Die Karwoche und die Osterfeiertage sind nun vorbei und das Leben geht
wieder seinen gewohnten Gang. Für die Personen, die nicht gerade trotzdem
arbeiten mussten, oder aber wichtige Besorgungen erledigen wollten, bedeuteten
diese Festtage ein langes Wochenende. Häufig trifft sich die Familie, man isst
gemeinsam und geht unter Umständen auch in die Kirche. Schließlich ist die
Verkündung der Auferstehung Jesu nach seiner Kreuzigung doch eine frohe Botschaft!
Ein genauerer Blick in die Bibel lässt diese „frohe Botschaft“ jedoch in einem
etwas anderen Licht erscheinen.
In der Karwoche wird dem Leiden und Sterben Jesu gedacht. Aus diesem Grund
gibt es keine Orgelmusik, läuten keine Kirchenglocken und ziehen, in einigen
Regionen in Deutschland, vor der Messe Messdiener mit Ratschen durch das Dorf um die
Messe anzukündigen. Karfreitag ist deshalb auch heute noch in den allermeisten
Bundesländern ein sogenannter „Stiller (Feier)tag“, es dürfen also keine
Musik-und Tanzveranstaltungen stattfinden. Ostersonntag beendet dann die
Karwoche und es wird die Wiederauferstehung Jesu gefeiert. Diese
Wiederauferstehung ist in der christlichen Geschichte der letzte Beweis dafür,
dass Jesus wirklich der „Messias“ , der langersehnte Christus ist. Im Prinzip
ist dies eine berührende Geschichte, die auch unter literarischen
Gesichtspunkten nicht zu verachten ist. Es darf jedoch nicht vergessen werden,
dass Ostern nicht ganz zufällig das höchste Fest des Christentums ist. Ohne
Ostern, ohne Auferstehung, gäbe es kein Christentum, wäre die gesamte
Geschichte der Menschheit von dieser Zeit an völlig anders verlaufen. Anders
gesagt: Ostern legitimiert das Christentum, den christlichen Glauben. Und
Ostern legt damit auch den Grundstein für eine Einstellung, die man kritisch
betrachten sollte.
„Jesus
spricht zu ihm. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt
zum Vaterdenn durch mich.“ (Johannes 14,6) Dieser Satz ist der wahrscheinlich bekannteste Grundstein
für die Idee, dass man nicht durch Leistung, sondern nur durch Glaube „echter“
Christ werden kann. Ohne das
Osterereignis wäre dies ein beliebiger Satz von einem beliebigen Sektenführer
der vermutlich noch nicht einmal die aufgezeichnet würde und die Zeit
überdauert hätte. Mit dem Osterereignis ist dieser Satz für jeden Christen ein
Leitfaden und bindend. Und in diesem Satz liegt leider auch die Grundlage für
die teilweise unglaubliche Ignoranz der Kirche. Niemand kommt zum Vater denn durch mich bedeutet in erster Instanz
natürlich, dass sämtliche andere Religionen ein direkter Weg in die Hölle sind.
Aber abgesehen von dieser üblichen, für Religionen lebenswichtigen Ausgrenzung
anderer, hat dieser Satz noch eine ganz andere Implikation.
Taten sind
im Christentum unwichtig, was zählt ist der Glaube an Jesus Christus. Eine sehr
interessante Auswirkung ist vor einigen Wochen durch die Medien gegangen, als
darüber berichtet wurde, dass einer vergewaltigten Frau in einem katholischen
Krankenhaus die „Pille danach“ verweigert wurde. Nur der Glaube zählt, bedeutet
auch blinder Gehorsam gegenüber dem heiligen Text. Eine gewisse Arroganz
gegenüber den Personen, die dies nicht so sehen, ist zumindest in den höheren
geistigen Ämtern leider immer wieder zu finden. Weltfremdheit als Programm wäre
eine zu harte Formulierung, aber eine gute Portion Weltfremdheit gehört zu
einer ordnungsgemäßen Auslebung der Gebote doch dazu.
Interessant
wird dieser Satz auch, wenn man ihn unter dem Aspekt der Gerechtigkeit
betrachtet. Jemand, der sein ganzes Leben lang etwas für sein Umfeld geleistet
hat, aber ungläubig ist, wird nach christlicher Logik, bestraft. Sobald man
aber zu irgend einem Zeitpunkt des Lebens Jesus als seinen Erlöser akzeptiert,
folgt die Belohnung im Himmel. Selbst, wenn man vorher geraubt, gemordet,
getötet oder sich auf eine andere Weise gesellschaftsschädigend verhalten hat.
Unter rationalen Geschichtspunkten ist diese Art der Bewertung nicht wirklich
einleuchtend. Sie kann in bestimmten Fällen für eine Gesellschaft sogar
kontraproduktiv sein. Die Gewissheit, durch den bloßen Glauben an Jesus errettet
zu werden, bringt einen nicht zwingend dazu, sich gesellschaftlich zu
engagieren. Zwar sind viele gläubige Menschen sehr engagiert, das Engagement bleibt
aber oft auf den kirchlichen Bereich beschränkt. Natürlich hat Jesus auch von
Nächstenliebe und Feindesliebe gepredigt, aber in der heutigen Umsetzung wird
oft übersehen, dass auch Jesus sich aus menschlichen Gründen über das
Arbeitsverbot am Sabbat hinweggesetzt hat. Vor allen in den religiösen Regionen
Deutschlands bedeutet „Niemand kommt zum
Vater denn durch mich“ immer noch, dass das Werk an Gott vor dem Werk am
Menschen kommt. Und legitimiert wird dieses jedes Jahr aufs Neue mit der „heiligen
Woche“, also die Karwoche inklusive der Osterzeit.
Der Bogen, den ich vom Osterfest zu dem Satz von
aus dem Johannesevangelium gezogen habe, mag ein wenig überspannt sein.
Natürlich legitimiert das Osterfest eigentlich jeden Satz aus der Bibel und
jedes weitere christliche Fest, so dass man theoretisch das Osterfest als Grund
für jede christliche Praktik, die man kritisieren möchte, anführen könnte. Die
Erfahrung, dass jedoch gerade dieser Satz, der ein wirkliches extreme
explosives Potential hat, im Rahmen der Ostertage immer wieder aufgetaucht ist,
hat mich jedoch etwas verwundert. Es gibt so viele Sätze aus der Bibel, die
auch ein säkulares Publikum ansprechen, warum muss ausgerechnet so ein
intoleranter und konfliktbeladener ausgewählt werden? Warum muss man im Rahmen
dieser so entspannten Feiertage auf so einen spannungsgeladenen zurückgreifen?
Verstehen werden das vermutlich wieder einmal nur die Personen, die diesen Satz
als Lebensmotto verinnerlicht haben, nicht die, die sich eher an „Liebe deinen nächsten wie dich selbst“
(Galater 5.14) orientieren.
Der Glaube ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Glaube!
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