Sonntag, 15. April 2012

Seid Welfremd!

Eine Frage, die sich einem im Laufe der Oberstufe immer häufiger stellt, ist sicherlich: „ Was möchte ich werden?“ Meistens gibt es von der Familie und dem sonstigen sozialen Umfeld viele gut gemeint Ratschläge, für die Zeit nach der Schule, aber sehr häufig wird diese Frage auf die bloße berufliche Ebene herunter gebrochen. Dabei bedeutet das spätere „werden“ einer Person weit mehr als nur seinen Beruf! Und auch im Bereich dieser beruflichen Ebene herrscht meistens eine sehr konservative Stimmung: „ Mach was dir Spaß macht, aber mach was vernünftiges!“ ist ein Satz, den wahrscheinlich nicht nur ich häufiger zu hören bekomme, wenn es um die Berufs- oder Studiumswahl geht. Meistens kommt dieser Vorschlag von Eltern oder Verwandten, die schon seit deutlich mehr als einem Jahrzehnt im Berufsleben stehen und einem ad hoc mindestens ein Dutzend Beispiele dafür aufzählen können, warum ihr Beruf den etwas „vernünftiges“ ist. Aber muss dieses „Vernünftige“ wirklich ein bestimmender Faktor in der Berufswahl sein? Was ist überhaupt vernünftig?

Die meisten Personen halten Berufe, in denen man genug Geld verdient um sich und eine eventuell später dazukommende Familie, zu ernähren. Aber ist dies wirklich vernünftig? Natürlich ist Geld in unserer Gesellschaft ein Gut, von dem eine Menge abhängt und dessen Anwesenheit viele Angelegenheiten des täglichen Lebens sehr einfach macht. Aber: Geld ist nicht alles! Es gibt eine Menge an Beispielen dafür, dass dieser Spruch mehr ist, als nur eine leere Floskel. Was bringt einem ein Beruf, in dem man nachher eine Menge an Geld verdient, aber nicht glücklich ist? Bei der Berufswahl sollte es in aller Linie darum gehen, ob einem der Beruf Spaß macht. Dies bedeutet, dass einem die Vorstellung, dreißig oder vierzig Jahre seines Lebens dieser Beschäftigung nachzugehen keine Angstschauer über den Rücken Jagd, sondern einem ein wohliges Gefühl in den Bauch zaubert. Die Berufswahl ist für mehr als nur die finanzielle Sicherheit im späteren Leben verantwortlich, sie entscheidet bedeutend über die spätere Lebensqualität. Und hier kommt dann die Definition von „Vernünftig“ zu einer besonderen Gewichtung. Was „Vernünftig“ ist, sollte man als Person für sich selber entscheiden. Man ist in dieser Entscheidung nicht abhängig von der Gesellschaft, sondern nur von seinen eigenen Interessen, seinen eigenen Wünschen und Träumen! Und diese persönliche Definition von „Vernünftig“ muss nicht unbedingt mit der Definition von den Eltern, den Freunden oder dem sonstigen sozialen Umfeld übereinstimmen!

Ich denke, dass ich nicht der einzige Junge sein werde, der sich Sprüche wie: „ Ein ordentlicher Junge muss doch wohl Tapezieren/Reifen wechseln/Zahnriemen wechseln/ ein Fahrrad auseinander und zusammenbauen/ alle Bohrmaschinenmarken kennen und bedienen/ ein vernünftiger Heimwerker sein können!“ anhören darf. Es steckt in jedem dieser Sätze ein Funke an Wahrheit, da es sehr vorteilhaft ist, wenn man wenigstens die grundlegenden handwerklichen Fertigkeiten beherrscht, aber dies gilt unabhängig vom Geschlecht. Und muss man wirklich in der Lage sein, einen Dachboden selber auszubauen, das Haus selbst zu isolieren oder ein Fahrrad aus Einzelteilen zusammenzubauen? Es gibt keinen logischen Grund dafür, warum man selber sämtliche handwerklichen Aufgaben in einem Haus ausführen können muss. Natürlich ist es immer von der verfügbaren Menge an Geld abhängig, wie viel man selber machen muss, aber wenn man etwas wirklich machten möchte und nicht über die nötigen finanziellen Ressourcen verfügt, dies von jemandem machen zu lassen, dann fängt man eben an sich dafür zu interessieren. Und damit kann es auf einmal für einen selber zu etwas „vernünftigen“ werden. Vernünftig sind für mich in Sachen Beruf oder Hobbys Dinge, die mich interessieren. Handwerkliche Arbeitsgänge gehören nicht wirklich dazu, dafür aber Naturwissenschaften, Philosophie und einige andere Themen, die eher dem theoretisch-abstrakten Feld zuzuordnen sind. Dies bedeutet, dass ein Philosophiestudium für mich etwas vernünftiges ist, in meinem sozialem Umfeld jedoch zum größten Teil als „vollkommen unnütz“ oder sogar als „völliger Schwachsinn“ angesehen wird. In den Augen dieser Menschen ist eine Lehre mehr oder weniger das einzig Wahre und jedem jungen Mann nur zu empfehlen. Für mich ist jedoch eine Lehre im Bereich „Persönliche Berufswahl“ vollkommen unvernünftig, da ich mir nicht vorstellen kann, in einen Handwerksbetrieb für den Rest meines Lebens zu arbeiten. Wenn ich jedoch diese Meinung vertrete und erwähne, dass ich mehr für Philosophie und Biologie interessiere, dann wird mir meist vorgeworfen, ich sei doch Weltfremd. Dieses Wort wird meist im negativen Sinne verwendet und ordnet einen irgendwo zwischen Hippie und späterem Sozialschmarotzer ein, aber ist es wirklich so negativ? Sollte man es vielleicht nicht sogar als Kompliment sehen?  

