Donnerstag, 28. Juni 2012

Das "Leistungsschutzgesetz"


Es gibt Gesetzesentwürfe, die sehr laut angekündigt werden, über die die gesamte Zeit bis zur Abstimmung in Bundestag und Bundesrat laut diskutiert wird und die eventuell dann sogar mit einem lauten Knall (vorerst) scheitern. Paradebeispiel dafür ist im Moment das „Betreuungsgeld“.  Es gibt allerdings auch Gesetzesvorschläge, die still und heimlich eingereicht werden, von deren Existenz die Presse erst sehr spät berichtet und über die, ohne viel Lärm zu machen, abgestimmt wird. Genau dieses Verfahren wird gerade bei dem sogenannten „Leistungsschutzgesetz“ praktiziert. Natürlich verleitet dieses Vorgehen dazu zu denken, dass das Thema nicht von großer Bedeutung ist und keinen großen Einfluss auf den „Normalbürger“ hat, aber beim „Leistungsschutzgesetz“ ist dies gerade nicht der Fall!

Das „Leistungsschutzgesetz“ wurde schon seit geraumer Zeit von verschiedenen Medienhäusern, allen voran dem Axel-Springer-Verlag, gefordert, damit sie ihre Produkte auch online besser vermarkten können. Im Moment dürfen ihre Texte nämlich von Suchmaschinen, aber auch von Privatpersonen relativ einfach aufgegriffen und weitergenutzt werden. Natürlich gilt es dabei gewisse Regeln einzuhalten, aber viel Geld damit verdienen konnten die Verlage bis jetzt noch nicht. Das sollte sich jetzt ändern. Wie im Onlinebereich wahrscheinlich zu erwarten war, richtet sich das „Leistungsschutzgesetz“ in erster Linie gegen Google, genauer gesagt, gegen seinen News-Service. In diesem Serviceangebot listet Google aktuelle Schlagzeilen von verschiedenen, meist bekannteren Seiten wie Stern, FAZ oder N24, auf und zeigt außerdem einen kurzen Infotext, mit maximal 250 Zeichen, dazu an. Mithilfe von diesem Text kann man ziemlich gut einen Überblick darüber bekommen, worum es in diesem Artikel geht und sich dann entscheiden, ob man diesen Artikel überhaupt lesen möchte. Vielen größeren Verlagen ist dieser Service anscheinend ein Dorn im Auge, weil dort ihre Texte in Kurzform stehen und sie kein Geld dafür bekommen. Sie argumentieren, dass die Nutzer nur noch die Kurztexte unter der Überschrift und nicht mehr den ganzen Artikel auf ihrer Seite lesen würden. Dadurch würden sie viel Geld, vor allem in Form von Werbeeinnahmen, verlieren.

Die Argumentation an sich ist in meinen Augen nicht wirklich schlüssig, da man sich als Leser dank der kurzen Infotexte sehr gezielt einzelne Artikel heraussuchen und lesen kann. Außerdem hat man auf einen Schlag eine große Auswahl an verschiedenen Seiten und besucht somit unter Umständen auch Onlineausgaben von Zeitungen, die man persönlich vielleicht gar nicht kannte und somit nie besucht hätte. Andererseits ist es für eine Zeitung natürlich von Vorteil, wenn sie als Startseite eingerichtet wird und somit garantierte Leser hat. Trotzdem denke ich, dass der Vorteil der weiten Verbreitung durch Google News und natürlich auch die normale Google-Suche diesen Vorteil bei weitem übertreffen. Wenn sich das Gesetz später nur gegen Google und andere Suchmaschinen richten würde, wäre es nicht notwendig, sich großartig darüber zu informieren, aber die Art und Weise des Schutzes, den die Verlage wahrscheinlich bekommen werden, wird noch viel mehr betreffen.

In Zukunft ist jeder Ausschnitt aus einem Text für ein Jahr lizenzpflichtig, unabhängig von seiner Größe. Die Lizenzgebühr muss von jedem „gewerblichen Nutzer“ entrichtet werden, der einen Artikel in Gänze oder nur in kleinen Ausschnitten auf seiner Website veröffentlicht. Die Lizenzpflicht für kurze Ausschnitt ist im Bereich der Musik nichts neues und wird dort schon seit längerer Zeit durchgesetzt, im Zeitungswesen war sie bis jetzt, aus guten Gründen, allerdings noch nicht zu finden. Je nach Auslegung des Gesetzesentwurfes und Findigkeit es Anwaltes ist es Zeitungen dann sogar möglich, einen zu verklagen, wenn man eine Überschrift abgewandelt übernommen hat. Ein Beispiel aus der „Zeit-Online“ verdeutlich dies anschaulich: Theoretisch könnte man vom Springer Verlag eine Rechnung bekommen, wenn man schreibt „Wir sind Kanzler“ da die Bild schon einmal „Wir sind Papst“ getitelt hat. Ich denke, dass dieses Beispiel etwas überspitzt ist, aber es trifft den Kern der ganzen sehr ziemlich gut. Wenn dieser Gesetzesentwurf umgesetzt wird, könnte es möglich sein, das Sprache monopolisiert wird und man nicht mehr das schreiben kann, was man möchte, weil man unter Umständen geschützte Ausdrücke benutzt. Nun kann man sagen, dass einen dies als Privatperson nicht betrifft und man, da man kein „gewerblicher Nutzer“ ist, sowieso schreiben kann, was man will. Man sollte sich aber die Definition von „gewerblichem Nutzer“ einmal gut durchlesen, bevor man ruhigen Gewissens Artikel von anderen Zeitungen in seinen Text mit einbaut.

