Etwas mehr als anderthalb Jahre nach der großen Plagiatsaffäre um Guttenberg steht nun eine neue, interessante Affäre
im Haus. Pikanterweise diesmal mit der Bildungsministerinn als Hauptperson und
einer Arbeit die „Gewissen“ im Titel trägt in der Nebenrolle. Wenn es nicht so
traurig wäre, könnte man bei dieser Ausgangssituation fast schon wieder darüber
lachen. Grob betrachtet läuft das gesamte Verfahren im jetzigen Fall genauso ab
wie damals bei Guttenberg, nur dass Frau Schavan anscheinend deutlich weniger
dreist Stellen in ihrer Arbeit übernommen hat und größtenteils angeblich „schlampig“
gearbeitet hat. Und genau diese „leicht schlampige“ Arbeitsmethode wird nun
anscheinend als Verteidigung genutzt. Dabei ist Arbeitsweise das eigentlich
skandalöse an der Arbeit.
In einigen Bundesländern werden in der zehnten oder elften Klasse
Facharbeiten, Kursarbeiten oder ähnliches geschrieben. Dies sind Arbeiten, die
in den meisten Fällen einen Umfang von zehn bis fünfzehn Seiten haben sollen
und in denen der Schüler ein bestimmtes Thema aufarbeitet. In diesen Arbeiten
kann natürlich nicht viel neues herausgefunden werden, aber sie sollen trotzdem
einen erkennbaren Eigenanteil aufweisen und nach den Regeln des wissenschaftlichen
Arbeitens entstanden sein. Diese Arbeiten sollen die Schüler an die
Hausarbeiten für die Uni, aber auch an Doktor-, oder Bachalore-Arbeiten
heranführen und je nachdem wie streng der Lehrer abschließend bewertet, kann es
sein, dass ein sehr großer Teil der investierten Zeit allein in die Form der
Arbeit geht. Ist der Lehrer wirklich penibel, dann muss man zu jedem Zitat
nicht nur die Quelle, sondern auch die Zeile und Seitenanzahl angeben. Ist
dieses Zitat auch nur in einem Sekundärtext angegeben, dann muss dies natürlich
auch angegeben werden, sodass nicht der Eindruck entsteht, man hätte das
Original gelesen. Man muss das Inhaltsverzeichnis nach ziemlich strengen Regeln
anlegen und aufpassen, dass man im Anhang, im Literaturverzeichnis und in den
Anmerkungen jeweils das richtige stehen hat. Hat man versehentlich etwas in die
Anmerkungen geschrieben, das eigentlich in den Anhang gehört, kann das
problemlos dazu führen, dass man um eine oder sogar zwei Notenstufen abgestuft
wird. Natürlich hängt dies alles von der Strenge des bewertenden Lehrers ab.
Wenn ihm dies alles egal ist und er festgestellt hat, dass man wenigstens nicht
offensichtlich plagiiert hat, dann kann man auch mit einer formal schlechten
Facharbeit dreizehn oder mehr Punkte bekommen. Solche Lehrer stellen zumindest
in meinem Bekanntenkreis die Ausnahme dar, während die strengen Lehrer eher der
Regelfall sind. Man sieht also, dass schon für Schüler sehr hohe Standards bei
der Erstellung einer Facharbeit gelten. Ist man Student an einer Universität
oder an einer Fachhochschule und möchte eine Doktorarbeit schreiben, ist es nicht
zu viel verlangt, noch höhere Standards einzufordern. Und genau in diesem Punkt
scheint Frau Schavan versagt zu haben.
Ob Frau Schavan bewusst plagiiert hat oder nicht wird sich wahrscheinlich
in den nächsten Tagen weitestgehend zweifelsfrei herausstellen. Die
Entscheidung, ob sie ihren Doktortitel behalten darf oder nicht, ist jedoch
nicht allein davon abhängig. Eine Doktorarbeit sollte eigentlich eine
Forschungsarbeit sein, also neues Wissen zu Tage bringen. Außerdem ist der Doktortitel
einer der höchsten wissenschaftlichen Titel und dementsprechend gut sollte auch
die dafür notwendige Arbeit ausfallen. Wenn in einer Doktorarbeit schlampig
gearbeitet wird und Fehler gemacht werden, die schon in einer Facharbeit zu einer schlechten Benotung und unter
Umständen sogar zu einem „ungenügend“ führen können, dann sollte die Frage
gestellt werden, ob diese Arbeit überhaupt als „Bestanden“ bewertet werden
kann. Rein logisch betrachtet kann man diese Arbeit nicht mehr als „Bestanden“
werten, da schon von Schülern ein höheres Maß an Genauigkeit gefordert wird und
die Fehler in Frau Schavans Arbeit bei einigen Lehrern schon voll und ganz
genügen würden um die Arbeit als Plagiat zu bezeichnen. Ob sie nun absichtlich
Textstellen als eigene Gedanken ausgegeben hat, die sie eigentlich von jemand
anders abgeschrieben hat oder nicht, sagt lediglich noch etwas über ihre Ehrlichkeit
aus. Hat sie es getan, sollte sie sich vielleicht ihre Arbeit selber noch
einmal durchlesen und sehen, was sie über die Gewissensbildung schreibt.
