Wir Menschen gehen so gerne davon aus, dass wir unser Leben in unseren
Händen haben und dass wir frei über unseren Lebensweg entscheiden können. Vor „großen
Entscheidungen“ brauchen wir oft einige Tage, um uns zu überlegen, wie wir uns
entscheiden werden. Und wenn wir auf unser Leben zurückblicken tendieren wir
dazu, uns für bestimmte „große Entscheidungen“ auf die Schulter zu klopfen und
unsere Weitsicht zu loben. Doch übersehen wir dabei viel zu gerne die
eigentlichen Gründe für unsere momentane Situation. Sind wir wirklich nur so
glücklich mit unserer Arbeit, weil wir das
richtige Studium oder die richtige Ausbildung gewählt haben? War die
Entscheidung, seinen Partner zu Heiraten wirklich eine sehr besondere Entscheidung ?
Bei genauerer Betrachtung wird einem auffallen, dass die Richtung auf der Straße
des Lebens eben größtenteils nicht von den bewusst getroffenen Entscheidungen
abhängt, sonder vielmehr von unseren unbewussten Entscheidungen über die Wahl
des Weges an den vielen Kreuzungen des Lebens entschieden wird. Natürlich ist
die Wahl des Studiums eine sehr entscheidende, wichtige Wahl, aber warum
konnten wir überhaupt das Studium wählen? Was brachte uns in diese Situation,
was beeinflusste uns in unserer Wahl? Vielleicht ein Gespräch mit einem Lehrer
in der siebten oder achten Klasse, vielleicht die Wahl eines Kurses in der
zehnten Klasse. Oder der Beruf der Eltern eines Freundes, der Beruf der eigenen
Eltern oder eines anderen Familienmitgliedes. Nichts davon haben wir bewusst
gewählt, aber all dies beeinflusst unser Denken und Handeln. Teilweise sind
schon kurze Begegnungen oder Gespräche so prägend, dass man sich, häufig auch
unbewusst, sein ganzes Leben lang daran orientiert. Es gibt so viele Personen,
die einiges darauf halten, dass sie schon frühzeitig „entschieden“ hatten,
welchen Beruf sie später ergreifen wollten. Wenn man dann jedoch ein wenig in
der Vergangenheit dieser Personen buddelt, wird man oft früher oder später feststellen,
dass das „Schicksal“ für den späteren Beruf gesorgt hat. Natürlich haben sie
sich dann später auch noch bewusst dafür entschieden, diesen Beruf wirklich anzunehmen,
aber sie haben sich nicht bewusst dafür entschieden, dass ihnen jemand diesen
Beruf durch sein Vorbild schmackhaft macht.
Das selbe Phänomen sieht man häufiger im Bezug auf Partnerschaften. Bei
vielen Paaren wird auf der Hochzeit noch einmal der Moment erzählt, in dem sich
die beiden Partner kennen gelernt haben. Wie viele von ihnen hatten den festen
Vorsatz, damals jemanden kennen zu lernen? Und bei wie vielen haben sich diese
Begegnungen vollkommen zufällig ergeben? Bei wie vielen gab es den Vorsatz
jemanden auf einer bestimmten Aktion kennen zu lernen, und sie trafen ihren
späteren Lebenspartner zufällig auf dem Weg zu dieser Veranstaltung?
Die wirklich wichtigen Ereignisse in
unserem Leben sind in den meisten Fällen einfach nicht zu planen und geschehen
zufällig. In unserer Hand liegt dann nur noch, was wir daraus machen, wenn wir
uns bewusst geworden sind, dass wir uns wieder auf einer der Kreuzungen des Lebens
befinden. Dabei hat das, was vorher geschehen ist, den weitaus größeren Einfluss
auf unser Leben gehabt. Und gerade das ist häufig ein Problem. Wenn man sich in
einer schwierigen oder schlechten Lebenssituation wiederfindet, sucht man gerne
verzweifelt nach den Ursachen dafür. Doch allzu häufig findet man sie eben
nicht in den bewusst getroffenen Entscheidungen, sonder in den unbewussten
Entscheidungen. Aus der rückblickenden Perspektive ist einem auf einmal
ziemlich klar, dass die Entscheidung, die man damals ohne großes Nachdenken
getroffen hat, für die eigene missliche Lage verantwortlich sind. Was lehrt uns
das?
Auch wenn ich immer noch ein großer Fan von Sartre und der von ihm
postulierten absoluten Freiheit bin, so habe ich es mittlerweile akzeptiert,
dass ich zwar eine vollständige Freiheit habe, mir dessen jedoch viel zu oft
nicht bewusst bin. Während man sich bei bewusst getroffenen Fehlentscheidungen
mit Berechtigung die Haare raufen kann, ist dies bei unbewusst getroffenen
vollkommen unnötig. Wir Menschen können nun einmal nicht in die Zukunft sehen
und feststellen, dass diese eine Entscheidung gerade enorm wichtig war und die
andere überhaupt keine Rolle mehr spielen würde. Geht es uns schlecht, sind wir
natürlich bis zu einem gewissen Punkt selber dafür verantwortlich. Aber anstatt
sich darüber aufzuregen oder depressiv zu werden, ist es lohnenswerter, wenn
man seine verbleibende Energie in neue Entscheidung steckt.
Wir sind vollständig frei-
Vorausgesetzt, wir erinnern uns daran!
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