Montag, 31. Oktober 2011

Der traurige Egozentrismus der Mehrheit

Ein kleines Mädchen, ungefähr zwei Jahre alt, läuft auf die Straße, weil sie dort etwas interessantes entdeckt hat. Vielleicht hat sie etwas aufblitzen gesehen, vielleicht faszinierte sie auch einfach ein schöner Stein. Kein Mensch kümmert sich in diesem Augenblick um sie. Sie läuft weiter auf der Straße umher, vielleicht sucht sie nach anderen schönen Dingen, oder ist hat auf einmal Angst bekommen, weil ihr kleiner Ausflug sie weit von ihrer Mutter entfernt hat. Sie übersieht den großen Laster der auf sie zufährt und nicht mehr bremsen kann. Der Laster erfasst das kleine Mädchen und fährt noch ein kleines Stück weiter, bevor er zum Stillstand kommt. Einen Moment lang ist der Fahrer unschlüssig, was er machen soll, aber nach einem kurzen zögern fährt er einfach weiter. Die Hinterräder des Laster überrollen noch einmal die Extremitäten des  kleinen Mädchens, das unbeachtet unter dem Laster lag. Die Minuten verstreiche, Minuten, in denen man ihr junges Leben vielleicht noch hätte retten können, und keiner der Passanten, die das kleine Kind blutend auf der Straße liegen sehen, kommt ihm zu Hilfe. Erst nach gut sieben Minuten erbarmt sich eine Müllsammlerin und ruft einen Krankenwagen. Das kleinen Mädchen verstirbt im Krankenhaus an den Folgen seiner schweren Verletzungen. Nach einiger Zeit gelangt ein Video ins Internet, auf dem genau zu sehen ist, wie das Kind überfahren wird und wie die Passanten darauf reagieren. Eine große Debatte über die Kälte und Unmenschlichkeit dieses Geschehens beginnt. Und am nächsten Morgen stehen Menschen unter einem Hochhaus und rufen einer Frau, die oben auf dem Dach steht, zu, dass sie doch endlich springen soll.

Die Geschichte mit dem Mädchen hat tatsächlich stattgefunden, in der südchinesischen Stadt Fochan. Ich habe sie nicht ausgewählt, weil ich aufzeigen wollte, wie schlecht China ist, sondern weil sie auf eine ganz klare und einfache Art deutlich macht, wie wenig sich Menschen um andere Menschen kümmern. Diese Geschichte könnte auch Europa und in Deutschland passiert sein und von ähnliche Geschichten hört man immer wieder, dass sie auch in Deutschland passieren. Gute Beispiele dafür sind die U-Bahn Schlägereien, in denen häufig keiner den Opfern zu Hilfe kommt, obwohl wenigstens einige Menschen zeugen der Taten geworden sind. Es scheint in unserer Gesellschaft kaum noch wichtig zu sein, dass man auch mal wildfremden Menschen hilft, wenn sie diese Hilfe gerade nötig haben. Wir scheinen uns immer noch auf uns zu fixieren und stehen anderen Menschen nur bei, wenn wir sie auch persönlich kennen. Es ist für mich völlig unverständlich, warum diese Vogel-Strauß-Mentalität immer noch so verbreitet ist und in einigen Gebieten anscheinend sogar wieder Zuwachs bekommt. Diese Verantwortungslosigkeit vieler Menschen ihren Mitmenschen gegenüber lässt mich immer wieder aufs neue daran zweifeln, dass wir überhaupt eine Berechtigung  haben, unser Sozialverhalten eine Stufe über das der Tiere zu stellen. Warum nutzen wir unseren Verstand nicht dazu, anderen Menschen, auch völlig unbekannten Menschen, in Notsituationen beizustehen. Es geht hierbei im Normalfall nicht um Schlägereien oder blutende Unfallopfer, sondern auf die alte Dame, die Hilfe benötigt, um ihren Rollator über einen etwas höheren Bordstein zu bekommen. Um die Mutter, die auf dem Parkplatz ihren Autoschlüssel verloren hat. Um das kleine Kind, das im Supermarkt seine Mutter aus den Augen verloren hat. Oder um den Ladenbesitzer, der gerade seine Stiege mit Äpfeln über den Gehweg verschüttet hat. Es geht in den allermeisten Fällen nur im Kleinigkeiten, die einen vielleicht eine oder zwei Minuten kosten, die aber anderen Personen unter Umständen den ganzen Tag retten. Eigentlich sind diese kleinen Taten völlig selbstverständlich, aber anscheinend sehen das nur sehr wenig Menschen so. Diese Menschen finden es aber häufig trotzdem unverschämt, wenn ihnen nicht geholfen wird, wenn ihr kleines Kind plötzlich verschwunden ist oder sie im dunkeln ihren Haustürschlüssel suchen, der ihnen aus der Tasche gefallen ist. Was sie anscheinend nicht schaffen, ist zu verstehen, dass sie in solchen Situationen von der Hilfe von Menschen profitieren, die sie wahrscheinlich noch nicht einmal kennen, sie aber in der gleichen Situation diesen Menschen einfach ignorieren würden. Dieser Egozentrismus, der immer noch in unserer Gesellschaft herrscht und die anscheinend daraus resultierende Oberflächlichkeit sind eine sehr große Hürde auf dem Weg zu einer Welt, in der es sich für jeden Menschen lohnt, zu leben. Ich denken nicht, dass es irgendein „Patentrezept“ gegen diesen Egozentrismus gibt und ich habe auch keine Hoffnung, dass ich einen Wandel der Einstellung der Mehrheit der Menschen noch erlebe. Allerdings finde ich nicht, dass dies ein Grund zum verzweifeln ist. Vielmehr denke ich, dass man eben aufgrund dieses Verhalten der Mehrheit der Menschen versuchen sollte, so viel Glück wie möglich zu verbreiten um ein Zeichen zu setzen. Es ist nur ein kleines Zeichen, dass alleine die Welt nicht verändern wird, aber ein einzelnes Teelicht kann ausreichen, um ein großes Mehrfamilienhaus in Flammen aufgehen zu lassen. Wir sollten uns bemühen, dass Teelicht zu sein...
 Imagine all the people 
sharing all the world...

2 Kommentare:

  1. Ich bin sprachlos. Schockiert. Maßlos entsetzt. Ich wusste ja, dass Menschen grausam sind - aber wie kann man, nicht nur anderen Menschen nicht helfen, wenn sie gerade überfahren wurden, sondern auch als Lastwagenfahrer einfach weiterfahren? Was ist das für eine Welt, in der ein kleines Kind, ein kleines Leben, behandelt wird, wie eine Puppe, die zwar leider 25 Euro gekostet hat, aber die man doch auch beim nächsten Monatsgehalt wieder ersetzten kann? Das ist unvorstellbar.

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  2. Es ist eine Welt, in der man andere Menschen nach der Marke seiner Kleidung, seiner Frisur oder seiner Lieblingsband bewertet. Eine Welt, in der Mitleid und Nächstenliebe nur noch leere Worthülsen sind und Mitgefühl als schwäche ausgelegt wird. Es ist eine Welt, die unvorstellbares leider toleriert, wenn nicht sogar fordert. Es ist eine Welt, über die ich immer öfter verzweifle.

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