Sonntag, 22. Juli 2012

Die Würde der gläubigen Menschen


Vor einigen Tagen hatte Markus Löning, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung auf seiner Facebookseite den Spruch „Too stupid for science – Try religion“ gepostet. Das Echo, was dieser Spruch dann in einigen Kreisen auslöste, war sehr beachtlich. Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, der oberste katholische Glaubenshüter, sah in dieser Aktion ein „schreiendes Fehlverhalten“ und kritisierte Löning als „Mann am falschen Platz“. In einigen bayrischen Zeitungen und Radiosendungen wurden Leserbriefe und Meinungen veröffentlicht, die diese Haltung unterstützten. Die kirchliche Gemeinschaft in Deutschland war sich ziemlich einig darin, dass Löning mit dieser Aktion „ die Menschenwürde der gläubigen Menschen verletzt hat“.

Soweit erst einmal zur Situation. Fangen wird mit nun an, die Argumente der Kirchenvertreter einmal genauer zu betrachten. Der Spruch, der Löning nun so viel Ärger einbringt, ist weder von ihm, noch ist er neu, noch ist er außergewöhnlich. In vielen Blogs, die sich irgendwie mit dem Thema Religion, Ethik oder Wissenschaft auseinandersetzten, taucht er immer wieder auf. Außerdem wird er auch auf einer großen Vielzahl von Facebook-Profilen zu finden sein; auch auf Twitter ist er verbreitet. Wo ist nun das Problem von Erzbischof Müller? Wahrscheinlich ist es wieder einmal das alte Problem, dass Personen des öffentlichen Lebens das Recht auf freie Meinungsäußerung nicht zugestanden wird. Äußern sie eine Meinung, die politisch nicht korrekt ist, stehen sie sofort unter Beschuss von der Gruppe, die sich gerade angegriffen fühlt. Wenn die Person mit ihrer Äußerung auch noch das Pech gehabt hat, eine Gruppe anzugreifen, die auch in der Presse eine starke Beachtung findet, dann kann es in relativ kurzer Zeit zu einer, für die Person sehr negativer Berichterstattung kommen, die sie unter Umständen sogar zum Rücktritt von ihrem Posten zwingt. Ich hoffe, dass es ihm Falle von Markus Löning nicht so weit kommt. Wenn er eine Privatperson gewesen wäre, hätte seine Äußerung niemanden gestört und wäre auch nicht in irgend einer Weise in die Öffentlichkeit gelangt. Es bleibt also schon einmal festzuhalten, dass in diesem Fall die Wahl der Mittel, also das Einschalten der Presse und damit das Einbeziehen einer breiten Öffentlichkeit, vollkommen unverhältnismäßig ist.
Das einzige weitere Argument der Kirche bezieht sich eigentlich auf die Auswirkungen des Spruches selber, kritisiert aber indirekt auch den Inhalt des Spruches. „To stupid for science – Try religion“ ist mit Sicherheit polemisch und übertrieben, hat aber auch einen wahren Kern. Früher haben sich die Menschen fast alles, was sie nicht mit ihren meist mangelhaften wissenschaftlichen Methoden erklären konnten, mithilfe des Übernatürlichen erklärt. Je nach Region gab es dann entweder eine Vielzahl von Göttern, die für die verschiedenen Naturereignisse wie Blitze, Gewitter oder auch gute Ernten zuständig waren, oder, wie im Monotheismus, einen Gott, der für alles die Verantwortung trug. Es war damals tatsächlich die Dummheit, oder, etwas freundlicher und passender formuliert, die Unwissenheit der Menschen, die eine Vielzahl von religiösen Bräuchen, vor allem Opferrituale, hervorbrachten. Auch heute spielt die Religion immer noch diese Rolle, wenn auch deutlich weniger ausgeprägt. Für viele Menschen muss Gott wenigstens den Funken Energie aufgebracht haben, der den Urknall ermöglicht hat. Das die Wissenschaft davon ausgeht, dass die Gesamtsumme der Energie in unserem Universum Null beträgt und somit keine Energie für den Urknall notwendig war, können sich sehr viele Menschen einfach nicht vorstellen. Auch im Bereich der Medizin berufen sich verschiedene Menschen immer wieder auf ein „göttliches Wunder“, wenn sie von angeblich unheilbaren Krankheiten wie Krebs, oder tödlichen Verletzungen wieder genesen. Das Fehlen von wissenschaftlichen Begründungen beweist in den Augen dieser Menschen dann ihr Argument, dass dies Gottes Werk war. In gewisser Weise ist dies immer noch eine Art der Dummheit oder Unwissenheit, die zur Religion führt. Abgesehen davon macht man es sich alle Verfechter der wortwörtlichen Auslegung der Bibel immer sehr einfach, da sie nur ein Buch zu kennen brauchen, eine Person, die halbwegs wissenschaftlich Argumentieren will, muss jedoch eine Vielzahl von Büchern gelesen haben, um etwas ansatzweise erklären zu können.

Das größte Problem, dass sich aus dem zweiten Argument des Kurienbischofs Müller ergibt, ist jedoch seine Begründung. Auch wenn das Kritisieren von Löning in der Öffentlichkeit und die Kritik an dem Spruch selber schon unverhältnismäßig ist, sein zweites Argument übertrift dies nicht nur, sondern zeigt auch die Ignoranz der, in diesem Fall katholischen Kirche, gegenüber dem Rest der Welt. Und es zeigt wie wenig sich die katholische Kirche unter dem Ausdruck „Würde“ etwas vorstellen kann. „Too stupid for science – Try religion“ soll die  „Würde der gläubigen Menschen verletzt haben“, war eine Reaktion von Kurienbischof Müller. „Die Würde der gläubigen Menschen“ ist zwar ein schöner Begriff, aber besitzt er überhaupt einen Inhalt; ist diese „Würde“ überhaupt etwas, auf das man Rücksicht nehmen muss? Ein kurzer Blick auf das Staatengebilde, in dem wir leben, macht die Antwort eigentlich schon klar: Nein! Wir leben in einem säkularen Staat, in dem die Kirche zwar politischen Einfluss hat, aber im großen und ganzen für sich selber zuständig ist und sich im großen und ganzen an die Gesetze des Staates halten muss. Allein dies dürfte eigentlich schon die Würde eines religiösen Menschen verletzten, weil die Kirche eigentlich weitreichende Freiheiten besaß und in vielen Fällen sogar ebenso Mächtig war, wie das eigentliche Staatsoberhaupt. Dann gibt es aber auch ganz banale Gründe, die der Logik des Kurienbischofs Müller zufolge, die „Würde der gläubigen Menschen“ verletzen muss. Öffentlich erklärter Atheismus beispielsweise. Oder die Existenz von atheistischen Gruppen und Verbänden. Nach katholischen Vorstellungen verletzen auch homosexuelle Paare die „Würde des gläubigen Menschen“, genauso wie geschiedene und wiederverheiratete Ärzte, Erzieher etc. Verletzt die Demokratie nicht eigentlich auch die „Würde des gläubigen Menschen“, da die katholische Kirche streng hierarchisch und nach totalitärem Muster aufgebaut ist? Wie man sieht, ist die „Würde des gläubigen Menschen“ ein Begriff, mit dem man sehr vorsichtig umgehen muss.

Auf der anderen Seite hat zumindest die katholische Kirche aber kein Problem damit, Menschenrechte zu missachten. Wie war das noch einmal mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit für Kinder? Achso, das Verbot der Beschneidung würde ja gegen die „Würde des gläubigen Menschen“ verstoßen und die ist doch sicherlich wichtiger als ein Menschenrecht! Habe ich da vielleicht etwas falsch verstanden? Wie war das gleich mit der Vielzahl an Missbrauchsfällen in katholischen Schulen und Kirchen? Stimmt, wenn die vernünftig aufgeklärt würden und die verantwortlichen von ihren Posten entbunden und entsprechend bestraft würden, würde das sicherlich auch die „Würde der gläubigen Menschen“ verletzen. Priester und Bischöfe sind schließlich Vertreter Gottes und würden doch keine so unmenschlichen Taten begehen! Die Würde der Betroffenen, denen keine Gerechtigkeit wiederfährt, wird dadurch nicht beeinträchtig, sie haben die Priester doch erst zu den Misshandlungen verführt. Vielleicht verwechsel ich hier gerade ein paar Sachen von wegen „die Würde des Menschen ist unantastbar“ und den Erklärungen einiger katholischer Geistlicher. Die würden sich schließlich keinen Fehler erlauben, der die „Würde der gläubigen Menschen“ beeinträchtigt. Und außerdem: Da noch niemand Gott gesehen hat, kann auch keiner beweisen, dass es ihn nicht gibt. PUNKT

Und wie war das mit den lila Einhörnern ? 

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