Bildung als „wertvollstes Gut“,
als „Wohlstandsgarant oder als „Integrationsmeister“. Bildung ist ein Thema,
das Generationen- und Kontextübergreifend Personen beschäftigt und zu dem
nahezu jeder eine eigene Meinung hat. Bildung ist aber auch etwas, das anscheinend
ständig knapp ist. In der Politik ist es im Moment modern über die Förderung
der MINT-Fächer und die Frauenbildung zu reden. Außerdem bemühen sich nicht nur
Politiker verschiedenster Couleur, sondern auch viele zivilgesellschaftliche
Gruppen um „Integration durch Bildung“. Bildung scheint also vieles
Gleichzeitig zu sein und wird dementsprechend gerne auf verschiedenste Arten
definiert. Um sich nicht in der Vielzahl der Definitionen und der daraus
resultierenden Problemen zu verlieren, ist es für eine Analyse des Themas
„Bildung“ sinnvoll, sich auf ein spezielles Thema zu konzentrieren. Da
Schulbildung wahrscheinlich das ist, was den meisten Personen in Bezug auf den
Begriff „Bildung“ einfällt, soll sich dieser Text etwas mit dem Bildungsbegriff
in diesem Kontext und den grundsätzlichen Vorteilen und Problemen der
momentanen Art und Weise der Schulbildung beschäftigen.
Auch wenn die Vorstellungen von
verschiedenen Personen und Interessensgruppen in Bezug auf die Bildung, die die
Schule vermitteln soll, aufgrund der mittlerweile stark diversifizierten Ausrichtungen
der verschiedenen Schulmodelle sicherlich deutlich divergieren, so lässt sich
doch folgender Satz als Grundsatz nehmen: Schule
soll die Kinder und Jugendlichen sowohl sozial als auch intellektuell auf das
„nachschulische“ Leben vorbereiten. Wie das „nachschulische“ Leben
aussieht, sei es ein Studium, eine Ausbildung oder eine Zeit als
Selbstständiger, hängt mit Sicherheit stark von der jeweiligen Schulform ab,
aber das hat eigentlich keinen großen Einfluss auf die grundsätzliche Idee
davon, was grundlegend für Bildung und wie diese Grundbildung vermittelt werden
muss.
Ich habe bis jetzt Bewusst den
Ausdruck „Bildung“ und nicht „Wissen“ benutzt, da es sich lohnt eine klare
Differenzierung beider Wörter zu beachten. „Bildung“ ist sozial-kulturell-intradisziplinär
kontextualisiertes „Wissen“ und somit „wertvoller“ als bloßes Wissen. Und genau
diese Differenzierung wirft ein grelles Licht auf eines der größten Probleme in
den meisten Schulformen.
Die Schule ist in den Augen einer
großen Anzahl an Personen der Ort, an dem Wissen vermittelt wird. Im
Mathematik-Unterricht wird „Mathe-Wissen“ angesammelt, im Chemie-Unterricht
„Chemie-Wissen“ und in Musik „Musik-Wissen“. Die verschiedenen „Geschmacksrichtungen“
des Wissens werden getrennt unterrichtet und oft nur in einen losen Kontext
zueinander gesetzt. Natürlich ist dies in vielen Situationen notwendig, vor
allem wenn es um die Vermittlung von grundlegenden Wissen geht. In vielen
Fällen wäre jedoch ein deutlich vernetzteres Arbeiten sinnvoll. Das Argument,
dass man ja auch nicht verschiedene Eissorten mischt, weil das nicht schmeckt,
wird zwar gerne gebracht, ist aber zu kurz gedacht. Um den Schüler nicht nur
Wissen zu vermitteln, sondern sie tatsächlich zu bilden, ist es notwendig, dass
sie ihr Wissen kontextualisieren. Dies geschieht in vielen Fällen schon von
ganz alleine, aber wenn dieses Verknüpfen von Wissen ein obligatorisches
Element im Schulalltag wäre, so würde deutlich weniger Wissen verloren gehen.
Um dies umzusetzen, bedarf es zwar an vielen Stellen einer Feinanpassung des
Unterrichts, aber im Großen und Ganzen wäre es ohne deutlichen Mehraufwand
umsetzbar. So könnte beispielsweise ein Teil der naturwissenschaftlichen
Unterrichtsstunden für interdisziplinäre Projekte verwendet werden. Und
Verbindungen zwischen Musik, Mathematik und Physik bieten auch einige
Anknüpfungspunkte um gerade die Mathematik etwas mit Leben zu füllen. Religion
kann man sehr gut mit Geschichte oder Sozialwissenschaften/Politik kombinieren.