Solange man in seinem Blog lediglich Werbeeinblendungen des Blogbetreibers hat und nicht über Themen bloggt, die etwas mit dem eigenen Beruf zu tun haben, wird man auch nach in Kraft treten des Leistungsschutzgesetztes keine Veränderungen vornehmen müssen. Sind allerdings Werbebanner in dem Blog eingebettet, über die man selber Geld bekommt oder man hat einen Flattr-Button auf seinem Blog, ist man „gewerblicher Nutzer“ und muss nun für alle Artikel, die man genutzt hat, Lizenzgebühren zahlen. Es wäre nun sicherlich einmal interessant zu wissen, wie viele Blogs in irgend einer Weise Geld generieren und wie viel Geld sie generieren. Wahrscheinlich werden die allermeisten Blogs nicht mehr als einen kleinen bis mittelgroßen zweistelligen Betrag pro Monat verdienen und damit dann wahrscheinlich Probleme bekommen, wenn sie davon dann Lizenzgebühren bezahlen müssen. Auch wenn man der Kommerzialisierung von Blogs kritisch gegenübersteht, ist es doch ungerechtfertigt, solange diese Blogs lediglich ein Hobby darstellen, wenn sie auf einmal Geld für dieses Hobby ausgeben müssen, während andere dies kostenlos ausführen können. Ein in meinen Augen noch viel wichtigerer Punkt sind all die Schülerzeitungen, die auf einmal vor ein recht großes Problem gestellt werden. Viele von ihnen benutzen auch Textausschnitte von Magazinen wie „GEOlino“ oder den regionalen Zeitungen, um bestimmte Dinge genauer zu erläutern oder sie einfach verständlich zu machen. Diese Schülerzeitungen verdienen in der Regel ein bisschen Geld, dass sie aber wieder dafür verwenden müssen, ihren Druck zu bezahlen. Falls die Schule die Schülerzeitung selber druckt, fallen diese Kosten zwar nicht direkt an, aber in den allermeisten Fällen werden die Schülerzeitungen nicht wirklich reich. Wenn diese Zeitungen nun in Zukunft eine Gebühr dafür zahlen müssten, damit sie so etwas machen können, werden sie sich ziemlich schnell auflösen, da sie nicht genug Geld generieren werden, um die Gebühr zahlen zu können. Auch werden sich wahrscheinlich eine Menge der kleinen anderen Zeitungen, die beispielsweise von Studenten oder politisch engagierten Gruppen ausgegeben werden, auflösen müssen, da viele eine Menge an Text von anderen Zeitungen übernehmen und dann kommentieren. Solange dies sich noch im Bereich der Zitate bewegt, ist dies nach dem Leistungsschutzgesetz auch noch legal, aber das Problem ist, dass anscheinend nicht klar und eindeutig abgegrenzt ist, wie lang ein Zitat sein darf und ab wann man einen Ausschnitt aus einem Artikel übernommen hat. Es kann also schnell man passieren, dass man sich auf einmal irgendwelchen Forderungen gegenübersieht, weil ein Verlag den Text, den man benutzt hat, nicht als Zitat, sondern als „Ausschnitt“ sieht und damit das Recht hat, dafür Geld zu fordern. Wenn das Leistungsschutzgesetz wirklich durchgesetzt werden sollte, muss man also in Zukunft deutlich mehr darauf achten, was man schreibt und woher man dies hat.

Für mich ist dieser Gesetzesentwurf eine Überreaktion der Verlage auf das „neue“ Medium Internet, das für sie anscheinend eine starke Konkurrenz darstellt. Aber anstatt sich diesen Trend zunutze zu machen und eigene Strategien zu entwickeln, scheinen sie die Mitbewerber und augenscheinlich fähigere Konkurrenz über juristische Tricks aus dem Weg räumen zu wollen. Dabei riskieren sie den Tod von tausenden von Blogs, einer Unmenge an Schülerzeitungen und vielen anderen kleinen Zeitungen, die nicht in der Lage sein werden, die neuen Gebühren zu bezahlen. Außerdem bekommen Anwälte mit diesem Gesetz eine neue Einkommensquelle, da sie nun Blogs und kleine Zeitungen nach Lust und Laune durchstreifen können um nach Zitaten zu suchen, die ihn ihren Augen keine sind und diese Medien dann anzuzeigen. Es ist für mich nicht verständlich, warum die Bundesregierung diese perfide Strategie der Medienkonzerne unterstützt, da damit auch die Möglichkeit der freien Meinungsäußerung stark eingeschränkt wird. Wahrscheinlich wird aber die finanzielle und mediale Macht der Pressehäuser zu diesem Schritt geführt haben. Ich hoffe, dass man Mittel und Wege finden kann, dieses Gesetz entweder zu stoppen beziehungsweise abzuschwächen oder wenigstens so bekannt zu machen, dass sich eine große Menge an Personen davon angesprochen fühlt und ihre Meinung dann klar und deutlich artikuliert!

Eine Monopolisierung der Sprache ist auch ihr Untergang!

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