Mittwoch, 8. Februar 2012

Ehrlichkeit - eine zu hohe Anforderung an einen Menschen?


Es gibt Menschen, die bemühen sich aufrichtig um in die Schlagzeilen zu kommen, damit sie überhaupt jemand wahrnimmt. Und es gibt Menschen, die alles dafür tun, dass sie wieder aus den Schlagzeilen kommen, damit sie nicht mehr im öffentlichen Gerede stehen. Herr Wulff ist einer von der letzteren Sorte, aber er stellt sich dabei nicht gerade glücklich an, wie man heute wieder sehen konnte.
 Als die Vorwürfe wegen Vorteilsnahme und Korruption gegen ihn auftauchten, dachte ich, dass sich das Problem auf die eine oder andere Art schnell erledigt. Ich nahm an, dass er entweder recht zügig zurücktritt oder schnell die Vorwürfe gegen ihn Aufklärt und sich gegebenenfalls für sein Verhalten entschuldigt. Die letzten zwei Monate zeigten, dass meine Annahme falsch war und ließen mich immer fassungsloser zurück. Die Vorwürfe gegen Wulff sind  in den meisten Fällen relativ lapidar und in den Kreisen, in denen er sich bewegt, wird sein Verhalten wahrscheinlich völlig dem durchschnittlichem Verhalten entsprechen. Als Zyniker konnte ich bei den Anschuldigungen immer sagen: „ Habt ihr wirklich geglaubt, dass es Menschen gibt, die sich an alle Gesetzte halten, selbst wenn sie einen ganzen Staat repräsentieren?“ Ich möchte Wulff  damit unter keinen Umständen verteidigen, sondern nur darauf hinweisen, dass wahrscheinlich jeden Tag Vetternwirtschaft und ähnliches stattfindet, ohne das darüber berichtet wird und Wulff nur nicht klug genug war, seine Geschäfte vor der Presse geheim zu halten. Was mich aber betroffen und mittlerweile auch traurig gemacht hat, ist die Art und Weise wie Herr Wulff mit den Anschuldigungen umgeht.
 Ein Mensch kann sich einen gewissen Respekt erarbeiten, der über die normale Achtung vor dem Leben hinausgeht, wenn er sich an bestimmte Verhaltensweisen hält. Eine von diesen Verhaltensweisen ist Ehrlichkeit. Wenn sich ein Mensch mir gegenüber ehrlich verhält, dann bringe ich ihm Respekt entgegen. Dies gilt nicht nur für Menschen, die mir mit ihrer Ehrlichkeit etwas Gutes wollen, sondern auch für die Menschen, die mich unter Umständen verachten und mir schaden möchten. Solange ein Mensch ehrlich ist, kann er ein Mindestmaß an Respekt verlangen! Ich erwarte keine absolute, radikale Ehrlichkeit, sondern lediglich eine ehrliche Antwort, die nicht auf den Wortlaut, sondern auf den Inhalt meiner Frage eingeht. Es ist nicht immer angenehm diesen Gedanken im eigenen Leben umzusetzen, weil man relativ schnell einsieht, welche Handlungen von einem falsch waren und man für sie nicht verantwortlich seien möchte. Da man aber nun einmal für diese Handlungen verantwortlich ist, hat man für sie auch gerade zu stehen. Natürlich ist es schwer, wenn man jemanden gegenüber zugeben muss, dass man einen großen Fehler begangen hat oder dass die eigene Ansicht zu eine Thema doch falsch war, vor allem, wenn man vorher darauf beharrt hat, dass der andere sich irrt. Aber wenn man dies, nachdem man seinen Fehler eingesehen hat, zugeben kann, zeugt das von Reife, Diskussionsfähigkeit und Stärke. Wenn man diesen Schritt nicht schafft und bei seiner Meinung bleibt, obwohl man weiß, dass sie falsch ist, macht man sich des Lügens schuldig und das ist ein Zeichen von Schwäche. Man muss nicht immer und überall die Wahrheit sage, aber in den allermeisten Situationen empfiehlt es sich einfach, schon allein aus Respekt vor dem Gegenüber. Herrn Wulff schien die Wahrheit nicht so wichtig zu sein, wahrscheinlich weil er sich erhoffte, weitestgehend ungeschoren davon zu kommen. Vielleicht schämte er sich auch ein bisschen für sein Verhalten. Fest steht allerdings, dass er es bis zum heutigen Tage nicht geschafft hat, all die Fragen zu beantworten, die ihm bezüglich seiner Urlaube, Vergünstigungen und anderen Verstrickungen mit der Wirtschaft gestellt wurden. Die Antworten, die er gegeben hat, sind auch erst durch den Druck der Presse veröffentlich worden. Ein Mensch, der so wenig Wert auf die Wahrheit legt, hat in meinen Augen kaum noch Achtung verdient. Wenn Christian Wulff nun eine Geschäftsmann, ein Fußballtrainer oder ein Börsenmakler wäre, würde ich all dies zwar als Schade empfinden und es als Bestätigung dafür sehen, dass die meisten Menschen leider nicht in der Lage sind, für ihre Taten einstehen zu können, aber es würde mich kaum interessieren. Leider ist Herr Wulff aber Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland und damit das Staatsoberhaupt. Mit anderen Worten: Christian Wulff steht stellvertretend für das deutsche Volk! Als Repräsentant eines Staates sollte man sich eigentlich seinem Gewissen verpflichtet fühlen und sich bemühen moralisch zu handeln. Moralisch handeln bedeutet für mich, sich wenigstens größtenteils an die Gesetzte der Logik zu halten und Ehrlichkeit ist durchaus logisch! Ein Mensch, der nicht in der Lage ist, moralisch zu handeln, sollte einen Staat nicht repräsentieren dürfen. Ich persönlich empfinde es als beschämend, wenn Menschen, die mich repräsentieren unmoralisch handeln. Das gilt für meine Freunde, für Lehrer, Regionalpolitiker und natürlich auch für den Bundespräsidenten. Gerade er sollte die einfache moralische Verhaltensweisen wie Ehrlichkeit einfach einhalten um sich somit als Vorbild und Repräsentant zu qualifizieren!
 Es gibt dann auch immer noch die Diskussion um das Ansehen des Amtes. Wenn Herr Wulff zurücktritt, dann würde das Amt des Bundespräsidenten Schaden nehmen, argumentieren einige Menschen. Wirklich nachvollziehbar finde ich dieses Argument jedoch nicht. Vielleicht gibt es Gründe, die Menschen dazu bringen, vor einem Amt Respekt zu haben, aber mir fallen dafür keine ein. Der Respekt, den ich Institutionen, Ämtern oder Titeln entgegenbringe hält sich in sehr engen Grenzen. Es gibt keinen logischen Grund dafür, warum man einen Menschen mit einem  „Dr.“ oder „Prof.“ vor dem Namen mehr Respekt entgegenbringen sollte, als einen Menschen, der dieses Kürzel dort nicht stehen hat. Wenn die Menschen, die diese Titel tragen diese Titel jedoch zu recht trage, dann ist ihre Meinung in ihrem jeweiligem Fachgebiet auch höher zu Werten als die Meinung von einem Laien. Das gleiche gilt auch für Ämter. Wenn ein wichtiges Amt von einer unfähigen Person bekleidet wird, dann leidet nicht das Ansehen des Amtes darunter, sondern dass Ansehen der Person, die mit den Anforderungen, die das Amt an sie stellt, nicht zurechtkommt. Ein Amt ohne Person hat keine Macht, erst die Person, die das Amt bekleidet, besitzt Macht! Das Amt des Bundespräsidenten fordert von seinem Inhaber einen moralischen Lebenswandel, damit er als Vorbild taugen kann. Da Herr Wulff diesen Lebenswandel nicht vorzeigen kann, hat er dieses Amt eigentlich niederzulegen, damit seine Person nicht noch mehr Schaden nimmt. Zugegebenermaßen sind die Anforderung des Amtes, die an einen Bundespräsidenten gestellt werden, sehr hoch. Aber wer nicht glaubt, dass er sie einhalten kann, muss sich auch nicht um das Amt bewerben!   