Wenn sich in den Schulen eine Kultur fächerübergreifenden Arbeit durchgesetzt
hat, werden sich wahrscheinlich auch viele weitere Möglichkeiten ergeben, die
man erst während der engeren Zusammenarbeit entdeckt. Um in dem anfangs genannten
sprachlichen Bild zu bleiben: Curry ist eine schmackhafte Mischung von sehr
vielen Gewürzen, die im richtigen Verhältnis zueinander gemischt sind!
Ein weiteres Problem an vielen
Schulen ist das fehlende Eigenengagement von Schülern. Oft wird die
Unterrichtszeit einfach irgendwie abgesessen und die Schüler sind froh sobald
die Schulglocke zum letzten Mal klingelt. Gerade mit Beginn der Pubertät, also
ab der sechsten oder siebten Klasse kommt es bei vielen Schülern zu echten
Motivationsschwierigkeiten. Natürlich sind dies Probleme, die teilweise einfach
dem Normalverhalten eines sich umbauenden Hormonstoffwechsels geschuldet sind.
Dennoch lässt sich ein nicht zu unterschätzender Teil dieser
„Null-Bock-auf-Schule“-Phase auch auf die Art der Bildungsvermittlung
zurückführen.
Schüler sind, auch wenn das
Modell des Frontalunterrichtes zum größten Teil ausgedient hat, in den
allermeisten Fällen als passives Mitglied am Unterricht beteiligt. Dies ist erst
einmal gar nicht negativ, da für die Grundlagenvermittlung immer noch eine
lehrerzentrierte Unterrichtsform am effektivsten ist. Sobald die Grundlagen
jedoch verstanden sind und darauf aufbauendes Wissen vermittelt wird, gewinnen
andere Unterrichtsmodelle zunehmend an Berechtigung. Man kann jetzt natürlich
die Frage stellen, warum der Lehrerzentrierte Unterricht, wenn er doch so
effektiv die Grundlagen vermittelt, nicht auch ideal für die Vermittlung des
weiterführenden Wissens sein soll. Warum etwas Bewährtes gegen etwas Neues
austauschen? Die Antwort auf diese Frage ist ziemlich einfach: Die Vermittlung
von Grundlagen ist ein vollständig anderes Geschäft als die Vermittlung der
weiterführenden Informationen!
Grundlagen müssen von jedem
Schüler unabhängig von seinem Interesse beherrscht werden, damit er zumindest
in groben Zügen alle Informationen, die irgendwie dieses Fach betreffen
einordnen kann. Während sie für einen desinteressierten Schüler einfach eine
Notwendigkeit sind, bieten sie für einen interessierten jedoch den Nährboden
für die Befriedigung seiner Neugierde. Durch das Erlernen der Grundlagen werden
viele Fragen aufgeworfen, für deren Beantwortung ein tieferes Eintauchen in das
Thema notwendig ist. Das „Problem“, welches diese Neugierde darstellt ist, dass
sie sich von Schüler zu Schüler stark unterscheidet. Während den einen im Fach
X vor allem den Themenbereich Y interessant findet, ist für den anderen der
Themenbereich Z deutlich wichtiger. Im lehrerzentrierten Unterricht sind diese
diversen Interessen jedoch etwas, was nicht berücksichtig werden kann, da sich
der Lehrer an seiner eigenen Agenda orientieren muss. Dies führt relativ
schnell dazu, dass die anfängliche Neugierde in Frustration umschlägt und die
Schüler im schlimmsten Fall sogar das Interesse an diesem Fach verlieren. Und
diese Frustration dürfte einer der wichtigsten Auslöser für das fehlende
Eigenengagement der Schüler sein. Besonders deutlich wird dies immer dann, wenn
man einmal einen Blick auf die Freizeitbeschäftigung der Schüler wirft.
