Das Konstrukt eines Staates ist ein Gebilde, das sehr gerne kritisiert
wird. Häufig zerbricht man sich den Kopf darüber, was alles schlecht vom Staat
gemacht wird, ab und an kommen auch konstruktive Kritikvorschläge. Was jedoch
so gut wie nie gemacht wird, ist zu hinterfragen, wofür der Staat überhaupt gut
ist. Wofür benötigen wir überhaupt einen Staat, warum regelt die Wirtschaft
sich nicht weitestgehend von alleine, wie es beispielsweise die Republikaner
und ihr Präsidentschaftskandidat fordert? Aber auch die Republikaner sind der
Meinung, dass es einen Minimalstaat braucht, der als richtende Instanz das Leben
des Volkes regelt, Straßen und Häfen unterhält und die Ausbildung kommender
Generationen sichert. Man kann den Staat in seiner minimalistischsten Ausführung
darauf beschränken, dass er die unverzichtbaren öffentlichen Güter wie innere
und äußere Sicherheit, Infrastruktur und Bildung, bereitstellt. Ein Sozialsystem,
wie es in Deutschland praktiziert wird, ist zwar wünschenswert, aber nicht zwangsläufig
Aufgabe des Staates. Man sollte also denken, dass, gerade in Deutschland, da
der Staat hier deutlich präsenter ist als in vielen anderen Ländern, die
unverzichtbaren öffentlichen Güter grundsätzlich vom Staat getragen werden.
Aber dies ist immer häufiger nicht der Fall!
Das der Staat an sich, seine Bundesländer, Kreise und Kommunen notorisch
pleite sind, ist seit Jahrzenten traurige Realität. Trotzdem haben sie bis zum
heutigen Tage ihre Grundaufgaben, wenn auch teilweise recht mühsam, erfüllen
können. Im Dezember 2002 hatte sich anscheinend geändert. Zu diesem Datum wurde
nämlich eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich mit dem Modell
Öffentlicher-Privater-Partnerschaften (ÖPP) auseinandersetzen sollte. Im Jahr
2004 sollten sie dann eine Arbeitsgruppe ins Leben rufen, die einen
Gesetzesentwurf erarbeiten sollte, die eine Vereinfachung diese Partnerschaften
ermöglicht. ÖPP bedeutet, dass der Staat einen Auftrag, den er eigentlich selber
ausführen müsste, wie die Sanierung von einer Schule, komplett an einen
privaten Unternehmer abgibt und dafür über einen sehr langen Zeitraum Nutzungsgebühren
zahlt. Die Arbeitsgruppe, deren Gesetzesvorschlag im Juli 2005 angenommen wurde,
setzte sich aus 40 Vertreten aus der Politik und 60 Vertretern aus
verschiedenen Wirtschaftsorganisationen zusammen. 2007 gab Peer Steinbrück,
damals Finanzminister unter der „Großen Koalition“, das Ziel aus, dass 15%
aller öffentlichen Investitionen in Form von ÖPPs getätigt werden, was rund sechs
Milliarden Euro jährlich entspricht. Bis heute sind insgesamt 180 verschiedene
Projekte als ÖPP ausgeschrieben oder durchgeführt worden, die von Schulen bis
Gefängnisse und dem Bildungsminsterium, alle aus dem Bereich der „unverzichtbaren
öffentlichen Güter“ stammen. Warum ist es denn überhaupt interessant, wie der
Staat jetzt seinen Aufgaben nachkommt, solange er ihnen überhaupt nachkommt?
Ist es denn nicht egal, wie und vom wem die Schule, die Straße oder das
Gefängnis überhaupt gebaut wurde, solange es gebaut wurde?
Kurzfristig betrachtet könnte man diese Frage bejahen, langfristig
betrachtet stößt man jedoch auf einige große Probleme. ÖPPs werden von vielen
Kommunen deshalb genutzt, weil sie vor einem großen Investitionsvolumen stehen
und gleichzeitig nur über sehr begrenzte Finanzmittel verfügen, da sie kaum
Spielraum für kurzfristige Ausgaben haben. Muss nun Beispielsweise eine neue
Rettungswache gebaut werden, wird dieser Auftrag im Rahmen einer ÖPP an ein
privates Unternehmen ausgeschrieben, dass sich, angefangen von der
Finanzierung, über den Bau bis hin zur späteren Wartung um jeden Aspekt dieses
Auftrages kümmert. Dafür unterschreibt die Kommune einen Vertrag, der meist
über mehrere Jahrzehnte läuft und in dem sie zusichert, dass sie alle
anfallenden Risiken, wie Brände etc. finanziell absichert. In vielen Fällen
unterzeichnen die Kommunen außerdem einen sogenannten „Einredeverzicht“, das
heißt, sie sichern den Banken zu, die Kosten für das Projekt in jedem Fall zu
tragen, auch wenn der private Anbieter seine Leistung nur unzureichend oder
sogar gar nicht erbringt. In diesen Fällen ist die Kommune auf Gedeih und
Verderben daran gebunden, dass das Unternehmen bis zum Ablauf des Vertrages
bestand hat und nicht vorher Insolvenz anmeldet und unter Umständen keinen
Nachfolger findet. Der Vorteil dieser ÖPP in diesem Beispiel wäre nun, dass
Bauten aus privater Hand häufig billiger sind als die Bauten, die der Staat in
Auftrag gibt, da Privatunternehmen wirtschaftlich handeln müssen. Außerdem
müsste die Kommune jedes Jahr nur eine relativ geringe Summe in ihren Haushalt
einbringen, da die jährliche Unterhaltszahlung deutlich unter der Summe liegt,
die die Kommune – einmalig oder über einen eng begrenzten Zeitraum- für den Bau
der Rettungswache aufnehmen müsste. Dieser Fakt wird natürlich von findige
Kämmerern ausgenutzt um die staatlich verordnete Schuldenbremse auszuhebeln.
