandeln muss und es ist auch höflich, ihr einen gewissen Respekt entgegen zu bringen. Aber es ist nicht einzusehen, warum eine Leiche nicht so genutzt werden kann, dass man noch einen Nutzen aus ihr ziehen kann.
Viele Menschen haben auch einfach Angst davor, dass die Geräte abgeschaltet werden, bevor sie wirklich gestorben sind, damit man ihre Organe entnehmen kann. Um diese Angst zu umgehen, sollte man sich vielleicht folgendes vorstellen: Man wird in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt und wird mit einem Schädelbruch und Verletzungen der Wirbelsäule ins Krankenhaus gebracht. Alles, was nach dem Unfall passiert ist, wird man nicht mehr miterleben, weil man entweder bewusstlos ist oder schon im Koma liegt. Man würde also auch nicht bemerken, dass man stirbt, weil die Ärzte einem keine Hilfe geleistet haben. Man kann wahrscheinlich aber auch darauf wetten, dass ein Großteil der Menschen nach so einem Unfall nicht mehr aufwachen wollen, weil sie wahrscheinlich nie mehr in der Lage sein werden, mehr zu tun als nur im Bett zu liegen und in einem geistigem Zustand, unter Umständen dem eines schwer Alzheimerkranken gleicht, vor sich hinzudämmern. Es ist, auf jeden Fall bei Menschen, die lieber tot wären, als geistig schwer behindert, unglaubwürdig, wenn sie damit argumentieren, dass ihnen unter Umständen nicht jede Hilfe gewährt würde, wenn sie Organspender sind. Auch in diesem Fall wird es das Bauchgefühl sein, das bei der Ablehnung eines Organspende - Ausweises eine große Rolle spielt.
Die Thematik von Organspenden nach einer Euthanasie schien für mich erst ziemlich schwierig zu sein. Man könnte Bedenken haben, wenn die Menschen in ihrer Notlage noch ausgenutzt und dazu genötigt werden Organe zu spenden. Man könnte auch gegenüber der Euthanasie kritisch sein. Allerdings finde ich dass es für diese Thematik eine ziemlich einfache Lösung gibt , wenn man kurz darüber nachdenkt. Es fällt mir kein Grund ein warum ein Mensch, der im Vollbesitzt seiner geistigen Kräfte ist und aus bestimmten, schwerwiegenden Gründen nicht weiterleben möchte, sein Leben nicht selber beenden dürfte. Schwerwiegende Gründen wären beispielsweise der Beginn von Demenz, Chorea Huntington oder anderen Krankheiten, die das „Ich“ des betroffenen langsam verschwinden lassen. Und warum sollte so eine Person nicht zu Lebzeiten noch darüber entscheiden könne, was mit seinen Organen passiert. Es gibt keine logischen Gründe gegen eine Euthanasie und eine anschließende Organspende, wenn bestimmte Kriterien eingehalten werden. Das Problem an dieser Diskussion ist leider wieder die Emotionalität von den Menschen.
Ich selber finde das es sogar noch etwas beruhigendes hat, wenn man weiß, dass im Falle eines vorzeitigen Todes wenigstens die ein oder andere Person noch davon profitieren könnte. Es ist für viele Menschen vielleicht einfach zu unangenehm, sich mit dem eigenen sterben und dem eigenem Tod auseinander zu setzten, aber irgendwann muss dies jeder Mensch tun. Und wenn man dies schon in seiner Jugend getan hat und akzeptiert hat, dass man jeden Tag aufgrund von blöden Zufällen sterben kann, wird man sein weiteres Leben wahrscheinlich etwas anders gestalten. Sarkastisch gesprochen: Ich möchte wenigstens einmal in meinem Leben einen Nutzen erbracht haben und der Organspende – Ausweis ist meine Versicherung für den Ernstfall.
Das größte Geschenk, das man einem Mensch machen kann, ist Leben!
Wahrscheinlich ist es die Angst, selbst einmal im Wachkoma liegend erleben zu müssen, wie die Ärzte besprechen, wie sie mit den eigenen Organen weiter verfahren wollen. Man fürchtet, wie ein Objekt behandelt zu werden, obgleich man es noch nicht ist.
AntwortenLöschenTatsächlich sind die meisten Argumente emotional gefärbt und auch religiös beeinträchtigt, obwohl letzteres in unserer Gesellschaft zunehmend zu vernachlässigen ist.
Es ist in meinen Augen ein Teil der Ausübung des freien Willens, sich für den eigenen Tod zu entscheiden. Und spendet man dabei noch Organe statt sich mit Hortensiendünger zu vergiften, ist es ehrenhaft und der Tod sogar noch sinnvoll. Es ist ein wenig wie mit legalem Marihuana: durch Legalisierung kann man es kontrollieren und unnötigen Gebrauch verhindern; ein unkontrollierter Markt wird aber stets parallel dazu existieren, wenn auch in geringerem Umfang als zuvor.
Oft wird Deutschland als fortschrittlich, kosmopolitisch und modern dargestellt. Wie aber ist das mit den beschriebenen kleinkarierten, pedantischen Gesetzen zu vereinbaren? Keine Versuche mit Stammzellen, die nicht 512 ethischen Regeln entsprechend gewonnen und behandelt werden, kein Hanfanbau (als Nutzpflanze, natürlich) obwohl es Jahrhunderte lang Usus war, kein dies, kein das ... dadurch, dass wir uns vielem verweigern, bleiben wir zurück.
Jeder will in Notsituationen ein Organ erhalten, die wenigsten wollen spenden. Auch ich habe keinen Organspenderausweis, weil ich sentimental bin und mir vorstelle, wie Ärzte mich ausweiden.
Dann könnte ich für den Anfang zumindest Blut spenden, denn das größte Geschenk für einen Menschen ist Leben und ein Lebenssinn, der unter anderem darin bestehen kann, anderen dieses Geschenk zu machen.
Wir sind egoistisch.