Da die Berufswahl eine nahezu vollkommen subjektive Wahl ist, steht jedem auch seine eigene subjektive Entscheidung zu. Diese Entscheidung sollte nur im Einklang mit seinen eigenen Interessen, seinen eigenen Wünschen und Träumen getroffen werden! Und dies bedeutet, dass diese Entscheidung einigen Menschen als sehr „Weltfremd“ erscheinen wird. Dabei ist die eigene Lebensart vielleicht objektiv betrachtet nicht wirklich praxisnah, aber wenn man wenig in der objektiven Welt steht, dann wäre jede „objektive richtige“ Entscheidung „weltfremd“, da man schließlich in seiner eigenen, aus den eigenen Interessen, Wünschen und anderen Faktoren aufgebauten Welt lebt. Und die richtige Entscheidung in der eigenen Welt zu treffen ist etwas, zu dem man jede Person ermuntern sollte. „Sei Weltfremd!“ ist eine Parole, die man jeder Person immer und immer wieder zurufen sollte. Sei mutig und verwirkliche deine Träume! Sei stark und kämpfe für deine Wünsche! Während es für einige Personen nichts unsinnigeres, weltfremderes, geben kann als philosophische Texte zu lesen oder selber zu schreiben, gibt es andere Leute, die genau dies als ihre Welt ansehen. Oder die ihre Welt betreten, wenn sie einen Fuß in einen Laborraum setzen. Personen, deren Welt die Bühne oder die Leinwand ist. All diese Menschen werden gerne mit dem Attribut „Weltfremd“ versehen, dabei leben sie genauso in ihrer Welt wie die Menschen, die sie so betiteln.

Wenn eine Tätigkeit oder eine Aktivität von einer Person als „Weltfremd“ bezeichnet wird, wird sie in der Regel von dieser Person auch nicht unterstützt. Und diese mangelnde Unterstützung ist etwas, das sehr viele Träume sehr schnell versanden lässt. Dabei sind es meistens gerade diese „Weltfremden“ Personen, die großes erreichen können. Die Menschheit ist nicht aufgrund von wirtschaftlichen Erwägungen auf dem Mond gelandet, hat nicht aufgrund von wirtschaftlichen Erwägungen den Nord- und Südpol erkundet oder die Tiefsee erforscht. All diese Leistungen sind zu zustande gekommen, weil Personen träume hatten! Träume sind die stärkste Antriebskraft über die ein Mensch verfügt. Nichts motiviert mehr, nicht stattet einem mit mehr Energie aus, nichts lässt einen mehr ertragen als ein Traum, den man verwirklichen will. Dieser Wille, diese Energie, die hinter jedem Traum steht, ist ein gut, das unbedingt genutzt werden sollte. Es gibt für mich keine schlimmere Welt als eine, in der jeder Mensch sein Leben „vernünftig“ gestalten würde, also nur Dinge tut, die einen sichtbaren Nutzen haben und die bekannt sind. Es sind die „Weltfremden“ ,die Verrückten und die Träumer, die neues Erfinde und das Leben voranbringen. Und wenn man jungen Menschen die Möglichkeit gibt, „Weltfremd“ zu sein und sich ihrem Interesse zu widmen, dann wird man sehr schnell feststellen, dass diese Personen ein enormes Potential besitzen und vieles schaffen, dass für unmöglich gehalten wurde.

Seid weltfremd und seit neugierig! 
 Diese Parole sollte man immer wieder aufs neue verkünden und erleben, da sie fast schon ein Garant für neue Innovationen, neues Wissen ist. Wenn es jemanden trotz aller Hindernisse gelingt, seine Träume verfolgen zu können, dann ist ihm kein Berg zu hoch, kein Weg zu weit und kein Hindernis zu groß´, um sein Ziel zu erreichen. Und gerade diese Personen sind etwas besonderes, ein kostbares Gut. Diese Personen sollten wenigstens nicht gebremst werden in ihrer Motivation, denn für sie ist nun einmal Theater, Film, Biologie, Philosophie, Physik oder ein anderer Fachbereich „Vernünftig“. Dies sollte auch die Gesellschaft akzeptieren und sie ihren Interessen nachgehen lassen. Denn nur da es diese Leute gibt, gibt es Innovationen, Erfindungen und Wissenszuwachs, der nachher auch von anderen Leuten als „Vernünftig“ angesehen wird!     
Nur du kannst dein Leben leben!

4 Kommentare:

  1. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass es wichtig ist, gewisse handwerkliche Fähigkeiten zu haben. Dabei meine ich nicht nur die traditionell geschlechtsspezifisch erwarteten Fähigkeiten (obwohl ich ein ganz vorbildliches weibliches Wesen bin und so kochen, backen, Hemden bügeln, gärtnern, stricken, häkeln und Socken stopfen kann), sondern auch die des anderen Geschlechts. Damit schafft man sich eine Unabhängigkeit, wenn man als Frau den Fahrradschlauch selbst wechseln kann (will ja nicht nerven, aber: heute gemacht...), einen Nagel in die Wand bekommt, den Fernsehr wieder in Gang setzen, und einen Baum beschneiden kann. Umgekehrt gilt nichts anderes.
    Den Dachboden isoliert habe ich auch schon mal...

    Doch die Ansicht, nicht nur das offensichtlich nützliche wäre gut, teile ich. Die Forschung bringt auf den ersten Blick vielleicht keinen so direkten Gewinn wie das Bäckerhandwerk, doch letzlich ist das gewonnene Wissen viel wertvoller. Ich bin überzeugt, dass jeder darin am besten und damit auch am nützlichsten sein wird, wofür er eine Leidenschaft hegt.

    Daher entscheide dich selbst, welchen Weg du einschlagen willst und lass dich nicht in eine unliebsame Richtung drängen. Sonst findest du dich vielleicht noch auf der Suche nach dem Sinn und dir selbst auf dem Jakobsweg wieder, weil die davor getroffenen Entscheidungen dich derart unglücklich gemacht haben.
    Ich sehe Biologie als sehr praktischen und sinnvollen Tätigkeitsbereich an und auch Philosophie hat für mich eine Daseinsberechtigung. Für mich ist ein naturwissenschaftliches Studium alles andere als weltfremd - es ist meine erste Wahl.

    Abschließend möchte ich hinzufügen, dass ich den Artikel mag, doch das Ende stieß mir ein wenig sauer auf. "träume nicht dein Leben - lebe deinen Traum - ja, das ist sehr wahr und wichtig, doch es ist mittlerweile so abgedroschen, dass zwölfjährige es standardmäßig in ihre Poesiealben schreiben und vermutlich jeder dritte jappy-Nutzer es in seiner Selbstbeschreibung angibt. Ich kann den Satz einfach nicht mehr hören.

    Schön, mal wieder einen Eintrag von dir zu lesen.

    Gruß,

    Apfelkern

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  2. Was will ich mal machen - das ist meiner Meinung nach eine Frage, die sich viele Schüler viel zu spät stellen, bzw. auch viel zu wenig Unterstützung bei der Entscheidung dieser Frage bekommen.
    Erinnere ich mich an die Zeit, als ich mir diese Frage stellen musste, kann ich behaupten nur einen Menschen in meinem Umfeld gehabt zu haben, der mir dabei tatsächlich aktiv unter die Arme griff. Viele meiner Klassenkameraden wussten so wenig wie ich, was sie machen wollten und sollten; dass es in der Schule kein vorbereitendes Fach gab, mit welchen Studiengängen z.B. man was welche Tätigkeiten ausführen konnte, was es für Möglichkeiten überhaupt gibt, finde ich im nachhinein sehr schade. Wie das heute ist, weiß ich aber nicht.

    Ich assoziiere "Weltfremd" automatisch auch gleich mit naiv und kindlich. Aktuell bin ich sehr froh, einen Beruf auszuüben, der "vernünftig" ist, mit dem ich mein Leben gut finanzieren und mir das ein oder andere auch leisten kann. Ich finde den Gedanken beängstigend eine Tätigkeit auszuüben, mit der ich nur schwer über die Runden komme. Heutzutage ist das ja absolut keine Seltenheit mehr. Beispielsweise als alleinerziehendes Elternteil.

