Seitdem vor einer guten Woche in Frankreich die „Ehe für alle“, also eine
Ehe inklusive Adoptionsrecht auch für homosexuelle Paare eingeführt wurde,
vergeht fast kein Tag ohne eine größere Demonstration gegen diese Ehe. Die
Gegner der „Homo-Ehe“ sind eine bunte Mischung aus konservativen, christlichen
und rechten Gruppen, die nun durch ein gemeinsames Ziel geeint sind. Das diese
Demos mitten in Paris zum Teil weit über 100.000 Teilnehmern ( und nach
wahrscheinlich eher unglaubhafteren Angeben der Veranstalter über einer Million
Teilnehmer ) haben, zeigt deutlich, wie stark die Ablehnung von Homosexuellen
in unserer Gesellschaft verankert ist. Paris ist eine sehr moderne und
progressive Stadt und für Homosexuelle eigentlich immer ein Anzugspunkt gewesen,
da man ihnen hier kaum Ressentiments entgegen brachte. Die schiere Größe und Aggressivität
dieser Demonstrationen zeigt nun aber auch sehr deutlich, dass es auch in einer
so liberalen Stadt eine latente Ablehnung von Homosexuellen gibt. Wie sieht es
denn dann erst in den kleineren, konservativ geprägten Städten in ganz Europa
aus?
Laut einer nicht repräsentativen Online-Umfrage der EU-Grundrechte-Agentur ( FRA)
wagen es fast zwei Drittel aller homo-, bi- und transsexuellen nicht ihre
sexuelle Orientierung in der Öffentlichkeit zu zeigen. Wer das auf den ersten
Blick nicht für eine enorme Einschränkung der Lebensqualität hält, sollte nur
einmal an einem schönen Sonnentag durch einen Park gehen. Er wird dort eine
sehr große Anzahl an Menschen sehen, die sich küssen, Hand in Hand gehen oder
sich verliebt umarmen. Es ist für sie vollkommen selbstverständlich, dass sie
sich nicht mit ihrem Partner verstecken müssen und nicht wenige dürften stolz
auf ihren Partner sein. Oder wenn sich ein Paar im Bahnhof verabschiedet und
dabei vollkommen im Weg steht, weil sie gerade den Rest der Welt vergessen
haben. So etwas zu können, seine Gefühle ausleben zu dürfen, ist ein sehr großes
Stück an Lebensqualität. Wenn homosexuelle nun Angst davor haben, genau dieses
Stück Lebensqualität in Anspruch zu nehmen, ist dies ein Armutszeugnis für die
Gesellschaft, in der dies der Fall ist.
47 % der Befragten ( 48 % in Deutschland ) erlebten nach eigenen Angaben
wenigstens einmal eine Diskriminierung wegen ihrer sexuellen Orientierung. Gut
27 % wurden auch schon körperlich oder verbal angegriffen. Es wurde allerdings
nur ungefähr jeder fünfte Zwischenfall bei der Polizei angezeigt, da die meisten
Betroffenen nicht glaubten, dass ihre Anzeige etwas positives für sie bringen
würde. Auch wenn diese Umfrage nicht repräsentativ war, so zeichnet sie doch
ein eher erschreckendes Bild der europäischen, aber auch der deutschen
Gesellschaft. Wenn fast jeder zweite Homosexuelle schon mindestens einmal
aufgrund seiner Homosexualität diskriminiert wurde, so kann man davon ausgehen,
dass hinter dieser Diskriminierung mehr als nur eine kleine Minderheit steht.
Die heimliche und offene Ablehnung von Homosexuellen ist also auch in
Deutschland anscheinend mehr oder weniger alltagstauglich. Wenn etwas mehr als
jeder vierte Homosexuelle schon mindestens einmal körperlich oder verbal
angegriffen wurde, zeigt dass, dass in der europäischen Gesellschaft ein nicht
zu unterschätzendes Gewaltpotential gegen Homosexuelle vorliegt und dieses
Potential wird, falls die Finanzkrise weiterhin für schlechte Lebensbedingungen
sorgt, wahrscheinlich auch noch weiter ansteigen.