Gerade unter den Jungen in der
Unterstufe dürfte es nur eine Minderheit geben, die nicht Fußballfan ist und
den aktuellen Punktestand der Tabelle auswendig kennt. Zusätzlich dazu sind die
meisten Jungen dazu in der Lage, einen guten Teil der Vereinsgeschichte „ihres“
Vereins zu erzählen und kennen oft sogar eine Vielzahl an Transfers und
Trainerwechseln. Ein wichtiger Grund für diese Bildung ist, dass sie nicht nur
an dem Thema interessiert sind, sondern in den meisten Fällen auch noch
Unterstützung von ihren Freunden und Familien erfahren. So wird aus
anfänglichem vorsichtigem Interesse schnell Begeisterung. Und diese
Begeisterung hält in vielen Fällen ein Leben lang. Während Fußball sich
thematisch nur schwer in das Schulcurriculum einbinden lässt, so fällt dies mit
der Begeisterung für Raumfahrt, Kunst, Autos, Dinosaurier, Ritter und vielen
weiteren „Kinderthemen“ sehr viel einfacher. Die Begeisterung ist bei vielen
dieser Themen schon sehr früh geweckt worden, wird aber, bis auf wenige
Ausnahmen, nur außerschulisch ausgelebt werden können. Wenn diese Begeisterung
jedoch Unterrichtsinhalt werden kann, so wird man feststellen dass auch Schüler
mitten in der Pubertät noch hochmotivierte und interessierte Personen sein
können. Diese Begeisterung muss noch nicht einmal von „zu Hause“ mitgebracht werden,
ihr Samen kann oft genug auch schon bei der Vermittlung von Grundlagen in
eigentlich jedem Fach gesät werden. Wenn die Schüler die Möglichkeit eingeräumt
bekommen, ihre speziellen Ideen und Fragestellungen zu diesem Thema zu
bearbeiten, so entsteht aus Interesse ganz schnell Begeisterung und Motivation.
Und diese Begeisterung für ein Themenbereich in einem Fach hilft in vielen
Fällen auch ganz gut dabei weniger interessante „Durststrecken“ zu überstehen.
Ein Unterrichtskonzept, welches,
nach der Vermittlung der Grundlagen, die verschiedenen Interessen der Schüler
in den Mittelpunkt stellt, würde zumindest Teilweise der „Null-Bock“-Phase der
Pubertät entgegenwirken und schon frühzeitig zu motivierten Personen mit hohen
Problemlösungskompetenzen entstehen lassen. Es setzt aber voraus, dass die
Schüler mehr oder weniger frei für sie besonders interessante Fragestellungen
bearbeiten können und sie auch das entsprechende Fachmaterial dafür bekommen.
Außerdem ist eine interdisziplinare Zusammenarbeit der verschiedenen Fächer
auch dringend notwendig um die Fragenstellungen nicht zu stark einschränken zu
müssen. Dies bedeutet aber auch, dass meist mehr als ein Lehrer pro Klasse
gebraucht würde und die Lehrer nicht nur besondere Kompetenzen in der
Wissensvermittlung benötigen, sondern auch über ein relativ weites gestreutes
Fachwissen verfügen sollten. Zudem muss dieses Unterrichtskonzept, das ja doch
einiges an Eigenarbeit erfordert, schon in der Grundschule implementiert
werden, damit die Schüler auf den weiterführenden Schulen dann auch wissen was
von ihnen erwartet wird. Die Erfahrung zeigt, dass es nahezu unmöglich ist,
Schüler, die bis zur Mittelstufe nur den lehrerzentrierten Unterricht gewöhnt
sind, auf einmal mit eigenverantwortlicher Arbeit zu „belasten“.
Neben all den „technischen“
Probleme, wie der Veränderung der Lehrerausbildung oder der sehr guten
Absprache zwischen den verschiedenen Fächern gibt es aber auch noch ein ganz
anderes Problem: Die Auswahl der Schüler. So wie nicht jede Person Spaß daran
hat Verantwortung für viele Personen zu tragen, so hat auch nicht jeder Schüler
Spaß daran sich mit Theorie zu beschäftigen – und das ist auch gut so! Eine
Gesellschaft ohne Handwerker ist genauso so funktionsunfähig wie eine ohne
Akademiker. Es muss also ein Auswahlverfahren geben. das weitestgehend objektiv
die Motivation und den Spaß am eigenverantwortlichen Arbeiten des jeweiligen
Schülers bewertet. Da im Laufe der Schulzeit noch große Entwicklungen möglich
sind, sollte das System eine gute Durchlässigkeit aufweisen, aber ohne eine
gute Zusammenstellung der Klassen wird kaum ein effektives Arbeiten möglich
sein.
Bildung ist das was übrigbleibt,
wenn wir alles gelernte wieder vergessen haben!
Schmitti, Mensch! Der Schlusspruch gefällt mir.
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