    Ich finde das Geld im Leben sehr viel bestimmt. Geld ist nicht alles? Okay. Aber trotzdem macht Geld im Leben einen riesigen Teil aus. Fahre ich jeden Morgen mit dem vollgestopften Bus (okay, auch das kostet heute schon gar nicht mehr so wenig...), oder doch lieber mit meinem eigenen Klein- oder Mittelklasswagen? Gönne ich mir den Luxus einer Zigarette vor der Arbeit oder eines Kaffees beim DriveIn? Schlafe ich bei -15 Grad Außentemperatur lieber in meinem gemachten Federbett und dusche in der Früh im wohlgeheizten Bad oder schlafe ich auf einer klapprige, alten, ausgelegenen Schlafcouch, weil ich für mehr in meiner Wohnung keinen Platz habe? Gehe ich in einen Supermarkt und suche mir das schönste Gemüse aus, das ich am Abend frisch zubereiten möchte, oder stelle ich mich pünktlich um 17 Uhr bei der Tafel an, um überhaupt etwas zu Essen bekommen zu können?
    Ja, die Beispiele sind vielleicht etwas... hm, schwierig? Aber solche Lebenssituationen gibt es; vebreiten sich auch immer mehr.

    Solche Gedanken sind für mich der pure Graus, so möchte ich niemals leben. Deshalb ist mir ein "vernünftiger" Job auch sehr wichtig.

    Ich finde eine gewisse Eigenständigkeit sollte jeder haben. Ich bin nicht sonderlich begabt was handwerkliches Geschick angeht - jedoch ist meiner Meinung nach ein Minimum ein muss. Wenn ich sehe, dass mein Freund doppelt so lange braucht wie ich, um ein kleines Regal aufzubauen (und das, obwohl ich im zwischenzeitlich geholfen habe), dann finde ich das schon echt unschön. Vielleicht ist es ein Klischee, aber für mich muss ein Mann eigenständig kleine Dinge selbst bewältigen können. Allerdings sieht das bei Frauen auch nicht anders aus - wenn ich etwas nicht kann, dann lasse ich mir das zeigen und versuche es beim nächsten Mal selbst. Wenn ich aber in meiner Umgebung niemanden finde, der es mir erklären kann, dann ist das schon traurig. Natürlich, ich will niemanden beleidigen, der bei handwerklichen Dingen vielleicht noch unbegabter ist als ich; aber zumindest ein gewisser Wille etwas selbst zu machen sollte vorhanden sein. Wenn der Mann nur deshalb (lt. seiner Aussage) keine Wäsche wäscht, weil er nicht weiß, wie man die Maschine einstellt, dann lässt er sich das eben zeigen. Mit ein bisschen Übung klappen die kleinen haushaltlichen Dinge bestimmt. Und genau das denke ich auch von anderen Arbeiten, die so im Alltag anfallen können.

    Ich stimme Apfelkern in ihrem letzten Absatz des Kommentares zu - das letzte kleine Zitat deines Posts finde ich auch ziemlich ausgelutscht. Schade, dass du deinen Posts nicht etwas... ich sag mal "wertvoller" abgeschlossen hast. Ein anderer Abschluss hätte deine Aussagen dieses Eintrages bestimmt sehr viel runder abgeschlossen.

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  3. Beeindruckt bin ich von deiner Fähigkeit mit Worten so umzugehen, dass ich jedes Wort nachvollziehen kann und nicht nach dem roten Faden suchen muss. Solche komplexen Themen derartig darzustellen, dass ich vor meinem PC sitze und innerhalb von 15 Minuten eine Erleuchtung nach der anderen erhalte und glücklich bin so etwas gefunden zu haben mit dem ich mich noch mehr identifizieren kann, statt in 90 Minuten Philosophieunterricht unermüdlich mit Personen zu sitzen, die sich überhaupt nicht dafür interessieren um den heissen Brei zu reden und an einer Stelle zu tippeln, spricht für dein Talent!

    Wie du schon selbst sagst, nicht jedem ist es in die Wiege gelegt sich mit Philsophie oder ähnlichem auseinander zu setzten aber du bist einer der wenigen. Ebenso wie ich. Wenn es dich erfüllt und dir dieses '' wohlige Gefühl in den Bauch zaubert'', dann ist es das, was du Schritt für Schritt verwirklichen solltest.

    Herzallerliebster Gruss!

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  4. RE: Natürlich sind nicht alle Leute, mit denen man was zu tun hat, Freunde.
    Allerdings hab ich das Problem des Nichtunternehmen mit meinem tatsächlichen Freunden! Leute, die ich als Freunde bezeichne. D:

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