Ein, zumindest in meinen Augen, sehr großes Problem, ist das Verhalten von
Jugendlichen gegenüber homosexuellen gleichaltrigen. Die Studie der FRA hat
nicht zwischen Jugendlichen und Erwachsenen differenziert, aber gerade diese
Differenzierung wäre noch einmal sehr interessant gewesen, da viele Probleme
schon in der Jugend entstehen. Das Kinder grausam sein können, ist ja bekannt.
Dass diese Grausamkeit gerade gegenüber homosexuellen Klassenkameraden sehr
extrem ausgelebt wird, wird jedoch gerne übersehen. Es verunsichert einen
homosexuellen Jugendlichen, wenn sich seine Klassenkameraden mit „Schwuchtel“
oder „Homo“ beschimpfen, selbst, wenn diese Beschimpfungen erst einmal keinen homophoben
Hintergrund haben. Das Jugendliche aber dennoch häufig eine latente Abneigung
gegenüber Homosexuellen haben, dürften die meisten jugendlichen homosexuellen
Pärchen schon ausgiebig erlebt haben. Von eher dezenter Ablehnung über gemeines
Lästern bis hin zur körperlichen Gewalt kann man auf einem Schulhof als
homosexuelles Pärchen alles erleben. Meistens bleibt es zwar bei einer
unterschwelligen Ablehnung, aber als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft
fühlt man sich trotzdem nicht anerkannt. Und wenn diese fehlende Akzeptanz von
homosexuellen schon in der jungen Generation zu sehen ist, dann dürfte sie sich
auch noch in zwanzig oder dreißig Jahren in der Mitte der Gesellschaft
wiederfinden. Und das, obwohl dieses Verhalten jeder rationalen Grundlage
entbehrt!
Die Radikalität und die hohe Gewaltbereitschaft der französischen Demonstranten
hat mich ziemlich überrascht. Ich hielt das Thema „Homosexualität“ zwar für
kontrovers, war mir aber ziemlich sicher, dass die Vernunft den Großteil der
Gegner von „Homo-Heiraten“ im Zaum halten würde, da sie offensichtlich einen
nicht zu verteidigenden Standpunkt vertreten. Aber ganz abgesehen von der
aktuell ziemlich hitzigen Debatte in Frankreich verstehe ich die Aufregung über
das Thema überhaupt nicht. Dass sich Menschen lieben ist doch seit dem Beginn
der Menschheit bekannt. Dass es zum allergrößten Teil die Gene sind, die
darüber entscheiden, ob eine Frau jetzt einen Mann, eine andere Frau oder sogar
beide Geschlechter liebt, weiß man auch schon seit geraumer Zeit. Und das Liebe
einer der stärksten Antriebskräfte eines Menschen ist und man sich kaum dagegen
wehren kann, ist auch keine neue Erkenntnis. Warum sollte man sich also
überhaupt dafür interessieren, wer jetzt wen liebt? Ist das nicht eigentlich
etwas privates, in das man sich nicht einmischen sollte? Solange beide Partner
alt genug sind um sich der Tragweite ihrer Entscheidungen bewusst zu sein, ist
es doch vollkommen uninteressant ob jetzt Mann und Mann, Frau und Frau oder
Frau und Mann ein Paar bilden. Und wenn sich das Paar nun einmal liebt und für
längere Zeit zusammen bleiben möchte, so steht einer Heirat doch nichts im
Wege! Kein Mensch sollte sich wegen seiner Homosexualität verstecken müssen, es
muss sich schließlich auch kein heterosexueller Mensch wegen seiner Heterosexualität
verstecken.
No freedome till we're equal.
Damn right - I support it!
Macklemore - Same Love
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