Ehrlichkeit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr?! 

1 Kommentar:

  1. Argh, dieses Zitat schmerzt in meinen Ohren...

    Als der Skandal um Wulffs Telefonat, seine kleinen und größeren privaten Vorteile, die er aus seinem Amt zog in die Presse kamen, dachte ich, dass er beschämt zurücktreten würde. Genau wie du wunderte ich mich, dass genau das nicht geschah.

    Nun gab es unzählige Interwies und Konferenzen, um ihm seine Geheimnisse zu entlocken, doch er bemühte sich beharrlich, so wenig wie möglich preiszugeben. Sicher hat er dabei auch gelogen. Und nun ist er soweit in seine Lügen verstrickt, dass er ohne kompletten Rufmord nicht umkehren kann, doch indem er dem eingeschlagenen Weg folgt, wird es auch nicht besser.

    Es ist beschämend, das, was man eben noch behauptet hat, als Lüge enttarnen zu müssen.

    Gestern bin ich beim Inlineskatingtrainig in einer Rechtkurve mit vielleicht 20 km/h gestürzt. Ich war zwar von in der Gruppe, doch zum Glück mit ausreichendem Abstand, um von den anderen nicht überrollt zu werden. Fazit: eine fiese Schürfbrandwunde von Faustgröße am Oberschenkel (aua, ich weiß noch immer nicht, wie ich eine Hose tragen soll, ohne daran mit der Wunde feszukleben...) und die Frage nach der Ursache.
    Sie fragten mich, warum ich fiel und ich gab die allgemeine Instabilität in Rechtskurven (Linksurven lassen sich wirklich viel einfacher und schneller passieren) an. Da auch eine jüngere Schülerin (jünger im Sinne von vielleicht 16 Jahren), mit der ich charakterlich noch nie zurecht komme, wollte ich mich nicht der Blamage der Unfähigkeit aussetzen und fügte hinzu, dass ich die Matte der Bodenturner in der Mitte der Halle erst spät gesehen und dann zuspät ausgewichen sei, was zusammen mit der Instabilität zum Sturz führte.

    Nun ja, es ärgerte mich, gelogen zu haben oder zumindest die Wahrheit erweitert zu haben, denn wenig später meinte sie provokativ, dass die Badehose nicht Schuld am Ertrinken des Schwimmers sei. Was sollte ich erwidern? Ich wollte mich nicht bloßstellen und beließ es bei einem treudoofen Lächeln.

    Mein Fazit: die Wahrheit mag auch verletzend sein, doch eine Lüge schmerzt mehr, sobald sie entdeckt wird.

    Von diesem Vorfall abgesehen bin ich jemand, der mit seiner Meinung nicht hinterm Berg bleibt. Was ich denke muss raus und das auch, wenn es nicht nur Lobgedudel ist. Denn Lügen bekommt man von allen Seiten zu hören, weshalb die Wahrheit wertvoll ist.
    Leuten, die mir wenig bedeuten muss ich meine Meinung aber nicht servieren, insofern sie mir nicht wichtig genug für diesen Aufwand sind.

    Gruß,

    Apfelkern

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