Dank der langjährigen Finanzierung belaufen sich die Ausgaben für das Projekt
immer nur auf eine relativ kleine Summe, die man meist problemlos im Etat
unterbringen kann, ohne dabei die Schuldengrenze zu überschreiten. Dies mag
zwar für den Moment vorteilhaft sein, aber es schränkt den finanziellen
Spielraum der Kommune auf Jahrzehnte empfindlich ein und belastet den Haushalt
kommender Generationen, die dann über kaum noch freie Finanzmittel verfügen.
Über diese unnötig langfristige Finanzierung macht man sich außerdem sehr
anfällig für Veränderungen auf dem Kreditmarkt. Aber dies ist bei weitem nicht
der längste Nachteil.
Das größte Problem, dass bei sehr vielen dieser Projekte auftritt, ist die „unerwartete“
Kostensteigerung, die die benötigten Mittel für die Finanzierung in die Höhe
treibt. Die Gründe für diese Kostensteigerung sind vielschichtig, aber die
häufigsten Gründe dürften die Beraterhonorare und – wie immer-
Fehlkalkulationen sein. Beraterhonorare sind bei kleineren Projekten häufig ein
Grund zum Schmunzeln, wenn man ihre Höhe im Verhältnis zu den Gesamtkosten
sieht. Da kann es schon einmal passieren, dass eine Stadt über 100.000€ für
Berater ausgibt und das gesamte Projekt nicht mehr als zwei Millionen Euro
kosten soll. Richtig interessant wird es dann, wenn das Projekt überhaupt nicht
durchgeführt wird, weil der private Investor abgesprungen ist. Dann bleibt die
Stadt nämlich auf den Kosten für das Honorar sitzen und hat teilweise echte
Probleme dieses Honorar dann zu bezahlen. Die Fehlkalkulationen treten eigentlich
immer dann auf, wenn das Angebot des private Unternehmers deutlich günstiger
war, als der Preis, den die Stadt berechnet hat. Hat die Stadt einmal den
Vertrag unterschrieben, kommt sie da kaum noch heraus und der Unternehmer kann
das noch benötigte Geld problemlos einfordern. Dies kann dann dazu führen, dass
die Stadt auf einmal pro Jahr fünf oder zehn Prozent mehr ausgeben muss, als
sie eigentlich wollte – und damit deutlich mehr, als sie bezahlt hätte, wenn
sie das Projekt selber gebaut hätte.
Das ÖPPs nicht vorteilhaft sein können, sollte eigentlich jedem klar sein,
der sich für Wirtschaft interessiert. Ein Unternehmen hat die PFLICHT Geld einzunehmen, sonst muss es sich auflösen. Dies bedeutet, dass
sie jede Möglichkeit nutzen werden, ihre Kosten zu senken und finanzielle
Belastungen dem Auftraggeber zuzuschieben. Dies ist nicht verwerflich, es ist
einfach in der Natur eines Unternehmens. Aus diesem Grund können ÖPPs in den
allermeisten Fällen nicht billiger werden, als wenn die Stadt, die Kommune oder
der Kreis selber das Projekt finanzieren würde. ÖPPs sind nur kurzfristig
billiger und gehen auf Kosten der folgenden Generationen. Das größte Problem,
das ich mit ÖPPs habe, ist jedoch noch anderer Natur. In einer ÖPP gibt der
Staat Kernkompetenzen, Kompetenzen, die nur er erfüllen kann und soll, an
private Unternehmen ab. Dadurch verliert er Stück für Stück an Einfluss auf
essentielle Bereiche, wie Infrastruktur oder Bildung. Diese Bereiche können
nicht gewinnbringend genutzt werden und gehören deshalb grundsätzlich in
öffentliche Hand. Unternehmen habe ihre Berechtigung in der Wirtschaft – nicht in
Schulen oder der Infrastruktur!
Eine zukunftsfähige Lösung?
In der Tat schlimm. Gibt auch einen schönen Artikel dazu auf www.Zeit.de. Über das Thema sollte mehr gesprochen werden!
AntwortenLöschenDer Artikel in der Zeit war für mich die Motivation, meine Argumente zu diesem Sachverhalt endlich mal auszuformulieren.
LöschenMich beschäftigen diese ÖPPs seit geraumer Zeit, da ich immer wieder über solche Projekte gestolpert bin, die teilweise vollkommene Flops waren. Und das darüber mehr geredet werden sollte ist wirklich wahr. Leider weiß kaum einer, wie nutzlos Steuergelder teilweise in solchen ÖPPs verbraten werden.