Dienstag, 14. Mai 2013

Kreuzungen des Lebens



Wir Menschen gehen so gerne davon aus, dass wir unser Leben in unseren Händen haben und dass wir frei über unseren Lebensweg entscheiden können. Vor „großen Entscheidungen“ brauchen wir oft einige Tage, um uns zu überlegen, wie wir uns entscheiden werden. Und wenn wir auf unser Leben zurückblicken tendieren wir dazu, uns für bestimmte „große Entscheidungen“ auf die Schulter zu klopfen und unsere Weitsicht zu loben. Doch übersehen wir dabei viel zu gerne die eigentlichen Gründe für unsere momentane Situation. Sind wir wirklich nur so glücklich mit unserer Arbeit, weil wir das richtige Studium oder die richtige Ausbildung gewählt haben? War die Entscheidung, seinen Partner zu Heiraten wirklich eine sehr besondere Entscheidung ?

Bei genauerer Betrachtung wird einem auffallen, dass die Richtung auf der Straße des Lebens eben größtenteils nicht von den bewusst getroffenen Entscheidungen abhängt, sonder vielmehr von unseren unbewussten Entscheidungen über die Wahl des Weges an den vielen Kreuzungen des Lebens entschieden wird. Natürlich ist die Wahl des Studiums eine sehr entscheidende, wichtige Wahl, aber warum konnten wir überhaupt das Studium wählen? Was brachte uns in diese Situation, was beeinflusste uns in unserer Wahl? Vielleicht ein Gespräch mit einem Lehrer in der siebten oder achten Klasse, vielleicht die Wahl eines Kurses in der zehnten Klasse. Oder der Beruf der Eltern eines Freundes, der Beruf der eigenen Eltern oder eines anderen Familienmitgliedes. Nichts davon haben wir bewusst gewählt, aber all dies beeinflusst unser Denken und Handeln. Teilweise sind schon kurze Begegnungen oder Gespräche so prägend, dass man sich, häufig auch unbewusst, sein ganzes Leben lang daran orientiert. Es gibt so viele Personen, die einiges darauf halten, dass sie schon frühzeitig „entschieden“ hatten, welchen Beruf sie später ergreifen wollten. Wenn man dann jedoch ein wenig in der Vergangenheit dieser Personen buddelt, wird man oft früher oder später feststellen, dass das „Schicksal“ für den späteren Beruf gesorgt hat. Natürlich haben sie sich dann später auch noch bewusst dafür entschieden, diesen Beruf wirklich anzunehmen, aber sie haben sich nicht bewusst dafür entschieden, dass ihnen jemand diesen Beruf durch sein Vorbild schmackhaft macht.

Das selbe Phänomen sieht man häufiger im Bezug auf Partnerschaften. Bei vielen Paaren wird auf der Hochzeit noch einmal der Moment erzählt, in dem sich die beiden Partner kennen gelernt haben. Wie viele von ihnen hatten den festen Vorsatz, damals jemanden kennen zu lernen? Und bei wie vielen haben sich diese Begegnungen vollkommen zufällig ergeben? Bei wie vielen gab es den Vorsatz jemanden auf einer bestimmten Aktion kennen zu lernen, und sie trafen ihren späteren Lebenspartner zufällig auf dem Weg zu dieser Veranstaltung?

Die wirklich wichtigen Ereignisse in unserem Leben sind in den meisten Fällen einfach nicht zu planen und geschehen zufällig. In unserer Hand liegt dann nur noch, was wir daraus machen, wenn wir uns bewusst geworden sind, dass wir uns wieder auf einer der Kreuzungen des Lebens befinden. Dabei hat das, was vorher geschehen ist, den weitaus größeren Einfluss auf unser Leben gehabt. Und gerade das ist häufig ein Problem. Wenn man sich in einer schwierigen oder schlechten Lebenssituation wiederfindet, sucht man gerne verzweifelt nach den Ursachen dafür. Doch allzu häufig findet man sie eben nicht in den bewusst getroffenen Entscheidungen, sonder in den unbewussten Entscheidungen. Aus der rückblickenden Perspektive ist einem auf einmal ziemlich klar, dass die Entscheidung, die man damals ohne großes Nachdenken getroffen hat, für die eigene missliche Lage verantwortlich sind. Was lehrt uns das?

Auch wenn ich immer noch ein großer Fan von Sartre und der von ihm postulierten absoluten Freiheit bin, so habe ich es mittlerweile akzeptiert, dass ich zwar eine vollständige Freiheit habe, mir dessen jedoch viel zu oft nicht bewusst bin. Während man sich bei bewusst getroffenen Fehlentscheidungen mit Berechtigung die Haare raufen kann, ist dies bei unbewusst getroffenen vollkommen unnötig. Wir Menschen können nun einmal nicht in die Zukunft sehen und feststellen, dass diese eine Entscheidung gerade enorm wichtig war und die andere überhaupt keine Rolle mehr spielen würde. Geht es uns schlecht, sind wir natürlich bis zu einem gewissen Punkt selber dafür verantwortlich. Aber anstatt sich darüber aufzuregen oder depressiv zu werden, ist es lohnenswerter, wenn man seine verbleibende Energie in neue Entscheidung steckt. 

Wir sind vollständig frei-
Vorausgesetzt, wir erinnern uns daran!

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