„MINT-Frauen“, „Frauen für MINT“
oder „Frauen in MINT-Berufen“. Programme und Slogans für die Förderung des
Interesses von Mädchen und Frauen in den Fachbereichen Mathe, Informatik,
Naturwissenschaften und Technik gibt es zu Hauf. Vor allem im Bereich der Schulen
sind spezielle MINT-Programme für Mädchen mittlerweile beinahe schon ein Standard.
Wenn ich als Mentor des „JuForums e.V.“ in Schulen gehe und für Naturwissenschaften
Werbung macht, wird man eigentlich immer
von Lehrern darauf angesprochen, ob der Verein auch spezielle Förderung für Mädchen
anbietet. Da einige Landes- und Bundesinitiativen, die, vor allem im Bereich
der Studienfachwahl, dass selbe machen, auch darauf angesprochen werden,
scheint es eine Art „Erwartungshaltung“ in dieser Hinsicht zu geben: Mädchen und
Frauen müssen im MINT-Bereich besonders gefördert werden! Objektiv betrachtete
erschien mir das immer zweifelhaft und mittlerweile halte ich es auch aufgrund
eigener Erfahrungen für fragwürdig bis falsch.
Das biologische – und der vollständigkeitshalber,
soziale – Geschlecht einer Person spielt für mich keine Rolle, wenn es darum
geht, jemandem etwas beizubringen oder ihm bei etwas zu helfen. Entscheidend ist
die Motivation der Person und seine Interessenfelder. Diese beiden Punkten
scheinen zwar geschlechtsspezifische Regelmäßigkeiten aufzuweisen – Fußball vs.
Haare, um es überspitzt auszudrücken – aber ob sie deshalb grundsätzlich eine
Rolle spielen müssen wage ich zu bezweifeln. Wenn ich vor einer fünften Klasse
stehe und ihnen an verschiedenen Beispielen Lust an Naturwissenschaften und
Forschung machen kann, dann teile ich die Klasse nicht in Jungen und Mädchen
auf. Da der Spaß an Biologie, Chemie, aber auch an Mathe oder Informatik meist
nicht im Unterricht kommt, sondern erst über das eigenständige Entdecken und
Erforschen von den Dingen, die einen Interessieren, reicht es, dies zu vermitteln.
Solange jemand Spaß daran hat, etwas zu erforschen oder besser zu verstehen,
benötigt er keine geschlechterspezifische Ansprache, sondern einfach nur
Beispiele, wie das überhaupt geht. Wenn man es schafft den Schülern zu
vermitteln, dass man „lediglich“ mit offenen Augen durch den Alltag gehen muss
und wirklich auch das Wahrnimmt, was man sieht, um etwas Interessantes zu
entdecken, hat man schon gewonnen. Um im Klischeedenken zu bleiben: Während Jungen
danach anfangen ihre Fußbälle so zu verbessern, dass sie schneller fliegen,
mischen sich die Mädchen hautfreundliche Haarfarbe. Wobei es erwähnenswert ist,
dass ich bis jetzt relativ selten genau diese Aufteilung gefunden habe. Die
MINT-Fächer sind eben vor allem an das jeweilige Interesse gekoppelt und nicht
an das Geschlecht.
Auffallend ist jedoch, dass
gerade in den unteren Klassen deutlich mehr Mädchen als Jungen Spaß an
Naturwissenschaften haben und ihre Fähigkeiten in diesem Bereich auch gerne auf
Wettbewerben wie „Jugend forscht“ oder den „Chemie-, Biologie- etc. Olympiaden“
unter Beweis stellen wollen. Diese Beobachtung gilt aber nur unter der
Einschränkung, dass vorher einmal eindeutig und altersgerecht auf diese
Wettbewerbe hingewiesen wurde. Außerdem habe ich bis jetzt die Erfahrung
gemacht, dass Mädchen in den unteren Klassen ihre Arbeiten oft disziplinierter
gestalten und hartnäckiger am Thema bleiben. Tritt man mit demselben Anliegen
in der Oberstufe auf, sind es jedoch eher die Jungen, die Interesse daran
haben. Es ist mir nicht klar, warum das so ist und habe zwei verschiedenen
Theorien dazu:
1. Während der Pubertät verändert
sich das Interessenfeld so stark, dass ein Großteil der Mädchen danach
tatsächlich kein Interesse mehr an den MINT-Fächern hat.
2. Es wurde in den Unterstufen
niemals wirklich aufgezeigt, was die MINT-Fächer eigentlich sind und wie man
viel Spaß in diesem Bereich haben kann. Infolgedessen sind in der Oberstufe nur
noch diejenigen darin interessiert, die gerne mit Technik spielen oder deren
Interesse schon immer da war. Dies scheinen meist Jungen zu sein und auffallend
oft kommt ihr Interesse an den Naturwissenschaften über die Technik.
Falls noch jemand eine andere
Idee hat, darf er sie gerne als Kommentar hinzufügen!
Unabhängig von der Frage, warum
Mädchen und Frauen nur relativ selten im Berufsleben im MINT-Bereich
anzutreffen sind, scheint eine möglichst frühzeitige Nachwuchsarbeit sehr
sinnvoll zu sein. Gerade im Verbund mit naturwissenschaftlichen Wettbewerben,
die einem ein sehr gutes Ziel für sein Interesse bieten, kann man potentiell
interessierte Schüler sehr schnell zu begeisterten Naturwissenschaftlern
machen. Das schönste daran ist, dass sie sich dann meist nicht um Fachgrenzen
kümmern, sondern ihr Thema „intradisziplinär“ angehen. Und wenn man ihnen zeigt,
dass keine Idee, solange sie denn ernsthaft verfolgt wird, zu „dumm“ ist, so
haben die Schüler auch den meisten Spaß. Warum sollte man keine
Popcorn-Sortiermaschine bauen, die einem automatisch die restlichen Maiskörner
rausfiltert? Warum nicht mal verschiedene Pflanzen nebeneinander pflanzen und
gucken, ob sich beispielsweise Möhren mit Kartoffeln vertragen? Warum nicht mal
ausprobieren, ob das Waschmittel wirklich das Wasser vollständig enthärtet? Gerade
Kinder sind meist noch sehr kreativ und neugierig, wenn sie das ausleben dürfen
und sie dabei sogar noch unterstützt werden, hat man schon viel gewonnen.
Vielleicht wäre es sinnvoller, das Geld, was jetzt in die „MINT für Frauen“
Programme gesteckt wird, in die unteren Schulklassen zu investieren. Denn vor
allem dort werden Talente geformt und Potentiale geweckt!
MINT-Förderung -
Nach Potential und Interesse
Nicht nach Chromosomen
PS: Nur damit hier nicht der Eindruck entsteht, ich hätte etwas gegen Frauenförderung ein kleiner Disclaimer: Ich habe es einfach nur zu oft erlebt, dass Programme für die MINT-Förderung für Mädchen und Frauen sehr viel Geld investieren und oft nur sehr bescheidene Ergebniss vorweise können. Da die Gelder, die in die Bildung investiert werden, sehr begrenzt sind, wäre es deshalb sinnvoller sie in Programme zu stecken, die vor allem schon bei Kindern ansetzten, da diese oft deutlich mehr Erfolg bringen.
Manchmal habe ich fast das Gefühl, dass Frauen 'verpflichet' sind sich für Naturwissenschaften zu interessieren um modern und emanzipiert sind. Förderung ist gut aber manchmal ist Förderung einfach lächerlich. Man sollte keine Projekte fördern, nur weil sie der Representation dienen.
AntwortenLöschenLG