Mittwoch, 3. April 2013

Österliche Spannung



Die Karwoche und die Osterfeiertage sind nun vorbei und das Leben geht wieder seinen gewohnten Gang. Für die Personen, die nicht gerade trotzdem arbeiten mussten, oder aber wichtige Besorgungen erledigen wollten, bedeuteten diese Festtage ein langes Wochenende. Häufig trifft sich die Familie, man isst gemeinsam und geht unter Umständen auch in die Kirche. Schließlich ist die Verkündung der Auferstehung Jesu nach seiner Kreuzigung doch eine frohe Botschaft! Ein genauerer Blick in die Bibel lässt diese „frohe Botschaft“ jedoch in einem etwas anderen Licht erscheinen.

In der Karwoche wird dem Leiden und Sterben Jesu gedacht. Aus diesem Grund gibt es keine Orgelmusik, läuten keine Kirchenglocken und ziehen, in einigen Regionen in Deutschland, vor der Messe  Messdiener mit Ratschen durch das Dorf um die Messe anzukündigen. Karfreitag ist deshalb auch heute noch in den allermeisten Bundesländern ein sogenannter „Stiller (Feier)tag“, es dürfen also keine Musik-und Tanzveranstaltungen stattfinden. Ostersonntag beendet dann die Karwoche und es wird die Wiederauferstehung Jesu gefeiert. Diese Wiederauferstehung ist in der christlichen Geschichte der letzte Beweis dafür, dass Jesus wirklich der „Messias“ , der langersehnte Christus ist. Im Prinzip ist dies eine berührende Geschichte, die auch unter literarischen Gesichtspunkten nicht zu verachten ist. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass Ostern nicht ganz zufällig das höchste Fest des Christentums ist. Ohne Ostern, ohne Auferstehung, gäbe es kein Christentum, wäre die gesamte Geschichte der Menschheit von dieser Zeit an völlig anders verlaufen. Anders gesagt: Ostern legitimiert das Christentum, den christlichen Glauben. Und Ostern legt damit auch den Grundstein für eine Einstellung, die man kritisch betrachten sollte.

„Jesus spricht zu ihm. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vaterdenn durch mich.“ (Johannes 14,6) Dieser Satz ist der wahrscheinlich bekannteste Grundstein für die Idee, dass man nicht durch Leistung, sondern nur durch Glaube „echter“ Christ werden kann.  Ohne das Osterereignis wäre dies ein beliebiger Satz von einem beliebigen Sektenführer der vermutlich noch nicht einmal die aufgezeichnet würde und die Zeit überdauert hätte. Mit dem Osterereignis ist dieser Satz für jeden Christen ein Leitfaden und bindend. Und in diesem Satz liegt leider auch die Grundlage für die teilweise unglaubliche Ignoranz der Kirche. Niemand kommt zum Vater denn durch mich bedeutet in erster Instanz natürlich, dass sämtliche andere Religionen ein direkter Weg in die Hölle sind. Aber abgesehen von dieser üblichen, für Religionen lebenswichtigen Ausgrenzung anderer, hat dieser Satz noch eine ganz andere Implikation.

Taten sind im Christentum unwichtig, was zählt ist der Glaube an Jesus Christus. Eine sehr interessante Auswirkung ist vor einigen Wochen durch die Medien gegangen, als darüber berichtet wurde, dass einer vergewaltigten Frau in einem katholischen Krankenhaus die „Pille danach“ verweigert wurde. Nur der Glaube zählt, bedeutet auch blinder Gehorsam gegenüber dem heiligen Text. Eine gewisse Arroganz gegenüber den Personen, die dies nicht so sehen, ist zumindest in den höheren geistigen Ämtern leider immer wieder zu finden. Weltfremdheit als Programm wäre eine zu harte Formulierung, aber eine gute Portion Weltfremdheit gehört zu einer ordnungsgemäßen Auslebung der Gebote doch dazu.
  
Interessant wird dieser Satz auch, wenn man ihn unter dem Aspekt der Gerechtigkeit betrachtet. Jemand, der sein ganzes Leben lang etwas für sein Umfeld geleistet hat, aber ungläubig ist, wird nach christlicher Logik, bestraft. Sobald man aber zu irgend einem Zeitpunkt des Lebens Jesus als seinen Erlöser akzeptiert, folgt die Belohnung im Himmel. Selbst, wenn man vorher geraubt, gemordet, getötet oder sich auf eine andere Weise gesellschaftsschädigend verhalten hat. Unter rationalen Geschichtspunkten ist diese Art der Bewertung nicht wirklich einleuchtend. Sie kann in bestimmten Fällen für eine Gesellschaft sogar kontraproduktiv sein. Die Gewissheit, durch den bloßen Glauben an Jesus errettet zu werden, bringt einen nicht zwingend dazu, sich gesellschaftlich zu engagieren. Zwar sind viele gläubige Menschen sehr engagiert, das Engagement bleibt aber oft auf den kirchlichen Bereich beschränkt. Natürlich hat Jesus auch von Nächstenliebe und Feindesliebe gepredigt, aber in der heutigen Umsetzung wird oft übersehen, dass auch Jesus sich aus menschlichen Gründen über das Arbeitsverbot am Sabbat hinweggesetzt hat. Vor allen in den religiösen Regionen Deutschlands bedeutet „Niemand kommt zum Vater denn durch mich“ immer noch, dass das Werk an Gott vor dem Werk am Menschen kommt. Und legitimiert wird dieses jedes Jahr aufs Neue mit der „heiligen Woche“, also die Karwoche inklusive der Osterzeit.

Der Bogen, den ich vom Osterfest zu dem Satz von aus dem Johannesevangelium gezogen habe, mag ein wenig überspannt sein. Natürlich legitimiert das Osterfest eigentlich jeden Satz aus der Bibel und jedes weitere christliche Fest, so dass man theoretisch das Osterfest als Grund für jede christliche Praktik, die man kritisieren möchte, anführen könnte. Die Erfahrung, dass jedoch gerade dieser Satz, der ein wirkliches extreme explosives Potential hat, im Rahmen der Ostertage immer wieder aufgetaucht ist, hat mich jedoch etwas verwundert. Es gibt so viele Sätze aus der Bibel, die auch ein säkulares Publikum ansprechen, warum muss ausgerechnet so ein intoleranter und konfliktbeladener ausgewählt werden? Warum muss man im Rahmen dieser so entspannten Feiertage auf so einen spannungsgeladenen zurückgreifen? Verstehen werden das vermutlich wieder einmal nur die Personen, die diesen Satz als Lebensmotto verinnerlicht haben, nicht die, die sich eher an „Liebe deinen nächsten wie dich selbst“ (Galater 5.14) orientieren.  

Der Glaube ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Glaube!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen