Sonntag, 26. Mai 2013

Homosexualität in unserer europäischen Gesellschaft

Seitdem vor einer guten Woche in Frankreich die „Ehe für alle“, also eine Ehe inklusive Adoptionsrecht auch für homosexuelle Paare eingeführt wurde, vergeht fast kein Tag ohne eine größere Demonstration gegen diese Ehe. Die Gegner der „Homo-Ehe“ sind eine bunte Mischung aus konservativen, christlichen und rechten Gruppen, die nun durch ein gemeinsames Ziel geeint sind. Das diese Demos mitten in Paris zum Teil weit über 100.000 Teilnehmern ( und nach wahrscheinlich eher unglaubhafteren Angeben der Veranstalter über einer Million Teilnehmer ) haben, zeigt deutlich, wie stark die Ablehnung von Homosexuellen in unserer Gesellschaft verankert ist. Paris ist eine sehr moderne und progressive Stadt und für Homosexuelle eigentlich immer ein Anzugspunkt gewesen, da man ihnen hier kaum Ressentiments entgegen brachte. Die schiere Größe und Aggressivität dieser Demonstrationen zeigt nun aber auch sehr deutlich, dass es auch in einer so liberalen Stadt eine latente Ablehnung von Homosexuellen gibt. Wie sieht es denn dann erst in den kleineren, konservativ geprägten Städten in ganz Europa aus?

Laut einer nicht repräsentativen  Online-Umfrage der EU-Grundrechte-Agentur ( FRA) wagen es fast zwei Drittel aller homo-, bi- und transsexuellen nicht ihre sexuelle Orientierung in der Öffentlichkeit zu zeigen. Wer das auf den ersten Blick nicht für eine enorme Einschränkung der Lebensqualität hält, sollte nur einmal an einem schönen Sonnentag durch einen Park gehen. Er wird dort eine sehr große Anzahl an Menschen sehen, die sich küssen, Hand in Hand gehen oder sich verliebt umarmen. Es ist für sie vollkommen selbstverständlich, dass sie sich nicht mit ihrem Partner verstecken müssen und nicht wenige dürften stolz auf ihren Partner sein. Oder wenn sich ein Paar im Bahnhof verabschiedet und dabei vollkommen im Weg steht, weil sie gerade den Rest der Welt vergessen haben. So etwas zu können, seine Gefühle ausleben zu dürfen, ist ein sehr großes Stück an Lebensqualität. Wenn homosexuelle nun Angst davor haben, genau dieses Stück Lebensqualität in Anspruch zu nehmen, ist dies ein Armutszeugnis für die Gesellschaft, in der dies der Fall ist.

47 % der Befragten ( 48 % in Deutschland ) erlebten nach eigenen Angaben wenigstens einmal eine Diskriminierung wegen ihrer sexuellen Orientierung. Gut 27 % wurden auch schon körperlich oder verbal angegriffen. Es wurde allerdings nur ungefähr jeder fünfte Zwischenfall bei der Polizei angezeigt, da die meisten Betroffenen nicht glaubten, dass ihre Anzeige etwas positives für sie bringen würde. Auch wenn diese Umfrage nicht repräsentativ war, so zeichnet sie doch ein eher erschreckendes Bild der europäischen, aber auch der deutschen Gesellschaft. Wenn fast jeder zweite Homosexuelle schon mindestens einmal aufgrund seiner Homosexualität diskriminiert wurde, so kann man davon ausgehen, dass hinter dieser Diskriminierung mehr als nur eine kleine Minderheit steht. Die heimliche und offene Ablehnung von Homosexuellen ist also auch in Deutschland anscheinend mehr oder weniger alltagstauglich. Wenn etwas mehr als jeder vierte Homosexuelle schon mindestens einmal körperlich oder verbal angegriffen wurde, zeigt dass, dass in der europäischen Gesellschaft ein nicht zu unterschätzendes Gewaltpotential gegen Homosexuelle vorliegt und dieses Potential wird, falls die Finanzkrise weiterhin für schlechte Lebensbedingungen sorgt, wahrscheinlich auch noch weiter ansteigen.

Ein, zumindest in meinen Augen, sehr großes Problem, ist das Verhalten von Jugendlichen gegenüber homosexuellen gleichaltrigen. Die Studie der FRA hat nicht zwischen Jugendlichen und Erwachsenen differenziert, aber gerade diese Differenzierung wäre noch einmal sehr interessant gewesen, da viele Probleme schon in der Jugend entstehen. Das Kinder grausam sein können, ist ja bekannt. Dass diese Grausamkeit gerade gegenüber homosexuellen Klassenkameraden sehr extrem ausgelebt wird, wird jedoch gerne übersehen. Es verunsichert einen homosexuellen Jugendlichen, wenn sich seine Klassenkameraden mit „Schwuchtel“ oder „Homo“ beschimpfen, selbst, wenn diese Beschimpfungen erst einmal keinen homophoben Hintergrund haben. Das Jugendliche aber dennoch häufig eine latente Abneigung gegenüber Homosexuellen haben, dürften die meisten jugendlichen homosexuellen Pärchen schon ausgiebig erlebt haben. Von eher dezenter Ablehnung über gemeines Lästern bis hin zur körperlichen Gewalt kann man auf einem Schulhof als homosexuelles Pärchen alles erleben. Meistens bleibt es zwar bei einer unterschwelligen Ablehnung, aber als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft fühlt man sich trotzdem nicht anerkannt. Und wenn diese fehlende Akzeptanz von homosexuellen schon in der jungen Generation zu sehen ist, dann dürfte sie sich auch noch in zwanzig oder dreißig Jahren in der Mitte der Gesellschaft wiederfinden. Und das, obwohl dieses Verhalten jeder rationalen Grundlage entbehrt!

Die Radikalität und die hohe Gewaltbereitschaft der französischen Demonstranten hat mich ziemlich überrascht. Ich hielt das Thema „Homosexualität“ zwar für kontrovers, war mir aber ziemlich sicher, dass die Vernunft den Großteil der Gegner von „Homo-Heiraten“ im Zaum halten würde, da sie offensichtlich einen nicht zu verteidigenden Standpunkt vertreten. Aber ganz abgesehen von der aktuell ziemlich hitzigen Debatte in Frankreich verstehe ich die Aufregung über das Thema überhaupt nicht. Dass sich Menschen lieben ist doch seit dem Beginn der Menschheit bekannt. Dass es zum allergrößten Teil die Gene sind, die darüber entscheiden, ob eine Frau jetzt einen Mann, eine andere Frau oder sogar beide Geschlechter liebt, weiß man auch schon seit geraumer Zeit. Und das Liebe einer der stärksten Antriebskräfte eines Menschen ist und man sich kaum dagegen wehren kann, ist auch keine neue Erkenntnis. Warum sollte man sich also überhaupt dafür interessieren, wer jetzt wen liebt? Ist das nicht eigentlich etwas privates, in das man sich nicht einmischen sollte? Solange beide Partner alt genug sind um sich der Tragweite ihrer Entscheidungen bewusst zu sein, ist es doch vollkommen uninteressant ob jetzt Mann und Mann, Frau und Frau oder Frau und Mann ein Paar bilden. Und wenn sich das Paar nun einmal liebt und für längere Zeit zusammen bleiben möchte, so steht einer Heirat doch nichts im Wege! Kein Mensch sollte sich wegen seiner Homosexualität verstecken müssen, es muss sich schließlich auch kein heterosexueller Mensch wegen seiner Heterosexualität verstecken.

    No freedome till we're equal.

     Damn right - I support it!
 Macklemore - Same Love
 

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