Vermutlich ist sie nicht zu dem Schluss gekommen, dass man mit einem guten
Gewissen eine Arbeit abgeben kann, für die man plagiiert hat. Das ist jedoch
etwas, dass sie mit sich selber ausmachen muss. Für die Öffentlichkeit ist
jetzt wichtig, dass sie sich erklärt und unter Umständen auch ihr Amt zur
Verfügung stellt. Hat sie bewusst getäuscht, sollte sie von allen politischen
Ämtern zurücktreten und sich am besten auch nicht mehr in die Öffentlichkeit
stellen. Zumindest solange nicht, bis sie ihren Fehler ernsthaft bereut und
erklärt, warum sie damals getäuscht hat. Sind die Plagiate in ihrer Arbeit „lediglich“
auf unsauberes Arbeiten zurückzuführen, sollte sie sich trotzdem überlegen, ob
sie nicht ihren Posten als Bildungsministerin zur Verfügung stellt. Sie hat
einen großen Teil ihrer Glaubwürdigkeit in diesem Amt nun eingebüßt und sollte
vielleicht dann eher in ein Amt wechseln, dass nichts mehr mit Bildung, Wissen und
genauer Arbeit zu tun hat. Für Umwelt-, oder Wirtschaftsministerium wäre sie
dann wahrscheinlich besser geeignet. Das ihr der Doktortitel aberkannt wird,
sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit und unabhängig von ihrem Verbleib
in ihrem Amt sein. Eine Arbeit mit offensichtlichen Fehlern ist niemals „Bestanden“,
vor allem, wenn es sich um eine so wichtige Arbeit, wie eine Doktorarbeit
handelt.
In der Onlineausgabe der „Zeit“ war ein intelligenter Kommentar zu dem Fall
Schavan, der, wenn auch vom Autor wahrscheinlich nicht beabsichtigt, etwas sehr
essentielles aufgezeigt hat. Der Kommentar hat den Fall relativiert mit der
Begründung, dass viele Arbeiten wahrscheinlich ähnlich schlampig geschrieben
werden. Vermutlich stimmt diese Aussage, aber ich sehe in diesen Sachverhalt
eher ein gesellschaftliches Problem als ein Wissenschaftliches. In unserer
Gesellschaft ist es sehr viele Personen unglaublich wichtig über einen Titel zu
verfügen, und wenn es nur der eines Ehrendoktor ist. Man möchte sich
wahrscheinlich damit von der breiten Masse der „ungebildeten“ abheben oder sich
„intelligenter“ als die Mehrheit fühlen. Diese Mentalität, diese „Titeljagd“
ist aber eine absolute Perversion des Gedankens, der hinter diesen Titel steht.
Eigentlich sollten nur außergewöhnliche Leistungen mit einem Titel
ausgezeichnet werden; Leistungen, für die man wirklich gearbeitet hat. Wer
einen Doktortitel trug, hatte also wirklich umfangreiches Wissen über seinen
Fachbereich. Durch die schiere Inflation der Titel kommt es aber immer mehr
dazu, dass in den Arbeiten kaum noch neues Wissen entsteht und sie vielmehr
eine geschickte Wiedergabe des bekannten sind. Diese Arbeiten haben in meinen
Augen keinen Titel mehr verdient, da sie vielleicht Arbeitsaufwändig waren,
aber keine große geistige Leistung benötigt haben. Wissenschaftliche Titel
müssen mit einer echten geistigen Leistung einhergehen und verdienen auch nur
dann Respekt, wenn diese Leistung erbracht wurde. Ein Doktor der Linguistik,
der sich aus vielen verschiedenen anderen Arbeiten seine Arbeit
zusammengestückelt hat, verdient, auch wenn er alle Grundsätze des Zitierens
eingehalten hat und diese Arbeit mehrere Jahre gedauert hat, in meinen Augen keine
besondere Anerkennung. Hat er jedoch eine bis dato noch vollkommen unbekannte
Seite eines Buches analysiert, ist diese Anerkennung verdient. Wir müssen wieder lernen, Titel nach dem zu
beurteilen, wie sie erlangt wurden und nicht einfach nach ihren Kürzeln.
Außerdem benötigt man nicht unbedingt einen Titel um in einem Fachbereich gut
informiert zu sein. Ein Titel sollte
eigentlich nur deshalb angestrebt werden, weil einen etwas ganz besonders
interessiert und nicht, weil man sich besser präsentieren möchte!
Titel sind Schall und Rauch -
Was zählt ist Wissen!
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